Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat eine rechtsextremistische Vereinigung verboten, die sich "Die Artgemeinschaft – Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung" nennt. Wie das Ministerium mitteilte, durchsuchten Einsatzkräfte der Polizei am Mittwochmorgen 26 Wohnungen von 39 Vereinsmitgliedern und Räume des Vereins in zwölf Bundesländern – darunter auch in Oberbayern, Mittel- und Unterfranken.
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Razzia im Landkreis Rhön-Grabfeld bei führendem Mitglied
Eine Leitfigur der Gruppierung kommt offenbar aus Unterfranken, wie es aus Ermittlungskreisen am Mittwoch gegenüber BR24 hieß. Die Person wohne in Hausen im Landkreis Rhön-Grabfeld. Dort fand am Morgen ebenfalls eine Razzia statt, bei der zahlreiche Beweismittel und Datenträger sichergestellt wurden. Durch deren Auswertung sollen Informationen zur Organisationsstruktur der rechtsextremistischen Gruppe und deren Umfeld gewonnen werden. Laut Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) handelt es sich bei der "Artgemeinschaft" um eine bundesweit aktive, neonazistische, neu-heidnische und religiös-völkische Organisation.
Bürgermeister überrascht von Razzia
Fridolin Link (Unabhängige Wählergemeinschaft Hausen), der Bürgermeister der Gemeinde Hausen im Landkreis Rhön-Grabfeld, zeigte sich überrascht, dass im Ortsteil Roth eine Durchsuchung in einem Gebäude der rechtsextremen Gruppierung "Artgemeinschaft" stattgefunden hat. Für die Menschen aus Hausen sei es bedrückend, dass eine derartige Aktion stattgefunden habe. "Razzia heißt ja: Da ist etwas vorgefallen. Ich persönlich habe kein gutes Gefühl", so der Bürgermeister. Zu den Personen, gegen die sich die Razzia gerichtet hat, kann Link wenig sagen. In dem kleinen Ort in der Rhön leben 200 Menschen.
Faeser: Widerwärtige Indoktrinierung von Kindern und Jugendlichen
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) beschreibt die Organisation ähnlich, nämlich als sektenartig, zutiefst rassistisch und antisemitisch. Die "Artgemeinschaft" habe versucht, "durch eine widerwärtige Indoktrinierung von Kindern und Jugendlichen neue Verfassungsfeinde heranzuziehen", sagte Faeser. Ziel der Organisation sei es gewesen, eine rechtsextremistische Weltanschauung auszuleben und zu verfestigen.
Das sei insbesondere durch die Weitergabe der Ideologie an Kinder und Jugendliche mittels einschlägiger Literatur erfolgt, die zum Teil aus der NS-Zeit stamme und nur minimal abgewandelt worden sei.
Die "Artgemeinschaft" verbreitete laut Bundesinnenministerium "unter dem Deckmantel eines pseudo-religiösen germanischen Götterglaubens ihr gegen die Menschenwürde verstoßendes Weltbild". Zentrales Ziel seien Erhalt und Förderung der eigenen "Art" gewesen, welche mit dem nationalsozialistischen Terminus der "Rasse" gleichzusetzen sei. So habe der Verein seinen Mitgliedern Anweisungen zu einer richtigen "Gattenwahl" innerhalb der nord- und mitteleuropäischen "Menschenart" gegeben, um das der rassistischen Ideologie des Vereins entsprechend "richtige" Erbgut weiterzugeben. Menschen anderer Herkunft seien herabgewürdigt worden.
Durch das Betreiben eines vereinseigenen "Buchdienstes" und einer Website sowie mittels sozialer Medien seien auch Nichtmitglieder mit rechtsextremistischem Gedankengut radikalisiert und geworben worden. Das Bundesinnenministerium gibt die Zahl der Mitglieder mit rund 150 an.
Auch Teilorganisationen verboten
Vom Vereinsverbot seien auch alle Teilorganisationen der "Artgemeinschaft" betroffen. Zu den Teilorganisationen gehörten sogenannte "Gefährtschaften", Gilden, Freundeskreise und das Familienwerk e.V. Neben Bayern gab es dem Ministerium zufolge Durchsuchungen in Baden-Württemberg, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen. Das Vereinsverbot sei seit mehr als einem Jahr vorbereitet worden.
Vergangene Woche Dienstag hatte Faeser bereits die rechtsextreme Gruppe "Hammerskins Deutschland" verboten. Damals waren ihren Angaben zufolge 700 Kräfte bei Durchsuchungen im Einsatz.
Mit Informationen von dpa, AFP und epd.
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