Ein Mann betet, während er in einer Bushaltestelle wartet. Neben ihm befindet sich ein Luftschutzbunker.
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Je nachdem, wo in Israel man sich befindet, hat man 15 bis 90 Sekunden Zeit, um bei Raketenalarm einen Bunker (l.) aufzusuchen. (Symbolbild)

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Trotz Verhandlungen: Weiter Raketenalarm im Nahen Osten

Die Sirenen ertönten auch nahe Jerusalem - erstmals seit Beginn der Kämpfe zwischen militanten Palästinensern und Israels Armee. Auch im Westjordanland gab es Raketenalarm. Die Gefechte gehen weiter, trotz Verhandlungen. Ist eine Waffenruhe in Sicht?

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Am vierten Tag in Folge hat am Freitag die Gewalt im Nahen Osten angehalten - trotz Bemühungen um einen Waffenstillstand. Augenzeugen und palästinensischen Sicherheitskreisen zufolge wurden am Morgen erneut Raketen aus dem Gazastreifen in Richtung Israel abgefeuert. Erstmals seit Beginn der Kämpfe gab es Raketenalarm auch nahe Jerusalem. Israel reagierte mit dem Beschuss von Stellungen der Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad. Ägypten versuchte zu vermitteln. Israel soll wegen des neuerlichen Raketenbeschusses die Gespräche über eine Waffenruhe abgebrochen haben, meldeten israelische Medien. In Berlin wurde an die Staatsgründung Israels vor 75 Jahren erinnert.

Israel nimmt "präventiv" Ziele des Islamischen Dschihad ins Visier

Der israelischen Armee zufolge wurden seit Dienstag aus dem Gazastreifen insgesamt 866 Raketen auf das Staatsgebiet abgefeuert, 260 davon habe der Raketenschutzschirm "Iron Dome" abgefangen. Demnach landete ein Viertel der von militanten Palästinenser abgeschossenen Raketen auf dem Gebiet des Gazastreifens selbst.

Zu den eigenen Angriffen erklärte die israelische Armee, sie habe "präventiv" 170 Ziele des Islamischen Dschihad ins Visier genommen. Seit Dienstag wurden bei den gewaltsamen Auseinandersetzungen mehr als 30 Menschen getötet. Der Islamische Dschihad, eine militante Gruppe mit engen Verbindungen zum Iran, ist im Gazastreifen stark vertreten. Die von Israel, der EU und den USA als Terrororganisation eingestufte Gruppe nutzt das Gebiet regelmäßig für Raketenangriffe auf Israel.

Raketenbeschuss: Dutzende Tote und mehr als 100 Verletzte

Die Lage in der Region ist nach dem Tod eines ranghohen Vertreters des Islamischen Dschihad in israelischer Haft derzeit extrem angespannt. Der 45-jährige Gefangene Chader Adnan war Anfang Mai nach einem monatelangen Hungerstreik gestorben. Im Gazastreifen starben seit Beginn der israelischen Militäroffensive am Dienstag bislang 33 Menschen, unter ihnen 6 Kinder, wie das Gesundheitsministerium mitteilte. Mehr als 100 seien verletzt worden. Bei mindestens 17 der Toten handelte es sich palästinensischen Informationen zufolge um Zivilisten. Israels Armee sagte, vier zivile Opfer seien von fehlgeleiteten Dschihad-Raketen getötet worden. Unabhängig waren die Angaben zunächst nicht zu überprüfen.

Ein Sprecher der im Gazastreifen regierenden Hamas warnte, wegen Treibstoffmangels müsse womöglich das einzige Kraftwerk in den kommenden 72 Stunden stillgelegt werden. Wegen des Kämpfe sind derzeit die Grenzübergänge zum Gazastreifen geschlossen und die Einfuhr von Treibstoff gestoppt.

Bombensichere Räume und Co: Spezielle Schutzmaßnahmen im Süden Israels

Militante Palästinenser feuerten Armeeangaben zufolge bislang mehr als 970 Raketen und Mörsergranaten Richtung Israel, 760 davon überquerten demnach die Grenze. Bei einem Raketeneinschlag in ein Wohnhaus in der israelischen Stadt Rehovot war am Donnerstag ein Mensch getötet worden. Seit Beginn der Angriffe wurden 22 Menschen in Israel verletzt.

Für die Zivilbevölkerung im Süden Israels gelten derzeit spezielle Schutzmaßnahmen. Die Menschen dürfen dort etwa nur arbeiten gehen, wenn die Bürogebäude über einen bombensicheren Raum verfügen. Zudem dürfen sich nicht mehr als zehn Menschen im Freien treffen. Nachdem ein Open-Air-Konzert des israelischen Musikers Aviv mit Zehntausenden Besuchern am Donnerstag trotz Raketendrohungen stattfand und Kritik auslöste, wurden nun mehrere Konzerte abgesagt. So wurde etwa ein Auftritt der Backstreet Boys in der Nähe von Tel Aviv am Samstag gecancelt, wie die Armee mitteilte.

Ägyptens Vermittlungsbemühung: Hat Israel die Gespräche abgebrochen?

Unterdessen gab es am Freitag aus Verhandlungskreisen Hinweise auf erste Erfolge bei den Vermittlungsbemühungen Ägyptens um eine Waffenruhe zwischen den Konfliktparteien. Demnach erreichte Kairo erste Schritte in Richtung Deeskalation zwischen den Konfliktparteien. Mohammed al-Hindi, Leiter der politischen Abteilung des Islamischen Dschihad, sagte am Freitag in Kairo, er hoffe, dass die Gespräche über einen Waffenstillstand "heute abgeschlossen werden". Er hoffe "auf ein ehrenhaftes Abkommen, das die Interessen unseres Volkes und des Widerstands widerspiegelt", sagte er. Kairo gilt traditionell als Vermittler im Nahostkonflikt.

Wegen des neuerlichen, heftigen Raketenbeschusses habe Israel die Gespräche über eine Waffenruhe abgebrochen, meldeten israelische Medien hingegen am Freitag. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es zunächst nicht. "Wir werden die Gerüchte über den Waffenstillstand nicht kommentieren", sagte ein Sprecher des Außenministeriums auf Anfrage.

Bundestag begeht 75. Jahrestag der Gründung Israels

Im Deutschen Bundestag wurde unterdessen der 75. Jahrestag der Gründung des Staates Israel gewürdigt. Israel habe "das Recht auf Selbstverteidigung", betonte dabei FDP-Fraktionschef Christian Dürr mit Blick auf die Sicherheitslage im Nahen Osten. Das Land werde fortwährend von radikalen islamistischen Gruppen "mit Raketen bedroht und beschossen".

"Vertreter der Fraktionen der Regierungsmehrheit wie der Union bekräftigten dabei in Anwesenheit von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und des israelischen Botschafters Ron Prosor die Solidarität Deutschlands zu Israel und den Einsatz gegen Antisemitismus.

Krise wegen geplanter Umbau der Justiz

Die Eskalation der Gewalt im Nahen Osten erfolgt vor dem Hintergrund der größten innenpolitischen Krise in Israel seit Jahrzehnten. Diese wurde von den heftig umstrittenen Plänen der rechtsreligiösen Regierung zum Umbau der Justiz ausgelöst. Die Pläne zielen darauf ab, die Gewaltenteilung in Israel zugunsten des Parlaments einzuschränken. Die Opposition warnt seit Wochen davor, dass Israel durch die Krise nach außen hin geschwächt werde.

Mit Informationen von dpa und AFP

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