Istanbuls Bürgermeister Ekrem Imamoglu ist nach Angaben seines Büros nach einer Razzia in seinem Haus von der Polizei verhaftet worden. Örtliche Medien berichteten, die Verhaftung stehe im Zusammenhang mit einer Korruptionsuntersuchung. Imamoglu ist einer der wichtigsten politischen Gegner von Präsident Recep Tayyip Erdogan.
"Hunderte Polizisten erschienen vor meiner Tür", erklärte Imamoglu in einem bei X veröffentlichten Video (externer Link, Erklärung auf Türkisch). "Die Polizei stürmt mein Haus, klopft an meine Tür ... Ich habe Vertrauen in mein Volk", sagte er weiter. Zuvor waren Haftbefehle gegen den prominenten Rivalen von Erdogan sowie gegen 100 weitere Personen ergangen.
Vorwurf: Leitung einer kriminellen Organisation
Imamoglu werde der "Leitung einer kriminellen Organisation mit Absicht der Gewinnerzielung" beschuldigt, außerdem werde ihm die Unterstützung der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans PKK zur Last gelegt, berichteten örtliche Medien unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft. Hintergrund sei eine Kooperation zwischen seiner sozialdemokratischen CHP und der prokurdischen Partei DEM bei den Kommunalwahlen. Dabei hatten beide Parteien zusammengearbeitet, um in Gemeinden die Mehrheit zu gewinnen.
Am Dienstag hatte die Universität Istanbul den an der Hochschule erworbenen Abschluss Imamoglus aberkannt. Der wichtige Oppositionelle könnte damit von einer Kandidatur bei der nächsten Präsidentschaftswahl ausgeschlossen werden, für die ein Hochschuldiplom eine der Voraussetzungen ist.
Imamoglu gilt als mächtiger Rivale Erdogans
Auf Imamoglus Recht, das Bürgermeistermandat auszuüben, hat die Aberkennung des Abschlusses keine Konsequenzen. Der Politiker der linksnationalistischen CHP war im März 2024 als Stadtvater wiedergewählt worden. Imamoglu gilt zusammen mit dem CHP-Bürgermeister von Ankara, Mansur Yavas, als mächtigster Rivale Erdogans. Yavas hat seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahl 2028 bereits eingereicht.
Unter den jetzt Verhafteten war auch Imamoglus enger Vertrauter Murat Ongun. Dieser setzte noch während seiner Festsetzung einen Post auf der Online-Plattform X ab. "Sie denken, sie können uns zum Schweigen bringen und uns daran hindern, Ekrem Imamoglu zu verteidigen und zu unterstützen", erklärte er und rief das türkische Volk auf, den Bürgermeister zu beschützen.
Im Video: Einschätzungen von BR-Korrespondentin Katharina Willinger
BR-Korrespondentin Katharina Willinger
Straßensperren, Internet eingeschränkt
Die Behörden sperrten derweil mehrere Straßen rund um Istanbul und verhängten ein viertägiges Demonstrationsverbot, um augenscheinlich Proteste gegen die Verhaftungen zu unterbinden. Dennoch versammelten sich nach Imamoglus Festnahme rund hundert Menschen vor dem mit Zäunen abgesicherten Hauptquartier der Polizei in Istanbul und forderten den Rücktritt der Regierung. Nach der Festnahme von Imamoglu meldete die Internetbeobachtungsorganisation NetBlocks zudem, dass der Zugang zu mehreren Online-Plattformen in der Türkei eingeschränkt worden sei. Dazu zählten X, YouTube, Instagram und TikTok.
Absturz der Börse - Handel in Istanbul ausgesetzt
Nach Imamgoglus Festnahme wurde der Handel an der Börse in Istanbul am Mittwochmorgen zeitweise ausgesetzt. Der Leitindex war zuvor um fast sieben Prozent abgestürzt. Der Wert der türkischen Lira brach ebenfalls ein. Der Wechselkurs stieg auf 40 Lira für einen Dollar und 42 Lira für einen Euro. Zwischenzeitlich hatte er mit 44,7 Lira pro Euro den schwächsten Kurs jemals erreicht.
CHP-Chef spricht von Putschversuch
CHP-Chef Özgür Özel sprach von einem Putschversuch und einem entscheidenden Moment für die Zukunft der türkischen Demokratie. Das Volk solle daran gehindert werden, den nächsten Präsidenten selbst zu bestimmen. Er rief die 1,7 Millionen Partei-Mitglieder dazu auf, trotz der Verhaftung am Sonntag an der partei-internen Wahl des CHP-Spitzenkandidaten teilzunehmen.
Mit Material von AFP
Im Video: Türkischer Oppositionspolitiker Ekrem Imamoglu verhaftet
Die Polizei hat den prominenten türkischen Oppositionspolitiker Ekrem Imamoglu verhaftet.
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