Olaf Scholz bei seiner Rede im Bundestag
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Scholz will Schwerstkriminelle nach Afghanistan abschieben

Die tödliche Messerattacke auf einen Polizisten in Mannheim hat eine Debatte über Abschiebungen von Straftätern ausgelöst. Der Kanzler machte im Bundestag eine klare Ansage: Er will Schwerstkriminelle abschieben, auch nach Afghanistan und Syrien.

Nach dem Attentat von Mannheim hat Bundeskanzler Olaf Scholz eine harte Linie gegen radikale Islamisten angekündigt. Er sprach ein Machtwort in der ampel-internen Debatte um Abschiebungen von Straftätern aus Afghanistan und Syrien.

Damit durchbricht Scholz den seit 2021 geltenden Grundsatz Deutschlands, niemanden nach Afghanistan abzuschieben.

Scholz: "Solche Straftäter gehören abgeschoben"

"Solche Straftäter gehören abgeschoben - auch wenn sie aus Syrien und Afghanistan stammen", sagte der SPD-Politiker im Bundestag. "Schwerstkriminelle und terroristische Gefährder haben hier nichts verloren."

Weiter betonte Scholz in einer Regierungserklärung: "Wer einen Polizisten tötet, der muss auf das Härteste bestraft werden." Man stehe hinter "unserer Polizei". In solchen Fällen wiege das Sicherheitsinteresse Deutschlands schwerer als das Schutzinteresse des Täters, so Scholz.

Bundesinnenministerium sucht nach "tragfähigen Wegen"

Scholz verwies darauf, dass das Bundesinnenministerium nach "rechtlich und praktisch tragfähigen Wegen" suche, wie man die Abschiebung von Straftätern und Gefährdern nach Afghanistan ermöglichen könne. Das Ministerium sei auch mit Nachbarländern Afghanistans im Gespräch. In der Ampel-Regierung fordern SPD- und FDP-Politiker Abschiebungen auch nach Afghanistan, die Grünen sehen dies skeptisch.

"Jede und jeder muss in unserem Land ohne Furcht vor seinen Mitmenschen leben können", betonte Scholz. "Das ist das zentrale Versprechen unseres Rechtsstaats. Und dieses Versprechen setzen wir mit aller Macht durch."

Die Regierung werde das Strafrecht gezielt schärfen. Auch wer Politiker oder Politikerinnen etwa auf kommunaler Ebene bedrohe oder beleidige, müsse ebenfalls härter bestraft werden.

Man werde auch nicht länger dulden, wenn terroristische Straftaten verherrlicht und gefeiert werden. "Deshalb werden wir unsere Ausweisungsregelungen so verschärfen, dass aus der Bildung terroristischer Straftaten ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse folgt", sagte der Kanzler. "Wer Terrorismus verherrlicht, wendet sich gegen alle unsere Werte und gehört auch abgeschoben."

FDP unterstützt Abschiebepläne

Die FDP unterstützt die Abschiebepläne. "Die Abschiebung islamistischer Straftäter nach Afghanistan und Syrien muss ermöglicht werden", sagte Fraktionschef Christian Dürr. "Wer hier bei uns islamistisch motivierte Straftaten begeht, von Volksverhetzung und Judenhass bis hin zu schweren Gewalt- und Tötungsdelikten, bedarf offenkundig keines Schutzes vor islamistischen Regimen."

Grüne sehen Abschiebepläne kritisch

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann zeigte sich dagegen in einem Interview gegenüber der Forderung nach Abschiebungen skeptisch. "Jeder, der das formuliert, muss sagen, wie es gehen soll", sagte sie im Deutschlandfunk. Der Grundsatz sei zwar klar: "Menschen, die schwere Straftaten begangen haben, müssen nach Verbüßung dieser Strafe auch abgeschoben werden." Haßelmann stellte aber infrage, ob mit den Taliban über ein Abschiebeabkommen verhandelt werden sollte. 

Den Vorschlag, Straftäter oder Gefährder stattdessen in Nachbarländer Afghanistans abzuschieben, also etwa nach Pakistan oder Turkmenistan, sieht die Grünen-Politikerin ebenfalls skeptisch. "Für welches Drittland soll es attraktiv sein, Terroristen oder schwere Straftäter aufzunehmen?", fragte Haßelmann. Sie forderte stattdessen weitere Maßnahmen zur Bekämpfung des Islamismus, wie eine Schließung des umstrittenen Islamischen Zentrums Hamburg, eine Verschärfung des Waffenrechts und die Stärkung der Sicherheitsbehörden.

Auch Grünen-Parteichef Omid Nouripour betonte: "Das ist nicht so einfach, nach Afghanistan abzuschieben." Er warnte zudem vor Verhandlungen mit den Taliban.

Unions-Politiker stellen Forderungen auf

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt warf Bundeskanzler Scholz vor, die angekündigten Abschiebungen mit den Grünen nicht durchsetzen zu können. Dobrindt verlangte von der Regierung einen "Aktionsplan politischer Islam mit klaren Inhalten".

CDU-Chef Friedrich Merz forderte ein schärferes Vorgehen gegen islamistische Gewalt. "Das war kein Unfall, das war ein Terroranschlag, ein heimtückischer Mord", sagte Merz. Angesichts aktueller Herausforderungen zeigte er sich auch zu einem parteiübergreifenden Vorgehen in Sicherheitsfragen bereit.

Menschenrechtler halten Abschiebungen für völkerrechtswidrig

Amnesty International betonte auf X (ehemals Twitter), die öffentliche Sicherheit in Deutschland sei durch Strafrecht und präventive polizeiliche Befugnisse gut geschützt. Abschiebungen und Syrien und Afghanistan seien dagegen völkerrechtswidrig, so die Menschenrechtsorganisation.

Warum Deutschland seit 2021 niemanden mehr nach Afghanistan abgeschoben hat

Seit der Machtübernahme durch die radikal-islamistischen Taliban in Kabul im August 2021 schickt Deutschland niemanden mehr nach Afghanistan zurück. Schon in der Zeit davor hatte man sich wegen der damals schon schwierigen Sicherheitslage darauf verständigt, nur Männer - und vor allem Straftäter und sogenannte Terror-Gefährder - unter Zwang nach Kabul zu bringen. 

Hintergrund: Der tödliche Angriff in Mannheim

Ein Afghane hatte am vergangenen Freitag in Mannheim fünf Teilnehmer einer Kundgebung der islamkritischen Bewegung Pax Europa sowie einen Polizisten mit einem Messer verletzt. Der Beamte erlag später seinen Verletzungen. Der Angriff hat eine Debatte über eine Lockerung des Abschiebeverbots nach Afghanistan ausgelöst.

Mit Informationen von AFP, dpa und Reuters

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