"Zeige der Salt-Chip-Community, dass du stark genug für die Challenge bist." So bewirbt die Bonner Firma MAC UG ihren giftgrünen Tortilla-Chip, der zu 40 Prozent aus Salz besteht. Die Community, das sind meist junge TikTok-User, die sich beim Verzehr des Chips selber filmen und in ihren Videos "möglichst krass" auf den hohen Salzgehalt reagieren sollen. MAC UG versucht damit auf einen Trend aufzuspringen, der bereits vergangenes Jahr mit der "Hot-Chip-Challenge" in der Kritik stand.
Damals stoppte eine tschechische Firma den Verkauf von extrem scharfen Tortilla-Chips nach Deutschland, als mehrere Jugendliche nach dem Verzehr im Krankenhaus behandelt werden mussten. Auch jetzt warnen Verbraucherschützer zwar vor dem Chip, aber nicht nur vor den gesundheitlichen Folgen.
Herstellungskosten gering - Verkaufspreis saftig
Während einzelne Videos der "Challenge" auf TikTok bereits über 150.000 Likes haben, kritisiert Daniela Krehl von der Verbraucherzentrale Bayern die hohen Kosten, die die MAC UG pro Chip verlangt: "Es ist einfach moralisch bedenklich, wenn ein Produkt, dass im Centbereich produziert wird, dann zu einem hundertfachen des Betrags verkauft wird." Tatsächlich erhält man für knapp 15 Euro genau einen Chip in einer sargförmigen Hochglanzschachtel und einen Plastikhandschuh für den Verzehr: "Man wird auch trotz der hochwertigen Verpackung bei den Produktionskosten im Cent-Bereich sein und es ist ethisch nicht nachvollziehbar, warum der Preis 15 Euro beträgt."
Im Gespräch mit BR24 hebt Daniela Krehl außerdem hervor, dass sich das Marketing der MAC UG an eine junge und damit schützenswerte Zielgruppe richtet: "Die Zielgruppe, die hier angesprochen wird, ist sich nicht unbedingt bewusst, wie hoch der Verkaufspreis im Vergleich zum Warenwert ist."
Salt-Chip-Challenge gesundheitlich eher unbedenklich
Insgesamt enthält ein einzelner Salt-Chip rund zwei Gramm Salz. Eine solche Menge kann durchaus eine körperliche Reaktion hervorrufen, sagt Daniela Krehl von der Verbraucherzentrale Bayern im Gespräch mit BR24: "Der Verzehr führt eventuell zu Brechreiz oder Kopfschmerzen, ganz sicher zu riesengroßem Durst." Aber obwohl die Salt-Chip-Challenge auf TikTok jetzt als Nachfolger der Hot-Chip-Challenge gehandelt wird, ist sie gesundheitlich eher unbedenklich, so Daniela Krehl weiter: "Bei allen über 16-Jährigen hinterlässt so ein einmaliger Verzehr keine bleibenden Schäden."
Dennoch: Ein einziger Salt-Chip deckt bereits ein Drittel des täglich empfohlenen Salzbedarfs für einen erwachsenen Menschen. Kleinkinder sollten die Chips deshalb auf keinen Fall in die Hände bekommen: "Bei einem zwei- bis dreijährigen Kind, das ungefähr zwölf Kilogramm Körpergewicht hat, könnten schon sechs Gramm Salz pro Tag lebensbedrohlich sein und das wären dann drei Chips." Jedoch ist der hohe Salzgehalt für den Geschmack von Kleinkindern sowieso nicht besonders attraktiv: "Ich vermute, dass kein Kleinkind wirklich Gefallen daran gewinnt, diese salzigen Chips zu essen. Es wird die Chips wahrscheinlich eher ausspucken."
Für über 16-Jährige sind vereinzelte Überschreitungen des empfohlenen Tagesbedarfs unbedenklich - erst wenn der Salzkonsum regelmäßig über dem empfohlenen Tagesbedarf liegt, steigt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Warum finden junge Menschen Social-Media-Challenges so reizvoll?
Im Gespräch mit BR24 erklärt Ulrich Köhler, Trendforscher aus München, warum Phänomene wie die Hot-Chip-Challenge im digitalen Raum so einen enormen Erfolg haben: "Challenges sind sehr gut geeignet, das Bedürfnis nach sozialer Anerkennung zu befriedigen. Gerade für junge Menschen erfolgen Bestätigung, aber auch komplexere Prozesse wie Persönlichkeitsbildung, zunehmend über soziale Netze." Was auffällt: Bei vielen Challenges in sozialen Medien gehen gerade jüngere Nutzer hohe Risiken ein, das bestätigt auch Köhler: "Bei jungen Menschen herrscht ein noch größeres Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und des Zurschaustellens von Stärke. Grenzüberschreitende Challenges sind dann nur die extreme Form, dieses Verlangen in Form von eskalierenden Wettbewerben zu befriedigen."
Bis aus einem einzelnen Beitrag jedoch ein Trend entsteht, müssen laut Ulrich Köhler viele Dinge zusammenkommen: "Es ist immer etwas Unplanbares mit dabei, denn der Algorithmus von TikTok und anderen Plattformen ist immer im Wechselspiel mit den Nutzungsgewohnheiten der User. Wichtige Elemente sind aber ein authentisches Thema sowie eine möglichst einfache Mechanik, die Verwendung der richtigen Sprache und Musik, das für TikTok extrem wichtige Element der 'Co-Creation' – also der Möglichkeit, den Content selbst weiterzuerzählen, - sowie ein eingängiges Hashtag." Nicht jede Challenge muss laut dem Trendforscher dabei gleich gefährlich sein: "Oft ist es aber spontan produzierter Content einzelner User, der einen angesagten Mix der genannten Zutaten aufweist, damit zum Zeitgeist passt und von den richtigen Influencern aufgegriffen wird, und so zum Trend wird."
Dieser Artikel ist erstmals am 08.02.2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
Im Video: Das war die Hot-Chip-Challenge
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