Der Ex-Präsident schwieg während der gesamten Anklageverlesung. Er habe ein paar Mal die Stirn gerunzelt, beschrieben Beobachter, die im Gerichtssaal zugelassen waren, die Szene. Auch auf die Frage nach seinem Plädoyer ließ Trump seinen Anwalt Todd Blanche antworten: "Wir plädieren auf jeden Fall auf nicht schuldig".
Die Vorwürfe wiegen schwer: Der 77-Jährige soll illegal streng geheime Regierungsdokumente besessen und vor den Behörden (und sogar vor seinen eigenen Anwälten) versteckt haben.
Im Gerichtsgebäude in Miami waren weder Kameras noch Telefone erlaubt. Nur 50 Minuten dauerte der historisch einmalige Vorgang.
Wenige Minuten zuvor hatten US-Marshals, wie bei jedem anderen Angeklagten auch, Fingerabdrücke genommen, Trumps Geburtsdatum und seine Adresse notiert. Auf ein offizielles Foto, einen "Mug Shot" für die Polizeikartei, verzichteten sie jedoch. Trump sei so berühmt, dass man kein zusätzliches Foto von ihm brauche.
Trump: Der Angeklagte als Opfer des "Deep State"
Für Trump kommt der Prozess einer Hexenjagd gleich. Der "Deep State" habe es auf ihn abgesehen, erzählte er seinen Anhängern immer wieder. Die Demokraten würden den Rechtsstaat untergraben und damit Institutionen wie das US-Justizministerium und die Bundespolizei FBI zerstören.
Nach der Gerichtsverhandlung besuchte Trump ein beliebtes kubanisches Restaurant in Südflorida. Er gab sich volksnah, schüttelte Hände und posierte für Fotos.
Altbekanntes Drehbuch: Opferrolle und Spendenaufrufe
Dieses Drehbuch haben Trump und seine Gefolgsleute schon mehrfach durchgespielt. Trump gibt sich als Opfer. Die Strafverfolger hätten es in Wahrheit auf seine treuen Anhänger abgesehen. Wer in der republikanischen Partei etwas anderes behauptet, wird als Verräter gebrandmarkt. Gleichzeitig läuft die Spendenmaschinerie auf Hochtouren. Vor allem Kleinspender, die in Trump den mutigen Kämpfer gegen die "linke Biden-Regierung" sehen, öffnen jetzt besonders bereitwillig ihr Portemonnaie.
Strategiewechsel: Trump gegen Biden und den "Deep State"
Trumps Wahlkampfteam wittert jetzt offenbar eine Chance, die Vorwahlen bei den Republikanern schon jetzt zu entscheiden. Die Gelegenheit ist günstig. Trump beherrscht die Nachrichten. Während sein Team mehr als 20 Millionen Dollar für Werbeclips ausgibt, die seinen schärfsten Rivalen, den erzkonservativen Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, verunglimpfen sollte, hat sich die Strategie in den letzten Tagen geändert.
Hauptangriffsziel: Joe Biden
In einem neuen Werbespot geht es gegen Joe Biden, den Deep State und die "marxistische US-Regierung". Die Botschaft ist klar: Nur Trump ist in der Lage, den Kampf aufzunehmen, seine innerparteilichen Gegenkandidaten haben nicht das nötige Format. Trump wird als Parteiführer dargestellt, der bereits in den direkten Kampf mit Biden eingetreten ist.
Unterstützung unter Republikanern bleibt stark
Politisch konnte Trump seine Unterstützung unter den Republikanern weiter festigen. In einer Umfrage von CBS News gaben nur 7 Prozent der voraussichtlichen republikanischen Wähler an, dass die Anklage ihre Meinung über Trump verschlechtern würde, während doppelt so viele sagten, dass sie sie verbessern würde. 80 Prozent waren der Meinung, dass Trump auch im Falle einer Verurteilung im Amt bleiben sollte. Sein bisher gefährlichster Konkurrent um die Nominierung, DeSantis, liegt laut der CBS-Umfrage mit 61 zu 23 Prozent deutlich hinter Trump.
- Zum Artikel: Ron DeSantis: Trumps Rivale und seine Agenda
Wie sieht Trumps juristische Strategie aus?
Das Beweismaterial in der Anklageschrift stellt Donald Trumps juristisches Team vor eine große Herausforderung. Timothy Parlatore, ehemaliger Anwalt von Donald Trump, und William P. Barr, ehemaliger Justizminister, sagten am Wochenende im Fernsehen, dass die 37 Punkte umfassende Anklage gegen Trump und einen seiner Mitarbeiter sehr gründlich sei und eine ernsthafte Bedrohung für den ehemaligen Präsidenten darstelle. Barr beschrieb die Anklage als sehr detailliert und extrem belastend.
Die Verteidigung Trumps könne versuchen, einige Taktiken anzuwenden, die jedoch Nachteile mit sich brächten. So hatten Trumps Anwälte und Mitarbeiter monatelang behauptet, dass Trump nach dem "Presidential Records Act" Dokumente aus dem Weißen Haus mitnehmen könne - eine Darstellung, die das Gesetz falsch wiedergebe. Barr wies dieses Argument zurück und erklärte, dass es sich bei den Dokumenten um offizielle Dokumente der Regierung und nicht um persönliche Dokumente Trumps handele.
Es gibt auch Aufzeichnungen, die Trumps Behauptungen, er habe alle Dokumente freigegeben, widerlegen. In einer Tonaufnahme sagt Trump laut Anklage, dass er den Leuten auf seinem Golfplatz einen "streng geheimen" militärischen Plan zeigen wollte, dies aber nicht konnte, weil er "geheim" war. Damit räumt er ein, dass das Dokument weiterhin als geheim eingestuft war.
Mögliche Gegenklage: Selektive Strafverfolgung
Als weiteren strategischen Schritt wird erwartet, dass Trumps Anwälte eine Klage wegen selektiver Strafverfolgung einreichen werden, während andere Politiker, deren Umgang mit geheimen Unterlagen ebenfalls Gegenstand von Ermittlungen war (Hillary Clinton und ihr privater E-Mail-Server ist hier gemeint), nicht angeklagt wurden.
Darüber hinaus haben Trumps Anwälte bereits einen Antrag auf Zugang zu allen Protokollen der Grand Jury gestellt, um nach Beispielen für einen Missbrauch der Grand Jury durch die Staatsanwaltschaft zu suchen.
US-Rechtsexperten gehen davon aus, dass Trumps Anwälte mehr Erfolg haben könnten, wenn sie die Löschung von Notizen beantragen, die ein Anwalt über Gespräche mit Trump über die Befolgung einer Vorladung angefertigt hat.
Langer Prozess erwartet
Selbst wenn keiner dieser Versuche, die Anklage zu entkräften, erfolgreich sein sollte, könnte sich ein Prozess lange hinziehen. Nämlich bis nach den Wahlen am 5. November 2024. Sollte Trump gewinnen, könnte sein neuer Justizminister das Verfahren einstellen oder er könnte sich selbst begnadigen. Vor den US-Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr rechnen daher nur wenige Experten mit einem Urteil.
Weitere juristische Herausforderungen und Reaktionen der Republikanischen Partei
Trump droht weiteres Ungemach. Im republikanisch dominierten US-Bundesstaat Georgia bahnt sich eine weitere Anklage an. Dabei geht es um Anstiftung zur Wahlfälschung, die Trump im Zusammenhang mit der letzten Präsidentschaftswahl vorgeworfen wird.
Innerhalb der republikanischen Partei gehen seine Rivalen im Vorwahlkampf vorsichtig mit der Situation um. Nikki Haley kritisierte Trump und bezeichnete sein Verhalten als rücksichtslos, sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten. Floridas Gouverneur Ron DeSantis hingegen verteidigte Trump, und Vivek Ramaswamy forderte andere Kandidaten auf, sich ihm anzuschließen und Trump zu begnadigen, sollte er in diesem Fall verurteilt werden.
Im Video: Trump plädiert in Dokumentenaffäre auf nicht schuldig
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