20 Verhandlungstage lang saß Ex-US-Präsident Donald Trump auf der Anklagebank des New Yorker Strafgerichts, eingerahmt von seinen Anwälten. Oftmals blickte er grimmig in die Kameras, die zu Verhandlungsbeginn stets in den Saal gelassen wurden.
Die Gerichtspausen nutzte Trump in der Regel für kurze Monologe vor der Presse: Das ganze Verfahren sei eine einzige Hexenjagd und politisch motiviert, um seiner erneuten Präsidentschaftskandidatur zu schaden. Das System sei korrupt und völlig parteiisch.
Vorwurf: Trump soll Geschäftsunterlagen gefälscht haben
Gleich zu Beginn des Strafprozesses antwortete Donald Trump mit "nicht schuldig" auf die obligatorische erste Frage von Richter Juan Merchan, ob er sich im Sinne der Anklage für schuldig oder nicht schuldig befinde. Trump ist in 34 Anklagepunkte angeklagt. Er habe, so die Staatsanwaltschaft, angeblich seine Geschäftsunterlagen gefälscht. Trumps Absicht: Er habe sich 2016 mithilfe seines damaligen Anwalts Michael Cohen mit der Summe von 130.000 Dollar das Schweigen der Ex-Pornodarstellerin Stormy Daniels über eine mutmaßliche Affäre erkauft.
Nach der Anhörung von 22 Zeugen, dem Verlesen von internen Mails zwischen Trump und Cohen und Tonaufnahmen, denen zufolge Trump direkt die Schweigegeldzahlung angeordnet habe, haben heute ab 15.30 Uhr deutscher Zeit Staatsanwaltschaft und Trump-Verteidiger mit ihren Schlussplädoyers das letzte Wort.
Wie werden Trumps Anwälte plädieren?
Entscheidend für die Anwälte des Ex-US-Präsidenten wird sein, ob es ihnen gelingt, die zwölf Geschworenen davon zu überzeugen, dass der Hauptbelastungszeuge der Anklage, Michael Cohen, ein notorischer Lügner und daher unglaubwürdig sei.
Unbestritten ist von beiden Seiten die Tatsache, dass Trumps damaliger "Fixer" Cohen in den letzten Tagen vor den US-Wahlen 2016 die Summe von 130.000 Dollar an die frühere Pornodarstellerin Stormy Daniels gezahlt hat. Damit sollte das Schweigen Daniels gesichert werden, die sich mit ihrer Story über eine Affäre mit Trump aus dem Jahr 2006 an das Klatschblatt "National Enquirer" gewandt hatte.
Bestritten wird allerdings von Trumps Anwälten, dass Trump anschließend seinem damaligen "Fixer" das Schweigegeld von 130.000 Dollar zurückerstattet habe. Es habe sich vielmehr um Honorarzahlungen Trumps an Cohen für dessen anwaltschaftliche Tätigkeiten gehandelt. Zudem werden die Rechtsanwälte in ihren Schlussplädoyers darauf bestehen, dass Trump stets erklärt habe, dass er die Ex-Pornodarstellerin nicht gekannt und daher auch keine Affäre mit ihr gehabt habe.
Michael Cohen, der bis zu seiner Verurteilung wegen Steuerbetrugs und Falschaussage 2018 über zehn Jahre zum engsten Umfeld Trumps zählte, sei ein abgehalfterter Ex-Mitarbeiter, der von einer Verurteilung seines früheren Chefs profitieren würde.
Wie plädiert die Staatsanwaltschaft?
Die Staatsanwaltschaft dürfte ihr Schlussplädoyer dazu nutzen, um in aller Ausführlichkeit die Beweise zu erläutern, die aus ihrer Sicht eine Verurteilung des Ex-Präsidenten zwingend erforderlich machen würden: Die Zeugenaussagen von Stormy Daniels, die bei ihrer Aussage sehr ins Detail ihrer nächtlichen Begegnung mit Trump im Jahr 2006 eingegangen war, sowie vom Ex-Herausgeber des "National Enquirer" und von Michael Cohen würden die Anklage in allen Punkten belegen.
Es bestünde kein Zweifel, dass es Donald Trump gewesen sei, der seinen damaligen Anwalt Cohen beauftragt habe, mit 130.000 Dollar die politisch brandgefährliche Story der Ex-Pornodarstellerin unmittelbar vor dem Wahltermin im November 2016 aus der Welt zu schaffen. Danach habe Trump Cohen das Geld zurückerstattet. Dazu hätte Trump seine Geschäftsunterlagen manipuliert, um die heikle Transaktion zu verheimlichen.
Wann wird ein Urteil gefällt?
Voraussichtlich ab Mittwoch werden sich die zwölf Geschworenen zu ihren Beratungen zurückziehen, nachdem sie von Richter Merchan über ihre Rechte und Pflichten nochmals informiert worden sind. Da die Geschworenen einstimmig über Schuld oder Unschuld des Ex-Präsidenten entscheiden müssen, lässt sich kaum vorhersagen, wie lange diese Beratungen andauern werden. Die Zeitspanne könnte von einigen Stunden bis einigen Tagen reichen.
Sollten sich die Geschworenen abschließend nicht auf einen Urteilsspruch verständigen können, gilt der Prozess als gescheitert. Im US-Recht spricht man dann von einer "hung jury". Es müsste ein neues Verfahren eröffnet werden. Sollten die Geschworenen einstimmig zu dem Ergebnis kommen, dass Trump schuldig im Sinne der Anklage sei, obliegt es Richter Merchan, das Strafmaß zu bestimmen.
Bei einer Verurteilung würden dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten zwischen anderthalb und vier Jahren Haft drohen, die auch zur Bewährung ausgesetzt werden könnte. Trump hat in all seinen vier bisherigen Gerichtsverfahren zu erkennen gegeben, dass er stets gegen einen Urteilsspruch in Berufung gehen wird. Die Intention: Mit juristischen Mitteln zu erreichen, dass es vor dem Wahltermin am 5. November 2024 zu keiner rechtskräftigen Verurteilung kommen kann.
Welchen Einfluss hat das Urteil auf den Wahlkampf?
Donald Trump habe während des Prozesses von seinem Wahlkampfteam verlangt, täglich vertrauliche Meinungsumfragen durchzuführen, um festzustellen, ob und wie sehr ihm das Strafverfahren schadet. Dies berichtet die "New York Times" unter Berufung auf Trump-Vertraute. Das Ergebnis: Die Stimmung unter seinen Anhängern sei nicht bedeutsam abgesunken.
Die landesweiten Umfragezahlen im Zeitraum von März bis 27. Mai zeigen, dass Trump mit einem konstant knappen Vorsprung vor US-Präsident Joe Biden liegt. Derzeit könnte Trump mit 41,4 Prozent der Stimmen rechnen, Biden mit 39,9 Prozent. Dies sind landesweite Zahlen. Die Umfrageergebnisse in den einzelnen Bundesstaaten, von denen später die Mehrheit im sogenannten "Electoral College", dem Wahlmänner/-frauen-Gremium abhängt, sind dabei nicht berücksichtigt.
Wie Trump auf Urteil reagieren könnte
Diese Erhebungen werden, seit vielen Jahren und sehr verlässlich, von der US-Seite "FiveThirtyEight" durchgeführt, die alle relevanten demoskopischen Daten erfasst. Biden konnte diesen Angaben zufolge kein einziges Mal den geringen Vorsprung seines republikanischen Herausforderers einholen. Im Falle eines Freispruchs werde Trump, wie die Vergangenheit gezeigt hat, vermutlich rachsüchtig und verärgert reagieren, prognostizieren Trump-Kenner in führenden US-Medien. Er würde auf seiner Plattform "Truth Social" volle Angriffe auf Biden, den Richter, die Staatsanwaltschaft und andere richten.
Sollte er hingegen verurteilt werden, würde Trump diese Attacken noch ausweiten. Im Falle einer Verurteilung könnte sich das Meinungsbild republikanischer Wählerinnen und Wähler verändern. So gaben ein Fünftel der Trump-Anhänger an, sie würden dem Ex-Präsidenten ihre Unterstützung entziehen, falls er ein verurteilter Straftäter wäre. Dies berichtete der US-Fernsender "ABC News" Anfang Mai.
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