EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) fordern einen internationalen "Marshallplan des 21. Jahrhunderts" für den Wiederaufbau in der Ukraine. Neben der akuten Hilfe müsse daran schon heute gedacht werden, schreiben beide in einem gemeinsamen Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Der "Marshallplan" war das Wiederaufbauprogramm der USA für die Länder Westeuropas nach dem Zweiten Weltkrieg.
Im Beitrag von Scholz und von der Leyen heißt es weiter: "Den Aufbau zerstörter Wohngebäude, Schulen, Straßen, Brücken, der Infrastruktur und der Energieversorgung, all das müssen wir jetzt angehen, damit das Land rasch wieder auf die Beine kommt." Schließlich benötige die Ukraine die Perspektive, dass sie wirtschaftlich nach Kriegsende wieder durchstarten könne.
Kriegsschäden immens – "Wir müssen alle gemeinsam anpacken"
Scholz und von der Leyen betonen: Entscheidend sei, diese große Aufgabe gemeinsam anzugehen. "Die Weltbank beziffert die bisherigen Schäden des Krieges auf 350 Milliarden Euro. Und die Zerstörung geht weiter, wie die jüngsten Angriffe der vergangenen Tage zeigen." Weder die Ukraine noch einzelne Partner würden den notwendigen Aufwand allein bewältigen können. "Wir müssen alle gemeinsam anpacken – EU, G7 und unsere Partner weit darüber hinaus." Auf Dauer werde auch wichtig sein, dass private Geldgeber und Unternehmen in den Wiederaufbau der Ukraine investieren.
Besondere Rolle der EU
Bei den Wiederaufbauprojekten sollen demnach hohe Standards gelten bei Transparenz, Effizienz, Rechnungsprüfung und Projekt-Monitoring. Der EU falle dabei eine wichtige Rolle zu. "Seit Sommer ist die Ukraine ein EU-Beitrittskandidat. Der Weg des Wiederaufbaus ist daher auch der Pfad der Ukraine in die Europäische Union."
Die Wirtschaft in der Ukraine solle nachhaltiger und digitaler gestaltet werden. "Es geht darum, höchste Standards in Sachen Rechtsstaatlichkeit zu setzen und effektive Stellen zu etablieren, um Korruption zu bekämpfen." Das seien die Werte, für die Europa stehe und die dabei helfen würden, das Vertrauen der Investoren und Geber zu gewinnen.
Deutsche Wirtschaft drängt auf Wiederaufbau der Ukraine
Auch der Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft dringt auf zügige Vorbereitungen für einen Wiederaufbau in der Ukraine – und sieht die hiesige Wirtschaft in einer führenden Rolle. Es dürfe mit dem Wiederaufbau nicht bis zum Kriegsende gewartet werden, sagte der stellvertretende Vorsitzende Hans-Ulrich Engel.
Die deutsche Wirtschaft stehe bereit, beim Wiederaufbau der Ukraine eine führende Rolle zu übernehmen, hieß es vom Ostausschuss im Vorfeld des Deutsch-Ukrainischen Wirtschaftsforums in Berlin.
Deutsch-Ukrainisches Wirtschaftsforum mit Scholz und Schmyhal
Bei der Veranstaltung mit Spitzenvertretern beider Länder geht es an diesem Montag um den Wiederaufbau der Ukraine. Die Konferenz findet auf Initiative des Ostausschusses sowie des Deutschen Industrie- und Handelskammertags und der Deutsch-Ukrainischen Industrie- und Handelskammer statt.
Die Konferenz wird von Bundeskanzler Scholz und dem ukrainischen Ministerpräsidenten Denys Schmyhal eröffnet. Erwartet wird außerdem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Aus der Ukraine werden mehrere Minister nach Berlin reisen oder online zugeschaltet, wie die Veranstalter bekanntgaben.
Treier: Handel bisher nur um zehn Prozent eingebrochen
Im Vorfeld des Treffens betonte der Außenwirtschafts-Experte des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Volker Treier, dass die Politik erklären müsse, wie der Wiederaufbau der Ukraine finanziert werde. In der radioWelt bei Bayern 2 sagte Treier, wichtig seien Instrumente wie Bürgschaften oder Exportkreditversicherungen – "damit das Geld effizient und gerecht eingesetzt wird".
Der Handel mit der Ukraine ist nach Einschätzung von Treier trotz des Kriegs bisher nur um zehn Prozent eingebrochen. Die Ukraine selbst habe aber einen Produktionseinbruch von bis zu 40 Prozent. Das werde auch im nächsten Jahr so weitergehen. "Das heißt die Notwendigkeiten bei der Lieferung von Infrastruktur, die jetzt beschädigt wird, aber auch für notwendige Güter des täglichen Bedarfs, also Lebensmittel, Konsumgüter." Teilweise könne das jedoch von der Ukraine nicht mehr finanziert werden, sagte Treier vor dem heutigen deutsch-ukrainischen Wirtschaftsforum.
Russland attackiert ukrainische Kraftwerke
Unterdessen spitzt sich die Lage in der Ukraine immer weiter zu. Acht Monate nach Kriegsbeginn greift Russland mittlerweile gezielt Kraftwerke an. Die Zerstörung ist groß, landesweit kommt es zu Stromausfällen. Präsident Wolodymyr Selenskyj zufolge sind bereits rund 40 Prozent der ukrainischen Energieanlagen beschädigt. Für die Menschen in dem vom Krieg gezeichneten Land ist das angesichts des bevorstehenden Winters besorgniserregend. Um größeren Engpässen vorzubeugen, sind die Ukrainer zum Energiesparen aufgerufen.
Mit Informationen von Reuters und dpa
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