Zum ersten Mal seit 2019 trifft sich die SPD wieder mit mehr als 600 Delegierten in Präsenz. Die Genossen wollen auf ihrem Parteitag ihr Profil schärfen- doch das geht nicht ohne Investitionen.
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Archivbild: SPD Logo auf einem Parteitag in Berlin.

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SPD-Parteitag: Besinnen auf schärfere Konturen

In Umfragen befindet sich die SPD im freien Fall. Die Beliebtheitswerte von Scholz als Kanzler sind schlecht wie nie. Die Genossen wollen auf ihrem Parteitag ihr Profil schärfen. Das geht nicht ohne Investitionen. Doch: Wo soll das Geld herkommen?

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Mit einem positiven Gefühl fährt die neue Co-Vorsitzende der bayerischen SPD-Abgeordneten im Bundestag, Carolin Wagner, zum Parteitag nach Berlin. Zuversicht in schweren Zeiten. Zwei Jahre nach dem Start der Ampel-Regierung werden die Sozialdemokraten zwischen den Koalitionspartnern zerrieben. Sie verlieren immer mehr an Kontur. Nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil zum Klima- und Transformationsfonds ringen SPD, Grüne und FDP nach wie vor um den Haushalt für 2024. Im Mittelpunkt steht dabei vor allem die eigene Parteiklientel. Als Kanzler hat Olaf Scholz wenig Spielräume, ausschließlich SPD-Positionen durchzusetzen.

Hoher Investitionsbedarf

"Wir müssen jetzt investieren", sagt Carolin Wagner. "Nach 16 Jahren Merkel-Regierung steht Deutschland an einem Scheideweg." Dazu braucht die SPD ein Programm. Im Leitantrag "Zusammen für ein starkes Deutschland" heißt es unter anderem: "Die klimaneutrale Wirtschaft kann zum Wohlstandsmotor werden". Die SPD will dies durch schnellere, verkürzte Planungsverfahren und eine vollständig digitalisierte Verwaltung erreichen. Eine Million neue Jobs verspricht sich die Partei davon.

Nächster Punkt: "Investitionen in Infrastruktur, Bildung, Digitalisierung und Umbau der Wirtschaft". 100 Milliarden Euro müssen in diesem Jahrzehnt dafür noch investiert werden, fordert die SPD, finanziert werden soll das unter anderem durch einen Deutschlandfonds. Staatliche und private Geldgeber sollen hier einzahlen.

Hohe Erbschaften besteuern

Die große Frage: Wie soll der von Scholz und seiner sogenannten Fortschrittskoalition gewünschte Umbau Deutschlands bezahlt werden? Die Antwort: "Hohe Einkommen und große Vermögen stärker besteuern", so Carolin Wagner. Damit steht sie voll hinter dem Leitantrag ihrer Partei. Erbschaften von Multimillionären und Milliardären sollen stärker zur Finanzierung des Gemeinwohls herangezogen werden. Profitieren soll vor allem das Bildungswesen. Gerade nach dem jüngsten PISA-Schock dürfte das auf dem Parteitag großen Anklang finden.

Führung von Scholz gefordert

Die Regensburgerin Wagner hat aber neben aller Unterstützung eine zentrale Forderung an den Kanzler. "Scholz muss deutlich machen, dass die aktuelle Haushaltslage nicht durch Einsparungen im sozialen Bereich zu lösen ist." Das ist Konsens in der SPD. Von Scholz erwarten die Genossen dennoch mehr Positionierung. Auch auf dem Parteitag. Seine Rede am Samstag wird mit Spannung erwartet. Zuversichts- und Respektsfloskeln werden nicht helfen. "Wo bleibt der Wille der Partei?", fragt sich der Münchner Bundestagsabgeordnete Sebastian Roloff. "Die SPD und die Wählerschaft erwarten mehr als nur das Moderieren der Ampel. Wir wurden für sozialdemokratische Inhalte gewählt."

Schärfere Kritik am Kanzler kommt von den Jusos. Der neue Vorsitzende Philipp Türmer hatte Scholz aufgefordert, seinen Kurs zu ändern, vor allem bei der Schuldenbremse, aber auch in der Migrationspolitik. Die Forderungen des Kanzlers nach Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber "in großem Stil" hatte Unmut in den eigenen Reihen ausgelöst. Mit einem Kompromissantrag zum Streitthema Migration will die SPD-Spitze den Ärger abfedern.

Führungs-Team unumstritten

Zum ersten Mal seit 2019 trifft sich die SPD wieder mit mehr als 600 Delegierten in Präsenz. Die beiden Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil und auch Generalsekretär Kevin Kühnert werden sich erneut zur Wahl stellen. Die Wiederwahlen gelten als sicher, könnten im Abstimmungsergebnis dennoch zeigen, wie unzufrieden die Partei mit dem Handeln oder Nicht-Handeln der Parteispitze in der Ampel-Klemme wirklich ist. Ob Carolin Wagner mit einem guten Gefühl auch wieder abreisen wird, bleibt bis Sonntag offen.

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