Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, gestikuliert bei seiner Rede am 17.10.2024 auf dem Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs.
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Selenskyjs "Siegesplan": Verhaltene Reaktionen beim EU-Gipfel

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Selenskyjs "Siegesplan": Verhaltene Reaktionen beim EU-Gipfel

Selenskyjs "Siegesplan": Verhaltene Reaktionen beim EU-Gipfel

Der ukrainische Staatschef Selenskyj fordert in Brüssel eine schnelle Einladung zum Nato-Beitritt und das Ja des Westens zu Angriffen im russischen Hinterland. Deutschland und andere bremsen.

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Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj war bei jedem EU-Gipfel seit Beginn des russischen Angriffskrieges dabei – entweder in Person oder über Video zugeschaltet. Selenskyj hat die EU-Verbündeten um mehr Waffenhilfe und finanzielle Unterstützung gebeten und er hat sie daran erinnert, dass auf den ukrainischen Schlachtfeldern auch Europas Freiheit verteidigt werde.

Überschaubar: Unterstützung der EU für Selenskyjs "Siegesplan"

Beim heutigen EU-Treffen hat Selenskyj seinen Hilfsappell damit begründet, dass seinem Land ein gefährlicher Winter bevorstehe. Der ukrainische Präsident legte den Verbündeten einen Forderungskatalog vor, um mit ihrer Hilfe einen "Frieden durch Drohungen" zu erreichen.

Die Reaktion der 27 EU-Staats- und Regierungschefs und –chefinnen fällt zwiespältig aus: Selenskyj kann zwar allgemeine Solidaritätsbekundungen und eine konkrete Zusage über ein EU-Sonderdarlehen mit nach Kiew nehmen. Die Unterstützung der EU-Regierungen für seinen "Siegesplan" ist aber überschaubar.

Schnelle Einladung in die Nato? Eher nicht …

Selenskyyj selbst bleibt auf die Frage, wie viel Zustimmung er erfahren habe, vage: Es habe ein offenes Gespräch und positive Signale gegeben. Bundeskanzler Olaf Scholz reagierte zum Auftakt des Gipfels zurückhaltend.

Selenskyj fordert in seinem Plan unter anderem eine schnelle und bedingungslose Einladung ins Militärbündnis Nato. Das lehnen die USA und Deutschland ab. Die Aufnahme eines Landes im Kriegszustand in die Allianz ist bisher unvorstellbar. Auch der neue Nato-Generalsekretär Mark Rutte ist vorsichtig. Rutte erklärte, er könne derzeit nicht sagen, dass er den gesamten Plan unterstütze. Es gebe viele Punkte, die man besser verstehen müsse.

Beim jüngsten Nato-Gipfel in Washington gaben die Bündnisstaaten nur die allgemeine Zusicherung, dass die Ukraine auf ihrem Weg in das Verteidigungsbündnis nicht mehr aufzuhalten sei. Zugleich betonte die Allianz in der Gipfelerklärung, dass eine formelle Beitrittseinladung erst ausgesprochen werden könne, wenn alle 32 Mitgliedsstaaten zustimmen und die Aufnahmebedingungen erfüllt sind.

Angriffe im russischen Hinterland

In seinem "Siegesplan" bittet Kiew außerdem um die Genehmigung, vom Westen gelieferte Langstreckenraketen für Angriffe auf Ziele tief auf russischem Territorium zu nutzen. Bislang erlauben die USA, Frankreich, Großbritannien und Deutschland nur stark begrenzte Angriffe auf russisches Hoheitsgebiet zur Abwehr von Moskaus Offensive im Raum Charkiw. Die Ukraine will aber darüber hinaus russische Flugplätze weit hinter der Grenze attackieren, von denen Kampfflugzeuge ihre Gleitbombenangriffe starten.

Scholz erklärte in Brüssel, dass sich an Deutschlands Haltung nichts ändern werde. Die Bundesregierung lehnt die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern ab, aus Sorge, dass die auch Ziele in Moskau erreichen könnten. Die US-Regierung hält ebenfalls an Einsatzbeschränkungen fest – offenbar weil sie russische Vergeltungsmaßnahmen befürchtet und am militärischen Nutzen für die Ukraine zweifelt.

Milliardenkredit trotz ungarischer Blockade

Als "wichtiges Signal" wertete Bundeskanzler Scholz eine weitere Kreditzusage an die Ukraine: Die EU stellt 35 Milliarden Euro bereit, die nach Selenskyjs Worten dringend für die Waffenproduktion gebraucht werden. Das Sonderdarlehen ist der europäische Beitrag zum Hilfspaket der wirtschaftsstarken Demokratien, G7, das insgesamt 45 Milliarden Euro umfasst.

Der Kredit soll mit Zinserträgen aus eingefrorenem Vermögen der russischen Zentralbank zurückgezahlt werden. Allerdings sperrt sich Ungarn gegen eine Lösung, die eine längerfristige und sichere Nutzung der Zinsgewinne gewährleisten würde und blockiert so eine Beteiligung der USA.

Denn Washington will sicherstellen, dass die für die Rückzahlung der Darlehen vorgesehenen russischen Gelder auch wirklich eingefroren bleiben und fordert die EU auf, die Russland-Sanktionen nicht mehr alle sechs Monate zu verlängern, sondern alle drei Jahre. Das scheitert bisher am Veto Ungarns. Ministerpräsident Viktor Orbán will sich erst nach der US-Präsidentschaftswahl in drei Wochen festlegen. Falls der Orbán-Freund Donald Trump die Wahl gewinnt, könnte er die Ukrainehilfe drastisch zusammenstreichen. Aufhalten kann Orbán die EU-Hilfe nicht: Scholz betonte in Brüssel, die EU könne ihren zugesagten Beitrag auf alle Fälle gewährleisten.

Im Video: Selenskyj stellt "Siegesplan" im Parlament vor

Selenskyj stellt "Siegesplan" im Parlament vor
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Selenskyj stellt "Siegesplan" im Parlament vor

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