Ein Antrag der Thüringer Christdemokraten zur Senkung der Grunderwerbssteuer, der nur mit Hilfe der Höcke-AfD durchgegangen ist: Dieser Vorgang im Erfurter Landtag sorgt seit Donnerstag für heftige politische Debatten. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob die Thüringer CDU damit die viel beschworene "Brandmauer" zur AfD eingerissen hat oder nicht.
"Seit geraumer Zeit Absprachen, die augenfällig sind"
"Es gab 0,0 Kontakt zur AfD", hatte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann nach der umstrittenen Abstimmung betont. Ähnlich hatte sich zuvor schon der Thüringer CDU-Landes- und Fraktionsvorsitzende Mario Voigt geäußert. Die Thüringer Staatskanzlei will das so aber nicht stehen lassen. Im Berliner "Tagesspiegel" warf Staatskanzleichef Benjamin-Immanuel Hoff (Die Linke) der CDU indirekt vor, mit diesen Aussagen gelogen zu haben.
CDU, FDP und AfD hätten sich "gezielt abgestimmt", betonte Hoff, und wörtlich: "Es wurden parallel eigene Punkte von der Tagesordnung genommen, um dann die Grunderwerbsteuer behandeln zu können." Der Staatskanzleichef verwies darauf, dass die AfD im Vorfeld öffentlich klargestellt habe, dass sie das Vorhaben unterstützen würde. Und weiter: "Es gibt seit geraumer Zeit Absprachen, die augenfällig sind."
Kontroverse auch CDU-intern
CDU-Chef Friedrich Merz hat sich nach der Abstimmung in Erfurt bisher nicht öffentlich geäußert. Schon vorher hatte er das Vorgehen der Thüringer Parteifreunde aber bereits verteidigt. Was man in den Landtagen und im Bundestag diskutiere, mache man nicht von anderen Fraktionen abhängig, so Merz. Und es bleibe dabei: Man arbeite nicht mit der AfD zusammen. CSU-Chef Markus Söder sieht das ähnlich. Im RTL-Interview betonte er außerdem, es hätte an den anderen demokratischen Parteien gelegen, "diese gute Idee einer Steuersenkung zu unterstützen, denn Entlastung für Bürger ist ja nichts Extremes, sondern sinnvoll."
Allerdings gibt es auch CDU-intern Kritik am Verhalten der Thüringer CDU. Nach dem schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther hat sich jetzt auch der christdemokratische Bundestagsabgeordnete Kai Whittaker entsprechend positioniert. Das Problem sei nicht, dass die AfD dem CDU-Antrag zugestimmt hat, sondern dass der Antrag ausschließlich durch die Stimmen der rechtsextremen AfD eine Mehrheit bekam: "Das ist der Verstoß", schreibt Whittacker auf der Plattform X (früher Twitter).
Allerdings warnte er auch davor, "ständig die CDU unter einen Generalverdacht zu stellen, als ob da nur noch verkappte Nazis rumrennen".
Anhaltende Empörung bei SPD und Grünen
Nicht nur bei der Linken, auch bei SPD und Grünen hält die Aufregung unterdessen an: "Wo bleibt der Aufschrei innerhalb der Union?", fragt SPD-Chefin Saskia Esken in der "Stuttgarter Zeitung". Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter machte deutlich, dass er hinter dem Schritt in Erfurt eine ganz bewusste, zentral gesteuerte Strategie sieht: "Diesem Agieren bereitet Merz von Berlin aus den Weg", sagte Hofreiter der "Augsburger Allgemeinen".
Dagegen drängt CDU-Vize Jens Spahn auf ein Ende der Diskussion: "Den größten Gefallen, den man gerade der AfD tun kann, ist, diese Debatte noch drei Wochen so zu führen." Dann, so Spahn gegenüber der "Frankfurter Rundschau", habe die AfD "nochmal zwei Prozent mehr".
Gauck: "Kann in Sachfragen manchmal so passieren"
CDU-Vizechefin Karin Prien hatte nach der Abstimmung erklärt, die Christdemokraten müssten in der Lage sein, konstruktive Oppositionsarbeit zu leisten - ohne sich dafür gleich Vorwürfe anhören zu müssen. In diese Richtung geht auch die Argumentation von Alt-Bundespräsident Joachim Gauck, der sich am gestrigen Freitagabend in die Debatte eingeschaltet hat - bei einer Veranstaltung des Nachrichtenportals "The Pioneer".
Bei nüchterner Betrachtung sehe er "nicht eine Weichenstellung", so Gauck. Der Alt-Bundespräsident betonte, er würde "sofort laut aufschreien, wenn in der Union Stimmen kämen, mit dieser AfD zu koalieren oder substanzielle Absprachen zu treffen". Aber wenn man "unverdächtig ist, mit denen zu koalieren, dann kann das manchmal in Sachfragen so passieren wie jetzt".
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