Christian Lindner (FDP), Bundesminister der Finanzen, und Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, nehmen an der Sitzung des Bundeskabinetts im Bundeskanzleramt teil.
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Der Finanzminister und die Familienministerin streiten seit Monaten über das jährliche Budget für die Kindergrundsicherung.

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Streit um Kindergrundsicherung: Entwurf laut Paus fertig

Finanzminister Lindner und die Familienministerin Paus streiten seit Monaten über das jährliche Budget für die Kindergrundsicherung. Am Mittwoch blockierte Paus ein Gesetz Lindners. Nun hat sie sich zum ersten Mal ausführlich geäußert.

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Kaum war die Sommerpause vorbei, ging der Koalitions-Streit weiter. Am Mittwoch hatte Bundesfamilienministern Lisa Paus (Grüne) das Wachstumschancengesetz von Finanzminister Christian Lindner (FDP) blockiert, um im Streit um die Kindergrundsicherung zu punkten.

Nun sagte Paus dem Nachrichtenportal "The Pioneer": "Die Kindergrundsicherung wird kommen." Sie habe den Gesetzentwurf dem Kanzleramt und dem Finanzministerium vorgelegt. Der Gesetzentwurf sei mittlerweile im Vorhabenclearing, so die Grünen-Politikerin. "Wie vom Kanzler gewünscht, habe ich unterschiedliche Varianten vorgelegt."

Paus hatte bereits der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" gesagt, dass der Gesetzentwurf von ihrer Seite aus fertig sei. Sie zeigte sich zuversichtlich, dass es bis zur Kabinettsklausur Ende des Monats eine Einigung geben werde. Da es noch Klärungsbedarf gebe, werde das Gesetz auf die Tagesordnung der Kabinettsklausur in Meseberg Ende des Monats gesetzt.

Machtwort: Kanzler hatte Gesetzesentwurf bei Paus angefordert

Zuletzt hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit Blick auf die Kindergrundsicherung ein schriftliches Machtwort gesprochen und Paus aufgefordert, bis Ende August einen in der Regierung geeinten Gesetzentwurf vorzulegen.

Paus und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) streiten seit Monaten, wie viel Geld für die Kindergrundsicherung jährlich zur Verfügung stehen soll. Paus will bis zu sieben Milliarden Euro, Lindner hat bisher zwei Milliarden Euro veranschlagt. Die Familienministerin hatte am Mittwoch mit einem Vorbehalt verhindert, dass Lindners Gesetz mit Steuererleichterungen für die Wirtschaft in Höhe von mehr als sechs Milliarden Euro vom Kabinett beschlossen werden konnte. Die FDP hatte ihr daraufhin Erpressung vorgeworfen.

Lindner zieht Grenzen

In der Kindergrundsicherung sollen die Familienleistungen zusammengefasst werden. Nach dem Willen von SPD und Grünen sollen bedürftige Familien insgesamt höhere Leistungen erhalten als heute. Zudem soll der Zugang erleichtert werden, damit mehr bedürftige Familien diese auch beantragen. Die FDP will nur eine Verwaltungsvereinfachung, um sicherzustellen, dass alle Familien die ihnen zustehenden Leistungen bekommen.

Finanzminister Christian Lindner zog im Streit um die Kindergrundsicherung klare Grenzen. Der FDP-Chef sagte der FAZ: "Eine fünfköpfige Familie, die Bürgergeld bezieht, erhält heute schätzungsweise 36.000 bis 38.000 Euro im Jahr vom Steuerzahler." Es helfe wenig, ihnen nun hohe zusätzliche Transfers zu zahlen, seien es 1.000 oder gar 3.000 Euro im Jahr. Es sei zudem nicht hilfreich, ganz unterschiedliche Vorhaben sachfremd miteinander zu verknüpfen. Außerdem gelte: "Die logische Voraussetzung einer neuen Leistung wie etwa der Kindergrundsicherung ist, dass wir überhaupt eine prosperierende Wirtschaft haben."

"Fassungslos": SPD-Chef kritisiert Streit in der Koalition

SPD-Chef Lars Klingbeil hat den neuen Streit in der Ampel-Koalition scharf kritisiert. Die Aufgabe der Regierung sei es, in der aktuellen Situation Sicherheit, Stabilität und Orientierung zu geben. "Ich dachte eigentlich, dass alle das verstanden haben", sagte Klingbeil. Dass das offenkundig doch nicht der Fall sei, "das hat mich sehr fassungslos gemacht".

Klingbeil gab als Erwartung für Meseberg aus, dass das Kabinett auch über die Zusammenarbeit spreche und sich bereinige. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag, Irene Mihalic, forderte in den Zeitungen der Funke Mediengruppe, dass die Koalition nach der Sommerpause zurück in den Arbeitsmodus finden müsse. "Dabei halte ich die Schärfe im Ton mancher Koalitionsmitglieder jetzt für wenig hilfreich." Es sei normal, dass ein Gesetzentwurf noch mal geschoben werde, wenn Beratungsbedarf herrsche. "Wir müssen an einem Strang ziehen, die Kindergrundsicherung muss kommen, genauso wie das Wachstumschancengesetz."

Kinderschutzbund: Debatte "unwürdig und beschämend"

Auch die Präsidentin des Deutschen Kinderschutzbundes, Sabine Andresen, kritisierte die Debatte um die Kindergrundsicherung. "Ich finde die aktuelle Diskussion aus der Perspektive von Familien mit Kindern unwürdig und beschämend", sagte Andresen dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Denn ungefähr jedes fünfte Kind in Deutschland wächst in Armut auf. Und wenn der Kampf gegen diese Kinderarmut nicht priorisiert wird, dann wird eine Chance vertan."

In Deutschland ist mehr als jedes fünfte Kind einer Studie der Bertelsmann-Stiftung zufolge armutsgefährdet. Betroffen sind demnach vor allem Jungen und Mädchen in alleinerziehenden Familien oder in Mehrkindfamilien mit drei und mehr Heranwachsenden.

Mit Informationen von dpa und epd.

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