- Zum aktuellen Artikel "Teil-Impfpflicht: Scholz verweist Söder auf Recht und Gesetz"
Der Streit um die einrichtungsbezogene Impfpflicht für das Personal von Krankenhäusern und Pflegeheimen spitzt sich zu. Die Pflegebeauftragte der Bundesregierung mahnte eine bessere Abstimmung zwischen Bund und Ländern an. "Es darf nicht wieder ein solches Desaster passieren, dass eines der Bundesländer ausschert", sagte Claudia Moll (SPD) den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Sie erwarte mehr Verlässlichkeit von den Ländern.
"Die Länder haben die einrichtungsbezogene Impfpflicht gemeinsam im Bundesrat beschlossen, Bayern auch." Es sei klar, so Moll weiter, dass die Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht nicht einfach werde. Ihr persönlich wäre es lieber gewesen, von vornherein eine allgemeine Impfpflicht einzuführen. "Aber es ist anders gekommen. Damit muss man in einer Demokratie umgehen."
"Parteipolitik auf dem Rücken der Schwächsten"
In der "Welt" kritisierten Staatsrechtler das Vorgehen Bayerns bei der Teil-Impfpflicht. Nach der Ankündigung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU), "großzügigste Übergangsregelungen" zu schaffen, die "de facto zunächst einmal auf ein Aussetzen des Vollzugs" hinauslaufen würden, sagte Staatsrechtler Joachim Wieland: "Ein solches Handeln wäre verfassungswidrig. Würden die Länder Bundesgesetze je nach ihrer politischen Einschätzung nicht umsetzen, hätten wir praktisch keinen Rechtsstaat mehr."
SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese bekräftigte im Interview mit Bayern 2: "Das ist im Infektionsschutzgesetz auf Bundesebene eindeutig geregelt, dass im Gesundheitsbereich Beschäftigte ab dem 15. März geimpft sein müssen." Auch der bayerische Ministerpräsident habe "sich an Recht und Gesetz zu halten". Söder mache Parteipolitik "auf dem Rücken der Schwächsten", nämlich jenen, die in den Einrichtungen versorgt werden, sagte Wiese.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte nach Angaben eines Regierungssprechers: "Wir gehen davon aus, dass Gesetze eingehalten werden." Die Länder hätten den Bund explizit gebeten, diese Impfpflicht als zusätzlichen Schutz für gefährdete Gruppen einzuführen. Für die Umsetzung seien die Länder zuständig.
Lauterbach hofft auf Einlenken Bayerns
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hofft noch auf ein Einlenken des Freistaats. "Wir können das Land Bayern kaum zwingen, sich an die Absprachen zu halten", sagte Lauterbach im ZDF. Er hoffe, dass dies auch nicht notwendig werde und Ministerpräsident Söder noch einlenke. Der Nachrichtenagentur AFP sagte Lauterbach, Söders Schritt gebe "das vollkommen falsche Signal, dass die Proteste der Impfgegner und Querdenker bedeutsamer sind als der Schutz der älteren Menschen". Der Rückzieher habe ihn "bestürzt".
Söder hatte am Montag überraschend angekündigt, die ab Mitte März greifende Impfpflicht in Pflegeheimen und Gesundheitseinrichtungen vorerst nicht anzuwenden. Zur Begründung verwies Söder auf die personelle Situation in den Heimen. Es wird befürchtet, dass es dort zu Engpässen kommen könnte, wenn ungeimpfte Pflegekräfte nicht mehr an ihren Arbeitsplatz dürfen.
Nach der Sitzung des Kabinetts am Dienstag verteidigte Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) den Alleingang Bayerns: "Der Bund hat eine Regelung geschaffen, die, wenn man sie laufen ließe, ins Chaos führen würde." Eine direkte Umsetzung der Pläne des Bundes für die einrichtungsbezogene Impfpflicht zum 15. März in Pflege und Gesundheitswesen sei nicht möglich.
- Aktuelle Zahlen zur Corona-Impfung in Bayern und Deutschland
Aussetzen der Impfpflicht: Hans unterstützt Söder
Unterstützung für den bayerischen Vorstoß kommt von Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans (CDU): Er plädiert dafür, die einrichtungsbezogene Corona-Impfpflicht bundesweit auszusetzen. In den ARD-"Tagesthemen" warnte Hans vor großen Unterschieden bei der Umsetzung in den einzelnen Bundesländern, die teils großzügige Übergangsfristen planten.
Das könne zu einem "unverantwortlichen Verschiebebahnhof" ungeimpfter Pflegekräfte führen, die dann möglicherweise in anderen Ländern arbeiten würden. "Damit ist den zu schützenden Personen nicht geholfen", sagte der CDU-Politiker. Hans sieht die Bundesregierung in der Pflicht, Klarheit zu schaffen.
Auch CDU-Chef Friedrich Merz hatte bereits ein Aussetzen der Teil-Impfpflicht gefordert, am Mittwoch bekräftigte er die ablehnende Haltung seiner Partei. Zwar sei man der Überzeugung, dass die Impfpflicht in den Einrichtungen notwendig sei, sagte Merz. Man sehe nun aber, dass in der praktischen Durchführung viele Probleme entstünden und beispielsweise Fragen zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen offen seien. "Die Bundesregierung lässt die Einrichtungen, lässt die Betroffenen, mit den Folgen dieser Impfpflicht völlig allein."
Patientenschützer für neues Gesetz
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz fordert ein neues Gesetz. "Es ist kein Widerspruch, Impfbefürworter zu sein und die einrichtungsbezogene Impfpflicht abzulehnen", sagte Stiftungs-Vorstand Eugen Brysch der "Rheinischen Post". Der Ausfall von Zehntausenden Pflegekräften, die administrativen Probleme vor Ort und die Hürden des Arbeitsrechts seien vorhersehbar gewesen.
Den Vollzug des Gesetzes auszusetzen, sei jedoch keine Lösung. Dies schaffe Raum für Willkür, zerstöre das Vertrauen in staatliche Regelungen und beschädige die Verfassung, so Brysch. "Rechtssicherheit wird nur ein neues Gesetz bringen. Sonst ist ein Flickenteppich von unterschiedlichen Regelungen nicht zu verhindern", betonte er.
Behindertenbeauftragter erinnert an Impfungen
Ärztekammerpräsident Klaus Reinhardt setzt darauf, Impfunwillige in der Pflege zu überzeugen. "Auf jeden Fall wäre es falsch, Impfunwilligen sofort mit Kündigung zu drohen", sagte er der "Passauer Neuen Presse". Ungeimpfte Menschen in diesem Sektor sollten in einer Übergangsphase dazu bewegt werden, sich doch noch freiwillig impfen zu lassen.
Reinhardt betonte, er halte es weiterhin "für gut, richtig und selbstverständlich, dass Menschen, die in der Pflege, in der Altenbetreuung und in ähnlichen Bereichen arbeiten, geimpft sind". Doch "genauso richtig" sei auch, "dass wir uns keine größere Personalabwanderung aus der Pflege leisten können".
Der Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung, Holger Kiesel, äußerte sich derweil besorgt, weil die Omikron-Variante für viele Menschen mit Behinderung eine besondere Gefahr darstelle. Er rief in einer Mitteilung daher alle Menschen in Bayern auf, sich impfen zu lassen. Nach zwei Jahren Pandemie beobachte er zunehmend Ermüdungserscheinungen, was das Impftempo, aber auch die Bereitschaft mitzumachen angehe.
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