Seit Ende September rangelten die Rechtsparteien um Ministerposten in Italien neuem Kabinett. Jetzt ist klar: In dem Mittelmeerland haben nun die Rechten das Sagen. Giorgia Meloni wurde als erste Frau in der Geschichte Italiens im Amt der Regierungschefin vereidigt.
Auch die Frauen und Männer ihres Kabinetts wurden im Quirinalspalast in Rom eingeschworen. Italien wird zukünftig von einer rechten Regierung bestehend aus den Fratelli, der konservativen Forza Italia von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi und der rechtspopulistischen Lega von Matteo Salvini regiert.
Ministerrat tagt erstmals am Sonntag
Am Sonntag ist eine Übergabe zwischen der neuen Regierungschefin Meloni und ihrem Vorgänger Mario Draghi im Palazzo Chigi geplant, außerdem kommt der Ministerrat zu einer ersten Sitzung zusammen. Das Kabinett der 45 Jahre alten Römerin benötigt danach noch die Bestätigung per Vertrauensvotum in den beiden Parlamentskammern, was laut Beobachtern Anfang kommender Woche geschehen könnte. Das Rechtsbündnis verfügt seit der Wahl am 25. September über eine absolute Mehrheit im Parlament, weshalb die Abstimmung für die neue Regierung keine große Hürde werden dürfte.
Melonis Fratelli: Ultrarechte mit faschistischen Wurzeln
Meloni ging bei der Parlamentswahl im September mit ihren Fratelli mit 26 Prozent der Stimmen als deutliche Wahlsiegerin hervor. Die Ultrarechten mit faschistischen Wurzeln waren zuvor lediglich eine kleine Oppositionspartei im Parlament.
Unter der neuen rechten Regierung dürfte Italiens Haltung beim Thema Migration ablehnender werden. Das Bündnis betonte zudem, sich stärker für die Interessen Italiens einsetzen zu wollen. Melonis Haltung zur EU bereitete in Europa bereits Sorgen. Unlängst erklärte sie, Italien werde voll und ganz Teil Europas und der Atlantischen Allianz bleiben.
- Die Italienwahl und Europa: Was kann Meloni bewegen?
Innenministerium an Piantedosi – Salvini ausgestochen
Im neuen Kabinett haben die Fratelli mit neun Posten die meisten Minister. Lega und Forza Italia erhielten je fünf. Außenminister und Melonis Stellvertreter wird der EU-Politiker Antonio Tajani (Forza Italia). Lega-Chef Salvini ist ebenfalls Vize-Premier und musste sich mit dem Infrastrukturministerium zufrieden geben. Zunächst beanspruchte er das Innenministerium, das er 2018 in der Regierung Conte mit einer harten Anti-Migrationspolitik leitete. Innenminister wird nun stattdessen der Präfekt Roms, Matteo Piantedosi – einer von fünf parteilosen Experten des Kabinetts.
Rüstungsunternehmer wird Verteidigungsminister
Der umkämpfte Posten im Justizministerium ging an den Fratelli und Ex-Staatsanwalt Carlo Nordio. Berlusconi hatte lange darum gerungen, seine Vertraute Maria Elisabetta Casellati dort einzusetzen. Sie wird nun Reform-Ministerin. Das wichtige Finanzministerium übernimmt der Lega-Politiker Giancarlo Giorgetti. Verteidigungsminister wird der Fratelli-Mitbegründer Guido Crosetto, der zuvor wegen möglicher Interessenskonflikte als Unternehmer in der Rüstungsbranche in der Kritik stand. Am Freitag erklärte er, die Leitungsrolle bei jedem privaten Unternehmen bereits abgelegt zu haben.
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Glückwünsche: EU und Kirche
Italiens katholische Kirche gratulierte der neuen Regierungschefin. Der Vorsitzende der Italienischen Bischofskonferenz, Kardinal Matteo Zuppi, übermittelte der Wahlsiegerin in einem Schreiben seine "aufrichtigen Glückwünsche". Für Italien beginne ein historisches Kapitel. Die neue Regierung sei die erste, die von einer Frau als Ministerpräsidentin geführt werde. Zugleich erinnerte Zuppi an die großen Herausforderungen, vor denen die neue Regierung nun stehe. Dazu zählten Armut, demografische Entwicklung, Energiekrise oder Jugendarbeitslosigkeit.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte, sie freue sich auf eine "konstruktive Zusammenarbeit" mit der neuen Regierung in Rom. Auch EU-Ratspräsident Charles Michel rief zur Kooperation auf: "Lassen Sie uns zum Wohle Italiens und der EU zusammenarbeiten."
Begeisterte Glückwünsche kamen aus dem Lager der Rechtspopulisten. "Ein großer Tag für die europäische Rechte", schrieb der ungarische Regierungschef Viktor Orbán auf Twitter. "Überall in Europa kommen die Patrioten an die Macht und mit ihnen das Europa der Nationen, das wir uns wünschen", erklärte die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen.
Experte rät zur Vorsicht
US-Präsident Joe Biden gratulierte ebenfalls. Italien sei ein wichtiger Nato-Verbündeter und enger Partner, "da unsere Länder gemeinsame globale Herausforderungen angehen", teilte er mit. Der US-Präsident freue sich darauf, gemeinsam mit Italien in der G7, die "Unterstützung für die Ukraine fortzusetzen, Russland für seine Aggression zur Rechenschaft zu ziehen, die Achtung der Menschenrechte und der demokratischen Werte zu gewährleisten und ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum aufzubauen".
Zu Wachsamkeit gegenüber der neuen Regierung riet Politik-Experte Nino Galetti. Die Partei Fratelli d'Italia und ihr Koalitionspartner Lega seien durch EU-Kritik aufgefallen, hätten zuletzt allerdings etwas davon abgelassen, sagte der Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Rom der Deutschen Presse-Agentur. "Die Impulse, die von Giorgia Meloni in den vergangenen Wochen ausgegangen sind, waren durchaus positiv, aber man wird weiterhin achtsam sein müssen."
Mit Informationen der dpa