Wurde in bayerischen Impfzentren bei der Corona-Impfung von Tausenden Menschen pro Tag ausreichend auf mögliche Nebenwirkungen der Impfung hingewiesen? Mit dieser Frage müssen sich ab heute zwei Gerichte in Bayern beschäftigen: Das Landgericht Amberg und das Landgericht Memmingen. Denn eine Anwaltskanzlei aus Würzburg, die zwei Frauen mit möglichen Impfschäden vertritt, hat nun Klage gegen den Freistaat Bayern eingereicht.
Klägerinnen: Ekzem an der Hand und anhaltende Erschöpfung
Konkret geht es bei den aktuellen Fällen um zwei Frauen: Eine 38-jährige Büroangestellte aus der Oberpfalz ließ sich laut Informationen der Anwaltskanzlei im Juni 2021 in einem medizinischen Gesundheitszentrum in Regenstauf mit Biontech impfen. Nach Angaben der Frau erfolgte dabei keine ordnungsgemäße Aufklärung über die Risiken. Kurz darauf habe sie ein Ekzem an der rechten Hand bekommen, das jetzt, fast zwei Jahre nach der Corona-Impfung, noch immer nicht abgeheilt sei und sich auch nicht mit herkömmlichen Mitteln therapieren lasse. Als Rechtshänderin sei sie durch den Schaden nun stark eingeschränkt, so ihre Anwälte.
Bei der zweiten Klägerin handelt es sich um eine 42-jährige, ehemalige Kinderpflegerin, die derzeit ihren Beruf wegen Erschöpfungssymptomen, Glieder- und Muskelschmerzen sowie wegen eines Gesichtsausschlags nicht mehr ausüben könne. Da die Frau die Symptome zunächst nicht auf die Impfung zurückführte, ließ sie sich in einem Impfzentrum in Kaufbeuren und dann in Bad Wörishofen noch ein zweites und drittes Mal impfen. Nach der dritten Impfung seien die Symptome jedoch immer schlimmer geworden, so die Klägerin im Interview mit dem BR. Hinzu sei dann auch noch der Gesichtsausschlag gekommen. Dass es sich dabei um mögliche Impfnebenwirkungen handeln könnte, darauf sei sie erst einmal gar nicht gekommen. Erst ihre Heilpraktikerin machte sie darauf aufmerksam, so die 42-Jährige im Gespräch mit dem BR.
Klage gegen Freistaat Bayern
"Die Aufklärung war ein bisschen dürftig. Bis auf den Zettel, den ich da bekommen habe, da stand halt alles drin. Dann unterschrieben und letztendlich war die Aufklärung: 'Fühlen Sie sich heute fit?' - das war's", so die Frau aus dem Allgäu auf die Frage, warum ihr Anwalt nun den Freistaat Bayern verklagen will.
Mehr als 180 Zivilklagen wegen mutmaßlicher Schäden durch Corona-Impfungen liegen derzeit bei deutschen Gerichten. Die Klägerinnen und Kläger wollen Schmerzensgeld und Schadenersatz, denn sie sind der Ansicht, im Zusammenhang mit den Impfungen schwerwiegende Nebenwirkungen erlitten zu haben.
Bei den aktuellen Fällen in der Oberpfalz und im Allgäu richtet sich die Klage jedoch nicht gegen die Impfstoff-Hersteller, sondern gegen den Freistaat Bayern. Die Klägerinnen machen geltend, dass ihre Erkrankungen und Schäden eine direkte Folge der Impfungen gegen das SARS-Cov-2 Virus waren. Allerdings ließen sie sich die Impfdosis nicht in einer Arztpraxis, sondern in einem Impfzentrum geben. Diese Impfzentren wurden von den Kommunen und Landkreisen, aber im Auftrag des Freistaats Bayern betrieben. Die Ärzte in den Impfzentren wurden von allen Ansprüchen Dritter freigestellt, dafür übernahm der Staat die Verantwortung. Nach diesem sogenannten Staatshaftungsrecht müsste der Freistaat Bayern für eventuelle Schäden und unerwünschten Folgen haften.
Anwaltskanzlei: Mandantinnen wurden nicht ausreichend aufgeklärt
Die Klage mit einem Streitwert von 157.000 Euro stützt sich laut der Anwaltskanzlei darauf, dass bei jeder Impfung ausführlich mündlich aufgeklärt werden müsse. Eine ordnungsgemäße Aufklärung, wie sie auch für die Corona-Schutzimfpung vorgesehen war, sei vor der Impfung in den beiden Fällen nicht erfolgt. "Eine ordnungsgemäße Impfaufklärung lässt sich daher unter 20 Minuten kaum bewerkstelligen", so die Würzburger Kanzlei Steinbock & Partner. In den beiden Fällen habe es kein Arztgespräch über die Impfung gegeben, den Geschädigten sei außerdem nicht einmal Zeit gelassen worden, sich den Aufklärungsbogen auch nur ansatzweise anzusehen, so die Anwaltskanzlei. Die Impfung sei zudem nicht durch einen Arzt erfolgt, sondern durch eine Arzthelferin. Man sei weder auf die Risiken noch auf die begrenzten Daten zur Sicherheit des Impfstoffs eingegangen.
Wer haftet bei möglicher unvollständiger Aufklärung?
Die Anwaltskanzlei betont: "Liegt eine fehlerhafte oder unvollständige Aufklärung vor, so haftet grundsätzlich der Arzt für sämtliche nachteiligen Folgen der Behandlung". Sie verweist dabei auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom September 2014.
Doch nun müsse der Freistaat Bayern haftbar gemacht werden, denn er habe, so die Begründung der Anwälte, seine Amts- und Aufklärungspflicht verletzt bei der in seinem Auftrag vorgenommenen Impfung in den Impfzentren.
Klage gegen Landeshauptstadt München
Einen ähnlichen Fall hat das Landgericht München bereits auf dem Tisch. Auch hier geht es um die Aufklärung in den Impfzentren. Beklagter ist aber die Landeshauptstadt München. Der Fall wird Ende Juni verhandelt, doch wird es zunächst um die Frage gehen, ob die Stadt überhaupt die richtige Beklagte ist und nicht doch das Land Bayern.
Gesundheitsministerium rechtfertigt sich
Auf Anfrage des BR erklärte ein Sprecher des bayerischen Gesundheitsministeriums: "Wie bei jeder Impfung ist auch bei Impfungen gegen das Coronavirus eine vorherige Aufklärung durch den jeweils behandelnden Arzt durchzuführen." Das Robert Koch-Institut (RKI) habe den Ländern Aufklärungsmerkblätter sowie entsprechende Muster-Formulare zur Anamnese und Impfeinwilligung zur Verfügung gestellt. Diese Dokumente seien fortlaufend dem aktuellen Impfgeschehen angepasst worden.
Komplizierte Beweislage
Ob gegen die Hersteller oder den Freistaat Bayern geklagt wird: Der Anspruch auf Schadensersatz muss von den Klägern bewiesen werden. Es gibt in Deutschland mehrere Anwaltskanzleien, die damit werben, Betroffene zu ihrem Recht zu verhelfen, wenn sie durch die Covid-Impfung geschädigt wurden. Dies ist ein großes Versprechen. Die Betroffenen sind in einer scheinbar ausweglosen Situation und fühlen sich alleine gelassen. Allerdings sind Arzthaftungsfälle immer kompliziert und schwer zu beweisen, und das gilt auch in Folge von Covid-Impfungen.
Was aber die Sache hier besonders schwierig macht, ist, dass es bislang wenige verlässliche Studien zu diesem Thema gibt und die Unternehmen nicht immer kooperieren. Die Mainzer Fachanwältin für Medizinrecht Yvonne Schuld betreut etliche Mandantinnen und Mandanten zwischen 21 und 86 Jahren. Diese kamen nach der Impfung mit Gesundheitsschäden multipler Art. Es sei trotzdem schwierig, diese Fälle bis zur Klageerhebung voranzutreiben. Die Pharmaunternehmen mauerten und hätten kein Interesse an der Aufklärung. Selbst Beipackzettel würden nicht herausgegeben. Sie hat deshalb gegen das Unternehmen Biontech in zwei Fällen eine Auskunftsklage erhoben. Das sei ein erster Schritt. Doch es werde noch lange dauern, bis es verlässliche Entscheidungen gebe.
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