Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat am Dienstag die hart umkämpfte Stadt Bachmut im Osten der Ukraine besucht. Selenskyj sprach dort mit Militärvertretern und verlieh den Soldaten Auszeichnungen, wie der Pressedienst des Präsidialamtes mitteilte.
Bachmut liegt in Donezk, einer der vier ukrainischen Regionen, die der russische Präsident Wladimir Putin im September für annektiert erklärt hat. Die Regionen werden aber nur zum Teil von russischen Truppen kontrolliert. "Seit Mai versuchen die Besatzer, unseren Mut zu brechen, aber die Zeit vergeht und Bachmut bricht nicht nur die russische Armee, sondern auch die russischen Söldner, die gekommen sind, um die kaputte Armee der Okkupanten zu ersetzen", sagte Selenskyj. Die ukrainischen Truppen zeigten sich mutig, widerstandsfähig und stark.
Gefährlicher Frontbesuch in Bachmut
Zermürbende Kämpfe um Bachmut haben in den vergangenen Monaten zu zahlreichen Verluste auf beiden Seiten geführt. Während russische Truppen Ortschaften und Gebiete am äußeren Rande der Stadt für sich beanspruchen, sollen die Ukrainer die Stadt selbst sowie Teile ihrer Umgebung kontrollieren.
Dem ukrainischen Präsidialamt zufolge ist Bachmut derzeit das Zentrum der Kämpfe im Osten des Landes - die Visite gilt als Selenskyjs bisher gefährlichster Frontbesuch. Der Präsident hat während des seit fast zehn Monaten andauernden Kriegs mit Russland bereits mehrfach Orte an der Front besucht, darunter Cherson im Süden, das kürzlich von den ukrainischen Streitkräften zurückerobert worden war, sowie die Stadt Slowjansk im Donbass.
Putin verspricht mehr Militärgerät
Der russische Präsident Putin verlieh unterdessen im Kreml Orden unter anderem an die von Moskau ernannten Statthalter der vier im September illegal von Russland annektierten ukrainischen Regionen. Er lobte dabei den Mut der Soldaten an der Front und behauptete erneut, Russland sehe sich wie oft in seiner Geschichte mit der Notwendigkeit konfrontiert, seine Souveränität verteidigen zu müssen.
Es wird vermutet, dass Söldner des privaten Militärunternehmens Wagner-Gruppe die Angriffe auf Bachmut leiten. Ihre Einnahme könnte den russischen Truppen den Weg zur Eroberung des gesamten aus den Regionen Donezk und Luhansk bestehenden Donbass ebnen. Putin versprach, mehr Militärgerät und Personal in die umkämpften annektierten Gebiete - neben Donezk und Luhansk Saporischschja und Cherson - zu schicken.
Putin räumt schwierige Lage ein
Putin räumte zugleich in einem an Mitarbeiter von russischen Geheim- und Sicherheitsdiensten gerichteten Video Probleme in den Regionen ein: "Die Situation in den Volksrepubliken Donezk und Luhansk sowie in den Regionen Cherson und Saporischschja ist extrem schwierig", sagte er. Nach Angaben des Kreml wird Putin am Mittwoch mit hochrangigen Vertretern des Verteidigungsministeriums zusammentreffen, um die militärischen Ziele für das kommende Jahr zu verkünden und den Konflikt in der Ukraine zu bewerten. Der Krieg in der Ukraine dauert mittlerweile genau 300 Tage.
Karte: Die militärische Lage in der Ukraine
London: Putin will Verantwortung abwälzen
Putin versucht nach Einschätzung britischer Geheimdienst-Experten, die Verantwortung für die verlustreiche und teilweise misslungene Invasion in die Ukraine sowie die wachsende Unzufriedenheit mit dem Krieg von sich abzuwälzen. Dazu habe ein Besuch beim Hauptquartier der sogenannten militärischen Spezialoperation in der vergangenen Woche gedient, hieß es in dem täglichen Geheimdienst-Update des britischen Verteidigungsministeriums. Bei dem von Kameras begleiteten Besuch, in dem auch Generalstabschef Waleri Gerassimow zu sehen war, sei es dem Kreml-Chef wohl auch darum gegangen, Gerüchten über dessen Absetzung entgegenzutreten, so die Briten.
"Ohne Heizung, Lebensmittel und Medikamente"
Aus mehreren Gebieten im Osten und Südosten der Kämpfe wurden erneut Kämpfe gemeldet. Nach Angaben des ukrainischen Gouverneurs von Donezk, Pawlo Kyrylenko, wurden 19 Städte und Dörfer von russischen Truppen beschossen. Der Gouverneur von Luhansk, Serhij Hajdaj, sagte im ukrainischen Fernsehen, sein Gebiet stehe am Rande einer humanitären Katastrophe. Die Einwohner lebten "in Kellern ohne Heizung, Lebensmittel und Medikamente" und müssten ihre Möbel verbrennen, um etwas Wärme zu bekommen.
- Zum Artikel: Schwere Kämpfe in Ostukraine – Kiew ringt um Wasser und Strom
In Kiew feierten die Menschen eine kleine Rückkehr zur Normalität: Erstmals seit Kriegsbeginn vor zehn Monaten fuhren zwischen zwei zentralen U-Bahn-Stationen wieder Züge. "Es ist das Gefühl, dass wir trotz allem zu der Routine zurückkehren, die wir gewohnt waren", sagte ein 24-jähriger Fahrgast, Denys Kapustin. "Das ist sehr wichtig."
Trotz ständiger Reparaturen gab es in der ukrainischen Hauptstadt aber weiter starke Probleme mit der Stromversorgung. Wegen einer Notabschaltung der Pumpen fiel auch die Wasserversorgung aus. Damit verbunden kam es bei Temperaturen um den Gefrierpunkt auch zu Ausfällen der Fernwärme.
Mit Informationen von AP und AFP
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