Die Bundestagsdebatte am Donnerstag über den Taurus-Antrag der CDU/CSU hallt nach. Nicht nur wegen der erneuten Ablehnung von Taurus-Lieferungen an die Ukraine, sondern wegen des Wortbeitrages von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich. Er hatte angeregt, darüber nachzudenken, "wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann?"
- Die neuesten Nachrichten zum Ukraine-Krieg finden Sie hier
Kritik von Ampel-Partnern FDP und Grünen
Mützenichs Worte kamen selbst bei den eigenen Koalitionspartnern FDP und Grüne nicht gut an. Die Rede sei ein "Rückfall in die alte Russlandpolitik der Sozialdemokratie" gewesen, kritisierte Grünen-Chefin Ricarda Lang am Freitag im Sender "Welt" (Externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt). "Es ist klar, dass ein Einfrieren dieses Konfliktes am Ende zu unfassbarem Leid der vielen Menschen in diesen besetzten Territorien führen würde."
FDP-Chef Christian Lindner warf der SPD vor, das Thema für den Vorwahlkampf zu missbrauchen. Seine Parteikollegin, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, ging sogar noch weiter und drang auf eine rasche Erklärung des Bundeskanzlers. "Wenn Rolf Mützenich, der als Vorsitzender ja für die gesamte SPD-Fraktion spricht, ernsthaft ein Einfrieren des Ukraine-Kriegs fordert, rückt die Kanzlerpartei SPD offenkundig von der vereinbarten Zeitenwende ab."
Gegenwind von CDU: "Äußerungen innenpolitisch motiviert"
Die Opposition vermutet innenpolitisches Kalkül hinter Mützenichs Äußerung: "Herrn Mützenichs komplette Rede hat gezeigt, dass die Sicherheits- und Verteidigungspolitik dieses Landes gerade parteipolitischen Interessen geopfert wird", so die CDU-Verteidigungspolitikerin Serap Güler gegenüber der "Kölnischen Rundschau" (Externer Link, möglicherweise Bezahlinhalt) .
Der CDU-Politiker Norbert Röttgen schrieb auf der Plattform X (ehemals Twitter) zu Mützenichs Gedankenspiel: "Das klingt so harmlos, aber es wäre das Zugestehen schlimmster Verbrechen, die Russland in den besetzten Gebieten begeht. Als Vorschlag des SPD-FV #Mützenich ist das die traurige Sensation der Woche". Und CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter glaubt, dass Mützenichs Vorstoß ein "Versuchsballon" zur Positionierung der SPD gewesen ist.
Unterstützung von SPD-Chefs Esken und Klingbeil
SPD-Chefin Saskia Esken hingegen nahm ihren Parteikollegen in Schutz und unterstrich, dass Mützenich und andere in der SPD zu einer uneingeschränkten Unterstützung der Ukraine stünden. "Und dass wir natürlich auch die Sehnsucht nach Frieden, die insbesondere Ukrainerinnen und Ukrainer hegen, teilen." Die SPD appelliere immer wieder auch an den russischen Präsidenten, zu Verhandlungen zurückzukehren und gemeinsam darüber zu sprechen, wie ein Frieden möglich sei. "Alleine die Bereitschaft auf russischer Seite ist nicht vorhanden und solange wird es notwendig sein, dass die Ukraine sich verteidigt", bedauerte Esken.
Eskens Co-Vorsitzender Lars Klingbeil ergänzte, dass natürlich auch über die Frage diskutiert werden müsse, wie Frieden erreicht werden könne. Wer aber Mützenichs Worte in Verbindung damit bringe, dass die SPD, der Kanzler oder die SPD-Fraktion von der Ukraine abrücken würden, der habe Mützenichs Rede bewusst missinterpretiert oder wolle sie missinterpretieren.
Mützenich verteidigt sich
Mützenich selbst wies die Kritik zurück. Er habe sich in seiner Rede "klar für die Unterstützung der Ukraine, auch mit Waffen und Munition, ausgesprochen", sagte er der "Rheinischen Post". Darüber hinaus habe er, wie viele vor ihm, "angeregt, nicht nur über Militärhilfen, sondern auch über die Bedingungen für ein mögliches Kriegsende nachzudenken". Er rede "keinesfalls einer Preisgabe der völkerrechtswidrig besetzten Gebiete im Osten der Ukraine und der Krim das Wort" so der SPD-Fraktionschef. "Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen."
Über einen Waffenstillstand und ein Einfrieren der Kämpfe könne nur die ukrainische Regierung entscheiden. "Dies enthebt uns nicht von der Verantwortung, auch über Wege und Perspektiven für die Zeit nach dem Ende des Krieges nachzudenken." Er verwies darauf, dass weltweit viele territoriale Konflikte "eingefroren" seien und nannte als Beispiele Zypern, Südossetien, Transnistrien und Korea.
Umstrittene Äußerungen bei Bundestagsdebatte über Taurus-Antrag
Rolf Mützenich hatte in der Bundestagsdebatte über den Taurus-Antrag der CDU/CSU auf die umfangreiche deutsche Unterstützung hingewiesen. Zugleich sagte er, es müsse damit umgegangen werden, dass viele Länder außerhalb Europas einen anderen Blick auf diesen Krieg hätten. Daher müsse die Frage gestellt werden, "wie wir diese Länder überzeugen können, uns in Europa stärker von dieser Kriegsfessel auch zu befreien". Er sagte wörtlich: "Ist es nicht an der Zeit, dass wir nicht nur darüber reden, wie man einen Krieg führt, sondern auch darüber nachdenken, wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann?" Gehe es "nicht auch politisch um diese Fragen?"
Mit Material von dpa und AFP
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!