Rauch steigt über der sudanesischen Hauptstadt Khartoum auf.
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Im Sudan toben Kämpfe zwischen Armee und Paramilitärs.

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Brüchige Waffenruhe im Sudan - Steinmeier lobt Evakuierung

Die Gewalt im Sudan nimmt zu. Kämpfer besetzen ein medizinisches Labor und ein SOS-Kinderdorf. Am Abend konnte die Bundeswehr ihre Evakuierung abschließen, trotz Verstößen gegen die Waffenruhe. Die Uno warnt vor einer Verschlechterung der Lage.

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In der sudanesischen Hauptstadt Karthum wird weiter gekämpft. Keiner der beiden rivalisierenden Generäle sei zu ernsthaften Verhandlungen bereit, sagt der UN-Sonderbeauftragte Volker Perthes. Die Waffenruhe zwischen den Konfliktparteien im Sudan erwies sich derweil als brüchig.

Die Bundeswehr schloss derweil ihren mehrtägigen Evakuierungseinsatz im Sudan ab. Wie das Einsatzführungskommando der Bundeswehr bei Berlin auf Twitter mitteilte, landete eine Maschine des Typs A400M mit rund 120 Menschen an Bord in Jordanien. Ihre Weiterreise nach Deutschland werde vorbereitet, hieß es vom Einsatzführungskommando am Dienstagabend. Insgesamt flog die Bundeswehr nach Stand von Mittwochvormittag in den vergangenen Tagen mehr als 700 Menschen aus dem Sudan aus. Darunter waren laut Bundeswehr 197 Deutsche. Die Transportmaschinen landeten in Jordanien, von dort aus wurde die Weiterreise der Evakuierten nach Deutschland organisiert.

Steinmeier äußert sich erleichtert

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeigte sich erleichtert über die gelungene Evakuierung. "Ich bin froh und glücklich, dass unsere Sicherheitskräfte viele deutsche Landsleute und viele Bürgerinnen und Bürger aus der dramatischen Situation im Sudan evakuieren konnten", sagte Steinmeier in Vancouver während seines Kanada-Besuches. Zugleich sei er dankbar für den Mut und den Einsatz von Angehörigen der Bundeswehr, der Bundespolizei und des Auswärtigen Amtes.

"Wir alle können uns vorstellen, was das in den wenigen Tagen an Koordinierung mit Freunden und mit benachbarten Nationen notwendig machte", sagte Steinmeier weiter. Es zeigt sich erneut, wie wichtig es ist, in dieser Welt Freunde und Partner zu haben - Freunde und Partner, die auch in der Not zur Seite stehen."

Baerbock und Pistorius: "Großartige Leistung"

Die Bundeswehr habe "eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass sie schnell reagieren kann und in Krisen einsatzbereit ist", sagte die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl (SPD), den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (Mittwochsausgaben). Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatten am Dienstag allen zivilen und militärischen Kräften "für ihre großartige Leistung im Rahmen der Evakuierungsmission" gedankt. Für die Evakuierungsmission der Bundeswehr waren zeitweise etwa 1.000 Soldaten tätig, nun beginnt die Rückabwicklung des Einsatzes.

Wegen der akuten Gefahrensituation war die Bundeswehr-Mission am Sonntag zunächst ohne die eigentlich erforderliche parlamentarische Zustimmung gestartet worden. Die Bundesregierung will sich die Möglichkeit offenhalten, die Mission im Sudan bis Ende Mai fortzuführen. Über ein entsprechendes Mandat sollte der Bundestag am Mittwoch abstimmen und damit auch nachträglich die Mission genehmigen.

Luftangriffe und Explosionen bei Khartum

Im Sudan kämpfen seit anderthalb Wochen Armeeeinheiten unter dem Kommando des Generals Abdel Fattah al-Burhan gegen die von Mohamed Hamdan Daglo angeführte paramilitärische RSF-Miliz. Dabei sind nach Informationen der Weltgesundheitsorganisation WHO mindestens rund 460 Menschen umgekommen und fast 4.100 verletzt worden. Die wahre Zahl dürfte aber deutlich höher liegen.

Am Dienstag trat eine unter Vermittlung der USA ausgehandelte 72-stündige Feuerpause in Kraft. Der UN-Sonderbeauftragte Volker Perthes zog dazu eine gemischte Bilanz: Die Feuerpause scheine zwar bislang "in einigen Teilen" des Landes zu halten. In der Hauptstadt Khartum aber würden die Kämpfe unter anderem um den Palast der Republik, den internationalen Flughafen und die Hauptquartiere sowie Stützpunkte von Armee und RSF "weitgehend fortgesetzt oder in einigen Fällen intensiviert". Luftangriffe und schwerer Beschuss insbesondere in den Städten Omdurman und Bahri unmittelbar bei Khartum hielten an. Der Flughafen sei Berichten zufolge zwar wieder in Betrieb, die Vorfelder seien aber beschädigt.

Zunehmende Kriminalität - UN-Mitarbeitende und Diplomaten unter Opfern

Es gebe zudem zahlreiche Berichte über Wohnungseinbrüche, Plünderungen von Häusern und Geschäften sowie an Kontrollpunkten entwendete Autos. Zu den Opfern gehörten sudanesische Bürgerinnen und Bürger wie auch Mitarbeitende der Vereinten Nationen, humanitäre Helferinnen und Helfer sowie diplomatisches Personal. Die Angst vor zunehmender Kriminalität wachse. UN-Generalsekretär António Guterres appellierte vor dem Sicherheitsrat für ein Ende der Gewalt und warnte vor dem Ausbruch eines vollumfänglichen Krieges.

Die RSF-Miliz veröffentlichte ein Video, in dem sie behauptet, eine Ölraffinerie und ein Kraftwerk nördlich von Khartum unter ihre Kontrolle gebracht zu haben. Sorge herrschte auch mit Blick auf ein medizinisches Labor in Khartum, das Kämpfer nach UN-Angaben unter ihre Kontrolle brachten. In dem Labor werde biologisches Material gelagert, etwa Polio-Erreger, Masern-Erreger und Cholera-Erreger, erklärte Nima Saeed Abid, Repräsentant der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Auch das SOS-Kinderdorf in Sudans Hauptstadt Khartum wurde gewaltsam von bewaffneten Kräften eingenommen. Die Hilfsorganisation "SOS-Kinderdörfer" konnte die betreuten Kinder und Jugendlichen sowie die Mitarbeiter evakuieren.

Verschlechterung der humanitären Lage: UNO warnt

Perthes warf beiden Seiten Angriffe auf zivile Ziele vor. Während des Konflikts seien "dicht besiedelte Gebiete angegriffen worden, ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung". Auch Krankenhäuser seien attackiert worden. Er stehe mit Armeeführer al-Burhan und Milizenchef Daglo in Kontakt, sagte Perthes. Es gebe aber "derzeit keine klaren Anzeichen dafür, dass einer der beiden Generäle bereit ist, wirklich zu verhandeln."

Die UNO warnte vor einer weiteren Verschlechterung der humanitären Lage im Land. Insbesondere in und um Khartum sei die Versorgung der Menschen mit Nahrungsmitteln, Wasser, Medikamenten und Treibstoff in Gefahr.

Schulze: Jede Chance für Frieden nutzen

Auch Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) wies angesichts der ausfallenden internationalen und deutschen Hilfen wegen der anhaltenden Gewalt auf die dramatischen Folgen für die dortige Bevölkerung hin. Ein Drittel sei schon jetzt auf internationale Nahrungsmittelhilfen angewiesen; "und es werden täglich mehr", sagte Schulze der "Rheinischen Post" und dem "General-Anzeiger". Schulze appellierte an den Westen, auch nach der Evakuierung eigener Staatsangehöriger die Menschen im Sudan nicht sich selbst zu überlassen. Man dürfe sich "jetzt nicht erleichtert zurücklehnen, weil die eigenen Bürger ja draußen sind". Man habe die Verantwortung, "weiter hinzuschauen, engagiert zu bleiben und jede Chance zu nutzen, die sich für Frieden und Entwicklung im Sudan bietet.

Mit Informationen von AFP, dpa, AP, KNA

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