Die russische Justiz hat nach dem Angriff auf einen Konzertsaal bei Moskau mit mindestens 137 Toten eine zweimonatige Untersuchungshaft für vier mutmaßliche Täter angeordnet. Die vier Männer seien des Terrorismus beschuldigt, erklärte das Gericht im Moskauer Bezirk Basmanny. Sie müssten mit einer lebenslangen Haftstrafe rechnen.
Wie Medien berichteten, haben sich Angaben des Gerichts zufolge mindestens zwei der Angeklagten als schuldig bekannt. Einer von ihnen, ein gebürtiger Tadschike, habe "seine Schuld vollständig eingestanden". Die Behörden hatten zuvor angegeben, dass es sich bei den Verdächtigen um "ausländische Staatsbürger" handelte, ohne ihre Nationalität zu nennen. Die nun bis zum 22. Mai festgelegte Untersuchungshaft kann demnach bis zum Beginn des Prozesses gegen die Männer verlängert werden. Ein Datum für den Beginn des Verfahrens ist noch nicht festgelegt worden.
Im Video: Sicherheitsexperte Nico Lange über Reaktion Putins
Putin spricht erstmals von "radikalen Islamisten" als Tätern
Russlands Präsident Putin machte indessen bei einem im TV übertragenen Treffen "radikale Islamisten" für den Anschlag verantwortlich. Damit räumte der Kremlchef erstmals ein, dass Islamisten für den Anschlag im Moskauer Vorort Krasnogorsk verantwortlich sein sollen. Bisher hatte er nur von einer ukrainischen Spur gesprochen und damit den Verdacht nahegelegt, das von Russland angegriffene Land könnte hinter dem Massaker stehen. Zu dem Anschlag hat sich die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) öffentlich bekannt.
Verdächtige mit Gesichtsverletzungen vor Gericht
Die Angeklagten wurden am Sonntag von vermummten Sicherheitskräften ins Basmanny-Gericht in der russischen Hauptstadt gebracht und waren von Gesichtsverletzungen gezeichnet. Mit deutlich sichtbaren Blutergüssen, Schwellungen, Schürf- und Platzwunden wurden sie in Glaskäfigen platziert. Einer von ihnen war offensichtlich nicht mehr in der Lage zu laufen und lag mit geschlossenen Augen festgeschnallt in einem Krankenstuhl. Ein anderer hatte einen wenig fachmännisch wirkenden Verband am rechten Ohr.
Vor dem Gerichtstermin waren Videoaufnahmen im Netz verbreitet worden, die zeigen sollen, dass die festgenommenen Männer gefoltert wurden und einem von ihnen gar ein Ohr abgeschnitten wurde. Ob die Aufnahmen authentisch sind, ließ sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.
Die eigentliche Anhörung fand hinter geschlossenen Türen statt, wie die russische Staatsagentur Tass berichtete. Der Terrorverdächtige auf dem Krankenstuhl, der den Anschlag gefilmt haben soll, hatte demnach "Schwierigkeiten zu sprechen". Das Ermittlungskomitee wirft ihm und seinen drei mutmaßlichen Komplizen einen gemeinschaftlich verübten tödlichen Terroranschlag vor.
Im Video: Polizei führt Verdächtige vor
Elf Festnahmen nach Terroranschlag
Nach der Tat in einem Veranstaltungszentrum nahe Moskau, bei der am Freitag 137 Menschen getötet und nach neuen Angaben der Gesundheitsbehörden 182 weitere verletzt wurden, gab es insgesamt elf Festnahmen. Vier der Verdächtigen gelten als die eigentlichen Todesschützen – sie sind diejenigen, die nun dem Haftrichter vorgeführt wurden. Die Haftbefehle wurden laut Tass am Sonntagabend erlassen. Die vier Männer waren am Wochenende im russischen Grenzgebiet Brjansk festgenommen und nach Moskau gebracht worden.
Menschenrechtler berichten immer wieder von Demütigungen, Misshandlungen und brutalen Foltermethoden im russischen Strafvollzug. Öffentlich inszenierte Schauprozesse dienen demnach der staatlichen Machtdemonstration und Abschreckung.
Russische Rockband Piknik gedenkt der Opfer des Terroranschlags
Unterdessen beging Russland am Sonntag einen nationalen Trauertag. Die Mitglieder der populären Rockband Piknik, die am Freitag in der Crocus City Hall hätte auftreten sollen, legten am Abend vor der Konzerthalle Blumen für die Opfer nieder. Nach einer Gedenkminute sprachen sie den Hinterbliebenen ihr Mitgefühl aus. Sichtlich erschütterte Bewohner der Hauptstadtregion strömten auch am Sonntag in dichten Scharen zur Crocus City Hall. Am Zaun vor dem zerstörten Gebäude legten sie Blumen und Spielsachen zum Gedenken an die Opfer nieder. Über dem Kreml wehte die Fahne auf halbmast.
Mit Informationen von AFP, Reuters, AP und dpa
Audio: Vier Verdächtige Moskauer Haftrichter vorgeführt
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