Ein Geologe dokumentiert eine Rauchsäule auf dem Gebiet der Phlegräischen Felder in Pozzuoli, westlich von Neapel.
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Ein Geologe dokumentiert eine Rauchsäule auf dem Gebiet der Phlegräischen Felder in Pozzuoli, westlich von Neapel.

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Supervulkan bei Neapel: Proben für den Katastrophenfall

Supervulkan bei Neapel: Proben für den Katastrophenfall

Westlich von Neapel erstrecken sich die Phlegräischen Felder über eine Fläche von mehr als 150 Quadratkilometern. Zuletzt bebte dort wiederholt die Erde. Der Zivilschutz hat deshalb beschlossen, den Ernstfall zu proben: eine Evakuierung.

Sie sind weit weniger bekannt als der Vesuv, aber sie gelten als wesentlich gefährlicher – die Phlegräischen Felder im Westen von Neapel. Der letzte Ausbruch dieses unterirdischen Vulkans ist knapp 500 Jahre her. Seit 2005 hebt sich der Boden in der Gegend aber immer weiter an. In den letzten Monaten hat es ungewöhnlich viele Erdbeben gegeben. Der Zivilschutz will deshalb besser auf den Ernstfall vorbereitet sein. Geplant ist eine Evakuierung der Zivilbevölkerung, die nicht selbst mit dem Auto flüchten kann oder will.

"Wir wissen, dass wir auf einem Vulkan leben"

Mama Anna steht in der Tür, wedelt mit der Hand durch die Luft. Kinder, Mann und Oma marschieren nach draußen, mit kleinen Rucksäcken auf dem Rücken. Sie haben genau drei Stunden, um es zum Zug zu schaffen, der ihr Leben retten kann – im Ernstfall, wenn der Vulkan unter ihrem Haus ausbrechen sollte. Das heute ist nur eine Evakuierungsübung, aber Anna Pelusos Familie nimmt sie ernst: "Wir wissen, dass wir auf einem Vulkan leben. Und der gibt gerade erste Zeichen, dass er aufwacht", so Anna. Auch wenn das nicht in den nächsten Jahren passieren müsse.

Vor der Haustür – knorrige Zitronenbäume, die in einen pastellrosa Morgenhimmel ragen, und reihenweise schmutzige Wohnblocks. Rund 500.000 Menschen wohnen in der Gegend um die Phlegräischen Felder – einem riesigen Vulkanfeld, nur wenige Kilometer von Neapel entfernt. Dass der Boden sich bewege, gehöre hier dazu, sagen Annas Freundinnen. Sie warten schon am Sammelpunkt, einer Piazza im Dorf. "Für mich ist das normal, dass ich da was spüre", erklärt eine von ihnen. "Heute Früh war wieder ein Erdbeben, da bin ich einfach im Bett geblieben."

Nicht alle nehmen an der Übung teil

Die Gegend wird von Forschern ständig überwacht. In den letzten Monaten hat es ungewöhnlich viele Beben gegeben. Deshalb hat der Zivilschutz beschlossen, den Katastrophenfall zu proben. Die Übung ist freiwillig, viele machen nicht mit. Ein Rentner geht kopfschüttelnd vorbei. Das wisse doch nur der Heilige Vater, wann der Vulkan explodieren könnte, meint er.

Tatsächlich hebt sich der Boden in den Phlegräischen Feldern seit Anfang der Nullerjahre immer weiter an. So hoch wie jetzt war er seit dem letzten Ausbruch vor etwa 500 Jahren nicht mehr. Im besten Fall, sagen Forscher, entweichen Gase aus der Erde und nichts passiert. Der schlimmste Fall wäre ein Ausbruch, der das gesamte Gebiet um Neapel verwüsten könnte und das Klima über Jahre verändert. Für Anna ein schmerzhafter Gedanke: "Du wohnst nicht nur hier", erklärt sie. "Du hast hier dein Leben – Familie, Arbeit, die Schule der Kinder."

Insgesamt sieben Gemeinden werden evakuiert

Ein Bus bringt Annas Familie zum nächsten Sammelpunkt, einem Bahnhof in Neapel. Der ist schon völlig überfüllt – Menschen aus insgesamt sieben Gemeinden werden heute evakuiert. Der Zivilschutz will mit der Übung herausfinden, wie die geplanten Abläufe funktionieren, sagt Pasquale Di Pace, Leiter vom Zivilschutz Neapel. Und auch die Bürger könnten den Katastrophenfall üben – "aber in einem Umfeld, das frei ist von Panik und sicher".

Die Übung scheinen beide Seiten gut gebrauchen zu können. Familien verlieren sich in der Menge. Panini werden wahllos verteilt. Anna weiß nicht, zu welchem Zug sie sollen. An den Händen zerrt sie beide Kinder durch die Menge und in allerletzter Minute finden sie den richtigen. "Es war ziemlich chaotisch", so Anna. "Ich hab' nicht genau verstanden, wie das alles funktioniert."

Der Zug, in dem sie sitzen, würde sie in den Norden bringen – zu einer Partnergemeinde in der Lombardei, die Notunterkünfte organisiert hat. Ob das im Ernstfall alles so klappen würde? Anna hofft, dass sie es nie herausfinden muss.

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