Um Lockerungen für Menschen, die vollständig gegen das Coronavirus geimpft sind, wird in Deutschland weiter gerungen. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht kündigte an, sie werde schnellstmöglich eine Verordnung zu Erleichterungen für Geimpfte auf den Weg bringen.
Es sei wichtig, nun möglichst schnell ein Signal an alle Geimpften zu senden, sagte die SPD-Politikerin im ARD-"Morgenmagazin". "Wir müssen aufzeigen, dass rechtsstaatliche Grundsätze in Normalzeiten gelten, aber auch in Pandemiezeiten", argumentierte die Justizministerin. Wenn von Menschen keine Infektionsgefahr mehr ausgehe, falle auch die Begründung für die Einschränkung von Grundrechten weg. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung" zu solchen Erleichterungen: "Das muss zügig kommen."
Bundesregierung und Länder hatten sich am Montag beim Impfgipfel grundsätzlich darauf verständigt, Erleichterungen für vollständig gegen das Coronavirus Geimpfte sowie für Genesene auf den Weg zu bringen. Details blieben aber noch offen. Vorgesehen ist offensichtlich, Geimpfte weitgehend mit negativ getesteten Menschen gleichzustellen. Bislang verfügen rund 7,5 Prozent der Bevölkerung in Deutschland über einen vollständigen Impfschutz, knapp jeder Vierte über eine Erstimpfung.
Erleichterungen für vollständig Geimpfte in Bayern
Bundesländer wie etwa Hessen und Bayern haben bereits ihre Verordnungen für Geimpfte angepasst. In Bayern gilt seit heute: Vollständig geimpfte Menschen (ab 14 Tage nach der Zweitimpfung) werden den negativ Getesteten gleichgestellt. Das heißt in der Praxis:
- Sie benötigen in Kommunen mit einer Inzidenz über 100 keinen negativen Corona-Test mehr - zum Beispiel im Einzelhandel mit Terminshopping (Click & Meet), in Zoos und botanischen Gärten, beim Friseur oder Fußpfleger.
- Sie sind von der Quarantänepflicht nach der Einreise aus einem Risikogebiet befreit, wenn sie keine coronatypischen Symptome zeigen und sich nicht in einem Virusvarianten-Gebiet aufgehalten haben (Anmelde-, Test- und Nachweispflichten gelten aber weiter).
- Sie müssen sich als enge Kontaktpersonen zu einem Corona-Fall nicht mehr in Quarantäne begeben.
Als Nachweis reicht der gelbe Impfpass oder eine Bestätigung des Arztes oder Impfzentrums.
Weitere Erleichterungen noch offen
"Bei der Frage, ob es für vollständig Geimpfte eine Lockerung der Kontaktbeschränkung und der Ausgangssperre geben wird, wartet Bayern auf den Vorschlag des Bundes", sagte ein Sprecher des bayerischen Gesundheitsministeriums dem BR. Das Kabinett in Berlin will nächste Woche zudem entscheiden, ob ein vollständig Geimpfter sich bei der Einreise aus einem Risikogebiet künftig nicht mehr auf Corona testen lassen muss.
- Zum Artikel: Darum entfällt für Geimpfte die Corona-Testpflicht
Laschet: Gemeinsam vorgehen
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet sprach sich für ein gemeinsames Vorgehen von Bund und Ländern aus. Es sei richtig, abgestimmt vorzugehen, sagte der CDU-Chef in Düsseldorf. Insgesamt müsse aber alles getan werden, um Grundrechtseingriffe für alle Menschen so schnell wie möglich zurückzunehmen.
Auch der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, kritisierte das eigenmächtige Vorgehen einzelner Länder wie Bayern. Dies sei "für die Akzeptanz in der Bevölkerung gefährlich", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Er forderte die Bundesregierung zu einer zeitnahen Regelung auf. Sachsen-Anhalts-Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) forderte, "am besten noch in dieser Woche" solle eine Verordnung für mehr Rechte für Geimpfte vorgelegt werden. Bereits am 7. Mai könne der Bundesrat die Neuregelung beschließen. Bisher war der 28. Mai als Termin anvisiert worden.
Dreyer bittet um Rücksicht für Ungeimpfte
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer mahnte indes, ihr sei wichtig, dass weiterhin "auch Rücksicht auf die Menschen genommen wird, die derzeit noch keine Impfung haben können". Dies gelte vor allem für junge Menschen und Familien, "die seit über einem Jahr in großer Disziplin und Solidarität die Schutzmaßnahmen eingehalten haben, um vor allem andere zu schützen", sagte die Ministerpräsidentin der Funke Mediengruppe. Eine Gleichstellung von Geimpften mit Getesteten, etwa beim Friseurbesuch, halte aber auch sie für sinnvoll.
"Nur die Gleichsetzung mit negativ Getesteten reicht nicht", sagte dagegen FDP-Chef Christian Lindner den Sendern RTL und n-tv. Zum Beispiel solle es auch möglich sein, "dass Großeltern, die geimpft sind, zur Familie ihrer Kinder kommen können, ohne bei der Kontaktbeschränkung dazugezählt zu werden", verlangte Lindner. Auch sollten Geimpfte von Ausgangssperren ausgenommen werden.
Zustimmung aus Kirche und Ärzteschaft
Auf Lockerungen vor allem für geimpfte ältere Menschen drängte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm. "Es ist schlichtweg nicht einsehbar, wenn etwa in Seniorenheimen mit einer hohen Impfquote weiter strenge Beschränkungen gelten", sagte er der "Welt".
Der Tübinger Theologe widersprach dem Argument, Lockerungen für Geimpfte seien unsolidarisch. Wenn diese nachweislich keine Gefahr mehr für andere darstellten, sei die Rückgewähr der Freiheiten "selbstverständlich rechtlich notwendig und auch ethisch geboten". Das Gefühl, dass es anderen nicht besser gehen dürfe, sei kein Sachgrund. Das betrachte er als "Impfneid".
Auch der Präsident des Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, forderte, Geimpften ihnen zustehende Freiheiten wieder zurückzugeben. Er kritisierte in der "Passauer Neuen Presse" das Fehlen einer klaren Linie von Seiten der Politik. Dies gelte auch für die Impf-Priorisierung, wo Ärzte mehr Ermessensspielräume erhalten sollten.
Bund berät über Erleichterungen für Genesene
Nächste Woche sind im Berliner Kabinett auch die von Covid-19-Genesenen ein Thema. Hier zeichnet sich ab, dass als Nachweis der damalige positive PCR-Test vorgelegt werden muss, sowie (sechs Monate nach der Erkrankung) eine einmalige Impfung als Auffrischung der Corona-Abwehr. Die Genesenen dürften dann den Geimpften und Getesteten gleichgestellt werden. Über die entsprechenden Gesetzesänderungen dürfte dann Ende Mai noch der Bundesrat entscheiden.
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