Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) haben die Hinrichtung des deutsch-iranischen Doppelstaatsbürgers Djamshid Sharmahd im Iran scharf verurteilt. Scholz nannte die Tötung bei X einen "Skandal" und erklärte, die Bundesregierung habe sich "immer wieder intensiv für Herrn Sharmahd eingesetzt".
Baerbock teilte mit (externer Link), die Tötung Sharmahds zeige erneut, "was für ein menschenverachtendes Regime in Teheran herrscht". Teheran sei immer wieder unmissverständlich klargemacht worden, "dass die Hinrichtung eines deutschen Staatsangehörigen schwerwiegende Folgen haben" werde.
Iranischer Geschäftsträger einbestellt
Inzwischen hat das Auswärtige Amt den iranischen Geschäftsträger in Berlin einbestellt. "Wir haben unseren scharfen Protest gegen das Vorgehen des iranischen Regimes übermittelt und behalten uns weitere Maßnahmen vor", erklärte das Außenministerium bei X. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock habe zudem den deutschen Botschafter in Teheran zu Konsultationen nach Berlin zurückberufen.
Iran reagiert auf "Einmischung deutscher Regierungsvertreter"
Am späten Dienstagnachmittag bestellte Teheran seinerseits den deutschen Botschafter ein. Die Einbestellung sei wegen der Einmischung "einiger deutscher Regierungsvertreter" in die Rechtssprechung der Islamischen Republik Iran erfolgt, erklärte das Außenministerium in Teheran.
Zum Tode verurteilt wegen "Korruption auf Erden"
Irans Justiz hatte zuvor Sharmahds Hinrichtung bekannt gegeben. Sharmahd, der zuletzt in den USA gelebt hatte, war nach Angaben seiner Familie 2020 bei einem Zwischenstopp in Dubai vom iranischen Geheimdienst in den Iran verschleppt worden. Wegen "Korruption auf Erden" wurde er im Februar 2023 schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt.
Die iranische Justiz warf Sharmahd vor, 2008 an einem Anschlag auf eine Moschee mit 14 Toten in der südiranischen Stadt Schiras beteiligt gewesen zu sein. Zudem wurde er beschuldigt, Anführer der Oppositionsgruppe Tondar zu sein, die das politische System der Islamischen Republik Iran ablehnt und für die Wiedereinführung der Monarchie eintritt.
Angehörige und Menschenrechtler wiesen diese Anschuldigungen zurück und beklagten, dass Sharmahd in Isolationshaft gehalten wurde und keine Gelegenheit gehabt habe, sich zu verteidigen. Geständnisse, die im Staatsfernsehen ausgestrahlt wurden, könnten unter Folter erzwungen worden sein.
Merz spricht von "scheußlichem Verbrechen"
Nach den Berichten über Sharmahds Hinrichtung forderte auch Oppositionschef Friedrich Merz (CDU) klare Konsequenzen. Der iranische Botschafter müsse aus Deutschland ausgewiesen werden, so Merz. "Die Herabstufung der diplomatischen Beziehungen auf die Geschäftsträgerebene ist angezeigt", schrieb Merz bei X, nachdem als Reaktion auf das Todesurteil gegen Sharmahd 2023 lediglich Botschaftsangehörige ausgewiesen worden waren. Merz, der eine politische Patenschaft für Sharmahd übernommen hatte, sprach angesichts der Hinrichtung von einem "scheußlichen Verbrechen".
Amnesty Deutschland forderte die Bundesregierung auf, strafrechtliche Ermittlungen einzuleiten und Haftbefehle gegen alle iranischen Beamten zu erlassen, die an den an Sharmahd verübten Verbrechen beteiligt waren. "Sie müssen zur Rechenschaft gezogen werden!" Das könnte zum Beispiel Abolghassem Salawati betreffen, auch bekannt als "Richter des Todes", der den Vorsitz im Sharmahd-Prozess führte und von den USA und der Europäischen Union bereits mit Sanktionen belegt wurde.
Angehörige kritisieren Bundesregierung
Deutschland hatte in der Vergangenheit die Aufhebung des Urteils gegen Sharmahd gefordert. Irans Justiz verweigerte bis zuletzt konsularischen Zugang. Unter anderem Sharmahds Tochter Gazelle warf der Bundesregierung jedoch immer wieder Untätigkeit vor, auch weil andere Europäer im Rahmen von Gefangenendeals freigekommen waren.
"Wir wollen keine Erklärungen oder Beileidsbekundungen" schrieb Gazelle Scharmahd jetzt auf X, sie bezeichnete sowohl die Bundes- als auch die US-Regierung als "inkompetent und korrupt", beide hätten ihren Vater in Verhandlungen im Stich gelassen und seine Familie ignoriert.
Nach den Meldungen zu Sharmahds Hinrichtung forderte seine Tochter zudem Beweise für den Tod ihres Vaters und eine "schwere Strafe" für den Iran. Im Onlinedienst X erklärte Gazelle Sharmahd, sie warte darauf, die US- und die Bundesregierung zu sprechen und zu prüfen, ob den Regierungen Beweise für die Hinrichtung ihres Vaters vorliegen.
EU-Chefdiplomat: Teilen den Schmerz der Familie
Ob es zu einschneidenden Schritten kommt, ist ungewiss. So nannte auch EU-Chefdiplomat Josep Borrell keine Einzelheiten, als er in Brüssel erklärte, die EU erwäge "Maßnahmen" als Reaktion auf die Hinrichtung. Die EU lehne "die Todesstrafe jederzeit und unter allen Umständen entschieden ab", schrieb Borrell auf X. Man teile "den Schmerz der Familie und der Angehörigen" und bekunde "Solidarität mit der deutschen Regierung, mit der wir in Kontakt stehen", schrieb er weiter.
Mit Informationen von dpa und AFP
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