So voll war es im Regierungsflieger von Kanzler Scholz noch nie. Neben Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) begleitet ihn erstmals eine vom Industriepräsidenten Siegfried Rußwurm angeführte Wirtschaftsdelegation von rund einem Dutzend Spitzenmanagern, darunter die Vorstandsvorsitzenden von Volkswagen, Bayer, Siemens Energy und Uniper. In der Energiekrise setzt Deutschland große Erwartungen in Kanada.
Scholz will mit Kanada Wasserstoff-Wirtschaft aufbauen
Bundeskanzler Scholz will bei seinem dreitägigen Kanada-Besuch die Zusammenarbeit bei der Erschließung von Rohstoffen deutlich ausbauen. "Das Land verfügt über ähnliche reiche Bodenschätze wie Russland – mit dem Unterschied, dass es eine verlässliche Demokratie ist", sagte Scholz am Sonntagabend (Ortszeit) nach seiner Ankunft in Montreal. "So eröffnen sich neue Felder der Zusammenarbeit. Insbesondere beim Aufbau einer Wasserstoff-Wirtschaft wollen wir eng kooperieren."
Am heutigen Montag wird der kanadische Premierminister Justin Trudeau in Montreal, seinem Wahlkreis, Kanzler Scholz zu politischen Gesprächen empfangen. Am Dienstag geht es weiter in die Wirtschaftsmetropole Toronto und schließlich in das entlegene Stephenville, einen kleinen Ort im nur dünn besiedelten Neufundland.
Abkommen mit Kanada zu grünem Wasserstoff geplant
Dort wollen Kanzler und Premier ein Abkommen zur Kooperation bei Herstellung und Transport von grünem Wasserstoff, der mithilfe erneuerbarer Energien erzeugt wird, unterzeichnen. Langfristig rechnet Kanada damit, 25 bis 30 Millionen Tonnen grünen Wasserstoff pro Jahr exportieren zu können. Allerdings müssen auch hier noch Transportkapazitäten geschaffen werden.
Bei dem Besuch geht es aber auch um die Lieferung von Flüssiggas (LNG) nach Deutschland und die Förderung von in Kanada vorhandenen Mineralien und Metallen wie Nickel, Kobalt, Lithium und Grafit, die für die Herstellung von Batterien wichtig sind.
- Zum Artikel Wasserstoff: Wann startet Bayern in die Zukunft?
Video: Habeck zur Zusammenarbeit mit Kanada
Scholz betont ideelle Gemeinsamkeiten mit Kanada
Scholz betonte, dass Deutschland mit kaum einem anderen Land außerhalb der Europäischen Union so eng und freundschaftlich verbunden sei wie mit Kanada. "Wir teilen nicht nur gemeinsame Werte, sondern auch einen ähnlichen Blick auf die Welt", sagte er.
Kanada ist mit einer Fläche von fast zehn Millionen Quadratkilometern nach Russland das zweitgrößte Land der Welt, mit etwa 37 Millionen Einwohnern aber vergleichsweise dünn besiedelt. Das Land ist Partner Deutschlands in der G7 wirtschaftsstarker Demokratien und in der Nato.
Flüssiggas erst mittelfristig für Deutschland verfügbar
Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine zwingt Deutschland, sich in seinen Wirtschaftsbeziehungen breiter aufzustellen. Das gilt ganz akut für den Energiebereich, in dem man sich von russischen Gaslieferungen unabhängig machen will. Kanada hat zwar Flüssiggas zu bieten, davon kann Deutschland aber erst mittelfristig profitieren, weil für den Transport über den Atlantik noch Pipelines und Terminals fehlen. Bei der Reise liegt der Fokus deswegen auf der Wasserstoffproduktion.
In etwa zwei Dutzend Ländern auf vier Kontinenten hat sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) seit seiner Vereidigung im Dezember schon vorgestellt. Für kein einziges davon hat er bei seinen Antrittsbesuchen so viel Aufwand betrieben wie jetzt für Kanada.
Drei Tage nimmt er sich Zeit für das flächenmäßig zweitgrößte Land der Welt, das aber noch nicht einmal halb so viele Einwohner hat wie Deutschland. Zum Vergleich: Im deutlich mächtigeren und wirtschaftsstärkeren Nachbarland USA war er im Februar nur halb so lange zum Antrittsbesuch.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!