Bandera-Grab auf dem Münchner Waldfriedhof
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Schwieriges Erbe - Rechtsradikale Tendenzen in der Ukraine

Schwieriges Erbe - Rechtsradikale Tendenzen in der Ukraine

Russland kämpfe nicht gegen Ukrainer, behauptet Wladimir Putin. Der Krieg gelte allein der Regierung in Kiew, weil sie faschistisch sei, so Putin. Das entspricht nicht der Realität. Putins Argumentation verfängt in Russland dennoch. Warum nur?

Der Begriff Faschismus ist in der Ukraine eng mit der Person Stepan Bandera verknüpft. Ein rechtsnationaler Politiker, dessen Wirken bis heute äußerst umstritten bleibt. Der 1909 im Westen der heutigen Ukraine geborene Bandera verfolgte stets nur ein Ziel: Eine souveräne und ethnisch homogene Ukraine. Um das zu erreichen, scheute Bandera selbst vor politischem Mord und einer engen Kollaboration mit den deutschen Nationalsozialisten nicht zurück. Er wollte um jeden Preis Oberhaupt eines unabhängigen faschistischen Staates werden.

Stalinistischer Terror verstärkt Nationalbewusstsein

Historiker vertreten die Überzeugung, dass unter dem Befehl Banderas stehende Kampftruppen ukrainischer Nationalisten etliche Massaker an Juden, Russen und den polnischen Bewohnern der Westukraine verübt haben. Kriegsverbrechen, die von ukrainischen Nationalisten entweder relativiert oder ganz geleugnet werden. Für sie ist Bandera dennoch in erster Linie ein Freiheitskämpfer und keinesfalls ein Mörder. Dementsprechend werden auch die von Bandera angeführten Schergen der Ukrainischen Aufständischen Armee (UPA) und ihre Gräueltaten glorifiziert.

Wichtig für das Verständnis des Bandera-Kultes sei der im Westen der Ukraine gegen Ende des Zweiten Weltkrieges tobende stalinistische Terror, meint der Historiker und Faschismusexperte Grzegorz Rossolinski-Liebe in seiner Biographie über den Nationalisten. Insbesondere weil die damalige sowjetische Geheimpolizei (NKWD) bei der Bekämpfung ukrainischer Nationalisten äußerst brutal gegen die gesamte westukrainische Zivilbevölkerung vorgegangen sei. Und zwar ungeachtet der politischen Haltung einzelner Bewohner der Region.

Banderas Zufluchtsort München

Nach dem Krieg lebte Stepan Bandera bis zu seiner Ermordung durch den KGB in München. Hier versuchte er, ein neues Zentrum ukrainischer Nationalisten (OUN) aufzubauen, das gegen die Sowjetunion gerichtet war. Dies vereitelte der Moskauer Geheimdienst im Oktober 1959: Er verübte auf Bandera ein tödliches Attentat. Damit avancierte Stepan Bandera für seine Anhänger vom Nationalhelden zum Märtyrer, der für die Ukraine im Kampf gegen die Sowjetunion gefallen war.

Dieser Mythos, so Faschismusforscher Grzegorz Rossolinski-Liebe, wurde in der Westukraine nach dem Zerfall der Sowjetunion sowohl von antisowjetischen Dissidenten als auch von Neofaschisten aufgegriffen. Die Zentral- und Ostukraine dagegen blieben dem Kult gegenüber eher verhalten.

Die bösen Geister von Rechts

Unmittelbar vor dem Sturz des pro-russischen Präsidenten Viktor Janukowitsch im Februar 2014 begannen ukrainische Nationalisten und Bandera-Verehrer nicht nur im Westen des Landes, sondern auch in der Hauptstadt Kiew vorübergehend erneut an Bedeutung zu gewinnen. Wochenlang feierten die rechtsradikalen Parteien "Swoboda" und der "Rechte Sektor" lautstark den Sturz des verhassten prorussischen Regimes in Kiew. Ganz so, als hätten ihre Schlägerverbände im Zuge der Proteste auf dem Maidan ganz alleine den von Moskau unterstützten Präsident Viktor Janukowitsch in die Flucht geschlagen.

Eine Darstellung, die im Westen kaum Alarmglocken schrillen ließ. Und das, obwohl die offen faschistische Parolen verbreitende rechtsradikale "Swoboda"-Partei in der neuen ukrainischen Übergangsregierung nach der Maidan-Revolution bis zu den Parlamentswahlen im Herbst 2014 immerhin vier Minister stellte und zudem den Posten des Generalstaatsanwalts besetzte. Dennoch, meint der Kiewer Politologe Wolodymyr Fesenko gegenüber BR24, dürfte das Engagement rechtsextremer Gruppierungen, wie das von "Swoboda" oder vom "Rechten Sektor" in dieser Zeit nicht überbewertet werden:

"Ihre Rolle war bedeutend, aber nicht entscheidend. Die große Mehrheit der Maidan-Teilnehmer gehörte keiner Partei oder politischen Gruppierung an. Es war eine zivile Massenbewegung. Die politische Führung des Maidan wurde von Vertretern liberaler politischer Kräfte und Organisationen der Zivilgesellschaft dominiert." Wolodymyr Fesenko

"Ukrainer sind keine Nationalisten"

Abgesehen davon, so Wolodymyr Fesenko weiter, habe sich der politische Einfluss der Rechtsradikalen in der Ukraine nach dem Sieg gegen die prorussischen Kräfte in Kiew ganz erheblich verringert. Dies würde bei allen Wahlen klar zum Ausdruck kommen, die seit dem Sturz der prorussischen Machthaber in Kiew durchgeführt worden sind.

"Sowohl bei den Parlamentswahlen 2014 als auch 2019 zog keine rechtsradikale Partei in das ukrainische Parlament ein. Die überwältigende Mehrheit stimmte bislang immer wieder für eine demokratische Erneuerung des Landes." Wolodymyr Fesenko

In der Tat haben die als rechtsextrem geltenden Parteien "Swoboda", "Rechter Sektor" und "Nationales Corps" mittlerweile so gut wie gar keine politische Relevanz in der Ukraine. Seit Jahren scheitern sie bei landesweiten Parlamentswahlen regelmäßig deutlich an der Fünf-Prozent-Hürde. Dies wiederum beweise im Unterschied zu Putins Behauptung ganz klar, dass die meisten Ukrainer keine Nationalisten seien, unterstreicht der Politologe Fesenko.

Nationalistische Tendenzen auf kommunaler Ebene

Also alles unnötige Panikmache? Nicht unbedingt. Dass nationalistische Tendenzen in der Ukraine - wenn auch marginal - weiterhin eine Rolle spielen, wird teilweise auf kommunaler Ebene sichtbar. Hier schaffen Vertreter der rechtsextremen "Swoboda" Partei in einigen Regionen immer wieder den Einzug in lokale Parlamente.

"Vertreter der Swoboda-Partei sind Bürgermeister in einigen Städten in der Westukraine, und ihre Vertreter sind auch Mitglieder einiger lokaler Räte in der West- und Zentralukraine, aber sie haben in keinem lokalen Parlament die Mehrheit." Wolodymyr Fesenko

Ukrainische Rechtsradikale und das Asow-Regiment

Als durchaus problematisch betrachtet wird außerdem die Existenz und gesellschaftliche Akzeptanz paramilitärischer Gruppierungen, wie etwa des sogenannten Asow-Bataillons. Gegründet wurde das Regiment im Sommer 2014 nach der Maidan-Revolution als Freiwilligen-Verband, um gegen die Separatisten im Donbass zu kämpfen. Während Russland die Paramilitärische Gruppierung als "faschistisch" brandmarkt, werden die Mitglieder des Regiments seit Beginn der russischen Invasion im Osten des Landes vor nunmehr rund acht Jahren von vielen – insbesondere jungen Ukrainern - als Nationalhelden gefeiert.

Aufgrund von früheren oder auch bestehenden Verbindungen zu rechtsextremen Gruppen im Ausland und der Verwendung von nationalsozialistischer Symbolik sorgte die Truppe in der Vergangenheit international immer wieder für Kritik. Die in Moskau wiederum regelmäßig den Vorwurf des ukrainischen Faschismus nährt. Die Regierung in Kiew unterstreicht aber, dass nach der Eingliederung des Asow-Regiments in die Nationalgarde des Innenministeriums eine Entpolitisierung der Truppe vorgenommen wurde. Wie erfolgreich die Maßnahme tatsächlich war, lässt sich zwar kaum überprüfen. Fest stehe aber, dass der ideologische Arm des Regiments ähnlich wie andere rechtsradikale Gruppierungen in der Ukraine politisch so gut wie keine Rolle spielen. Versichert der Kiewer Politologe Fesenko.

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