Das große Geschäft mit dem kleinen Geschäft – oder doch die notwendige Finanzierung einer Toiletten-Infrastruktur an Raststätten? Die Meinungen über die Sanifair-Anlagen an deutschen Autobahnen gehen weit auseinander. Ab diesem Freitag müssen Kundinnen und Kunden mehr Geld als bisher parat haben: Die Nutzung der Sanifair-WCs kostet jetzt einen Euro. Bisher waren es 70 Cent.
Erste Erhöhung seit 2011 – Von 70 Cent auf 1 Euro
Das Unternehmen hatte die Preiserhöhung vor rund vier Wochen angekündigt. Der erste Anstieg seit dem Jahr 2011 erlaube es, "die von Kunden geschätzten Standards bei Sauberkeit, Service und Komfort der modernen und hygienischen Sanitäranlagen" dauerhaft aufrecht zu erhalten. Sanifair verwies auf seit 2011 stark gestiegene Betriebskosten – "insbesondere für Energie, Personal und Verbrauchsmaterialien". Das Unternehmen kündigte auch ein umfassendes Modernisierungsprogramm an.
Höherer Wertbon mit Haken
Zudem verwies Sanifair darauf, dass WC-Nutzende pro Toilettenbesuch künftig einen Wertbon in Höhe von ebenfalls einem Euro erhalten. Diesen kann man in Shops und Restaurants an den Autobahnraststätten einlösen – künftig allerdings nur noch einen Gutschein pro Artikel. Sanifair argumentiert wie folgt: Für Gäste der Raststätten werde die Nutzung der WC-Anlagen damit "praktisch kostenneutral".
ADAC verständnisvoll, Verbraucherschützer nicht
Die Preiserhöhung stieß nach der Ankündigung auf ein geteiltes Echo. Der ADAC zeigte angesichts der allgemeinen Preissteigerungen Verständnis – räumte aber ein, dass die Maßnahme für Reisende und besonders für Familien bedauerlich sei. Wichtig sei zudem, dass es gleichzeitig eine weitere Verbesserung in Sachen Sauberkeit gebe.
Der Bundesverband der Verbraucherzentrale äußerte sich deutlich kritischer. Die Erhöhung der Toilettenpreise um mehr als 40 Prozent werde die Bereitschaft der Autofahrer, Sanifair-Angebote zu nutzen, weiter senken. Die höheren Wertgutscheine brächten wenig, weil die meisten Produkte an den Raststätten deutlich teurer seien als abseits der Autobahnen. Der Trick, mehrere Gutscheine zu sammeln und dann gemeinsam einzulösen, sei nach der Preisanpassung nicht mehr möglich.
Kabarettist Grebe scheiterte mit Klage gegen Sanifair
Der Kabarettist Rainald Grebe zog vor einigen Jahren sogar gegen Sanifair vor Gericht. Eine WC-Gebühr an Autobahnen verstoße gegen die garantierte Grundversorgung der Bürger, argumentierte er. Grebes Klage vor dem Verwaltungsgericht Koblenz scheiterte 2017 – auch aus formalen Gründen. Das Gericht stellte zudem fest: Einen Rechtsanspruch auf kostenlose Toiletten an Autobahnen gebe es nicht.
Insgesamt betreibt Sanifair laut eigenen Angaben WC-Anlagen an rund 550 Standorten in Deutschland und Europa. Davon befinden sich rund 430 entlang der deutschen Autobahnen. Und nicht alle Menschen müssen für die Nutzung zahlen. "Die Nutzung von Behinderten-WCs sowie der Baby-Wickelmöglichkeiten bleibt auch künftig kostenfrei", betonte das Unternehmen im Oktober. Das gelte auch für Kinder, "die den Geldschlitz nicht erreichen".
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