Im Atomstreit innerhalb der Ampel-Koalition hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine Entscheidung getroffen: Alle drei noch am Netz befindlichen deutschen Atomkraftwerke sollen bis Mitte April 2023 laufen können, heißt es in einem am Montag veröffentlichten Schreiben von Scholz an das Bundeskabinett.
Dazu zählt auch das bayerische Atomkraftwerk Isar 2 bei Landshut. Die beiden anderen Meiler sind Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg und Emsland in Niedersachsen. Der Kanzler beruft sich bei seiner Entscheidung auf seine Richtlinienkompetenz innerhalb der Bundesregierung.
Atomkraftwerke: Grüne und FDP streiten seit Wochen
In der Ampel-Koalition haben Grüne und FDP seit Wochen um die Frage gerungen, welche Atomkraftwerke länger am Netz bleiben oder zumindest bei Strom-Engpässen wieder ans Netz sollen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte vorgeschlagen, zwei AKW als "Einsatzreserve bis Mitte April 2023" vorzuhalten, Isar 2 und Neckarwestheim 2. Diese Variante segnete auch der Grünen-Parteitag ab.
Etliche FDP-Politiker wie Bundesfinanzminister Christian Lindner drängten dagegen darauf, alle drei noch am Netz befindlichen Atomkraftwerke bis mindestens 2024 am Netz zu lassen. Gegebenenfalls sollten bereits stillgelegte AKW reaktiviert werden.
FDP zufrieden, Grüne zurückhaltend
Zumindest Lindner scheint mit Scholz' jetzt getroffener Entscheidung zufrieden - auch wenn sie hinter den Forderungen der FDP zurückbleibt. "Es ist im vitalen Interesse unseres Landes und seiner Wirtschaft, dass wir in diesem Winter alle Kapazitäten der Energieerzeugung erhalten", twitterte Lindner. "Der Bundeskanzler hat nun Klarheit geschaffen."
Die Grünen-Führung reagierte reserviert: "Das AKW Emsland ist für die Netzstabilität nicht erforderlich", sagte die Co-Vorsitzende der Partei, Ricarda Lang, in Berlin. "Entsprechend halten wir den Weiterbetrieb für nicht notwendig." Klar sei aber, dass keine neuen Brennstäbe beschafft würden und alle deutschen AKW zum 15. April 2023 vom Netz gingen.
Aus der SPD-Fraktion kommt Zustimmung zu der Entscheidung. "Der Bundeskanzler nutzt seine Richtlinienkompetenz und präsentiert eine angemessene, pragmatische Lösung für Atomkraft", twitterte die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast. Jetzt müsse man alle Energie darin setzen, die Erneuerbaren Energien auszubauen.
Kritik von Söder und Merz
Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, sprach von einem "klugen Kompromiss". Von der Opposition kommt hingegen Kritik: Es greife zu kurz, dass die AKW bis maximal Mitte April 2023 weiterlaufen können, sagte CDU-Chef Friedrich Merz der "Welt". "Die deutschen Atomkraftwerke müssen - wie es die FDP gefordert hat - bis 2024 mit neuen Brennstäben weiterlaufen."
Auch CSU-Chef Markus Söder zeigte sich unzufrieden. "Ist das alles? Was für eine Enttäuschung", schrieb Söder auf Twitter. Das Problem sei nur vertagt. "Das ist zwar eine Lösung im Ampelstreit, aber nicht für das Stromproblem in Deutschland", argumentierte Söder und warnte: "Die Gefahr eines Blackouts im kommenden Jahr bleibt bestehen."
Scholz: Kohleausstieg bis 2030 gesetzlich festschreiben
Dem Schreiben von Scholz zufolge wird die Regierung auch "ein ambitioniertes Gesetz zur Steigerung der Energieeffizienz" vorlegen. Außerdem soll die Vereinbarung zwischen dem Bund, dem Land Nordrhein-Westfalen und dem Energiekonzern RWE über ein Vorziehen des Kohleausstiegs in dem Bundesland auf 2030 gesetzlich festgeschrieben werden. Diese Vereinbarung sieht auch eine Verlängerung des Betriebs einiger Kohlekraftwerke bis 2024 vor.
Mit Informationen von AFP und dpa
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