In Dubai hat die diesjährige Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen (COP28) begonnen. Zwei Wochen lang beraten rund 200 Staaten in dem Golfemirat über die Eindämmung der Klimakrise. Erwartet werden rund 70.000 Teilnehmer - das Treffen ist damit die größte Klimakonferenz, die es je gab. Größter Streitpunkt ist, ob am Ende einstimmig ein Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas vereinbart werden kann.
Klimaschäden-Fonds ist jetzt arbeitsfähig
Zum Auftakt der Konferenz beschlossen die Teilnehmer formell die Einrichtung eines Katastrophen-Fonds (Loss and Damage Fund), aus dem Folgeschäden des Klimawandels in armen Ländern wie Überschwemmungen oder Dürren mit internationalen Mitteln kompensiert werden sollen. Grundsätzlich wurde dieser Fonds schon beim Klimagipfel in Ägypten vor einem Jahr in die Wege geleitet, seine finale Einrichtung stand jedoch noch aus, erst jetzt der Fonds arbeitsfähig.
Mehrere Industriestaaten kündigten Einzahlungen in den Fonds an, von Deutschland kommen ebenso wie aus den Vereinigten Arabischen Emiraten 100 Millionen US-Dollar (umgerechnet etwa 91 Millionen Euro), wie Entwicklungsministerin Svenja Schulze vor Ort bestätigte. Die USA geben 17,5 Millionen, Großbritannien 60 Millionen Dollar.
Schulze: Start des Fonds ist "wichtige Weichenstellung"
"Die Weltklimakonferenz in Dubai beginnt mit einem Erfolg und einer wichtigen Weichenstellung", erklärte Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) zur Einrichtung des Fonds. Sie sprach von einer "bahnbrechenden Entscheidung für die Verwundbarsten" und einer "wichtigen Weichenstellung", weil erstmals nicht nur die "klassischen Geberländer", sondern auch weitere Staaten sich beteiligten. Auch viele frühere Entwicklungsländer könnten es sich "inzwischen leisten, ihren Teil der Verantwortung für die weltweiten Klimaschäden zu tragen", betonte Schulze. Deutschland wolle sich hier "als Brückenbauer engagieren" - ein Beispiel dafür sei Klimaschäden-Fonds.
Mit ihrer Finanzzusage für den neuen Fonds erntete die Bundesregierung Lob bei Entwicklungsorganisationen. "Sehr gut. So beginnt man eine Weltklimakonferenz!", erklärte etwa der Klima-Experte von Oxfam, Jan Kowalzig. Er stellte allerdings auch klar, dass dies nur ein Anfang sei. Mittelfristig werde es für die von der Erderwärmung verursachten Schäden "Jahr für Jahr Hunderte Milliarden brauchen", Deutschland solle daher so schnell wie möglich eine Milliarde Euro zusagen.
Guterres warnt vor einer "totalen Katastrophe"
Hauptziel des Klimagipfels bleibt allerdings, sich auf Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels zu verständigen. UN-Generalsekretär António Guterres rief die Teilnehmer zu einem Ausstieg aus fossilen Brennstoffen auf. "Natürlich bin ich sehr für einen Text, der den Ausstieg beinhaltet", sagte Guterres vor dem Abflug nach Dubai. Er warnte vor einer "totalen Katastrophe", wenn die Menschheit ihren derzeitigen Kurs beibehalte. Er räumte jedoch ein, dass Länder nicht von heute auf morgen aufhören könnten, fossile Brennstoffe zu nutzen.
Auch der Chef des UN-Klimasekretariats UNFCCC, Simon Stiell, rief zu einer vollständigen Abkehr von fossilen Energieträgern auf. "Wenn wir uns nicht zum endgültigen Abschied von der uns vertrauten Ära der fossilen Brennstoffe bekennen, rufen wir zu unserem eigenen finalen Niedergang auf", sagte Stiell in der Eröffnungssitzung der UN-Klimakonferenz, "und wir spielen mit dem Leben von Menschen".
Er verwies auf "schreckliche Rekorde" bei der Hitze, die durch die Erderwärmung vielerorts bereits verursacht würden. Alle Staaten müssten daher ihre Klimaziele nachbessern. Alle Beteiligten seien dies vor allem der jungen Generation schuldig: "Die jungen Menschen erwarten von uns, dass wir unsere Verantwortung wahrnehmen."
"Kollaps des Klimas": 2023 wohl wärmstes Jahr seit Messbeginn
Auf Negativrekorde des Weltklimas verwies auf Generalsekretär Guterres. "Die Dinge entwickeln sich so schnell, dass wir schon einen ganzen Monat vor dem Ende des Jahres erklären können, dass 2023 das heißeste Jahr in der Geschichte der Menschheit war", sagte er in einer Videobotschaft zur Vorstellung des vorläufigen Berichts der Weltwetterorganisation WMO zum Weltklima. Die WMO bestätigte in dem Bericht, dass 2023 wohl das wärmste Jahr seit der Industrialisierung werde. Bis einschließlich Oktober habe die global gemittelte Temperatur 1,4 Grad über dem Schnitt der Jahre 1850 bis 1900 gelegen. Das bislang heißeste Jahr war 2016 mit plus 1,3 Grad gegenüber vorindustriellem Niveau.
"Wir erleben den Kollaps des Klimas in Echtzeit und die Folgen sind verheerend", erklärte Guterres dazu. Die hohen Temperaturen sollten den Politikern Schauer über den Rücken jagen. Guterres rief die mehr als 190 in Dubai versammelten Länder auf, dringend schärfere Klimaschutzmaßnahmen zu beschließen. Das schlimmste Klimachaos könne noch verhindert werden, wenn die Erwärmung auf 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau begrenzt werden könne.
Vereinbartes Klimaziel kaum zu erreichen
Im Kampf gegen die drohende Klimakatastrophe hinken die meisten Staaten jedoch hinterher. Das 2015 auf der Klimakonferenz in Paris vereinbarte Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, ist mit den aktuell geltenden Klimaschutzplänen nicht zu erreichen. Laut einem neuen UN-Bericht steuert die Welt vielmehr auf ein Plus von bis zu 2,9 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu. Schon jetzt hat sich die Erde um rund 1,1 Grad aufgeheizt, in Deutschland sind es neuesten Daten zufolge sogar 1,7 Grad.
"Wir sind nicht in der richtigen Spur", sagte die deutsche Klima-Sonderbeauftragte Jennifer Morgan angesichts der Prognosen. Ohne zusätzliche Anstrengungen werde das 1,5-Grad-Ziel verfehlt. Auch Morgan forderte ein "Auslaufen der Nutzung fossiler Energieträger".
Im Video: Klimakonferenz steht vor großen Aufgaben
Bundesregierung will aufs Tempo drücken
Am Vorabend des Starts der Weltklimakonferenz hatten vier Ministerinnen und Minister der Bundesregierung hohe Erwartungen an das Treffen formuliert. Die Bundesregierung setze sich in Dubai für "ehrgeizige Ziele" ein und erwarte ein Signal für "mehr Tempo, Solidarität und globale Partnerschaft", erklärten Bundesaußenministerin Baerbock, Bundeswirtschaftsminister Habeck, Umweltministerin Lemke (alle Grüne) und Entwicklungsministerin Schulze (SPD) in einer gemeinsamen Stellungnahme.
"Jetzt geht es darum, Tempo zu machen", mahnte Baerbock. Die Konferenz von Dubai sei "die wichtigste Weltklimakonferenz seit dem Übereinkommen von Paris". Die Bundesregierung arbeite bei der COP28 auf drei Beschlüsse hin, nämlich "die Verdreifachung der Erneuerbaren Energien bis 2030, eine Verdoppelung der Energieeffizienz und den schrittweisen Ausstieg aus fossilen Energien".
Habeck: Anteil erneuerbarer Energien verdreifachen
Klimaschutzminister Habeck wies auf den weltweit steigenden Anteil erneuerbarer Energien hin. "2023 erwarten wir einen neuen Ausbaurekord, getragen von Investitionen vor allem in China, Europa, Indien und den USA", erklärte er: "Diese Dynamik müssen wir noch stärker entfachen." In einer möglichst breiten Allianz müsse der Zubau bis 2030 verdreifacht werden, forderte er.
Umweltministerin Lemke verwies auf die "Dreifachkrise aus Klimawandel, Artenaussterben und Umweltverschmutzung". Von der Weltklimakonferenz COP28 müsse deshalb "das klare Signal ausgehen, dass wir Lösungsansätze verfolgen, die alle drei Bereiche gleichermaßen im Blick haben". Wenn es nicht gelinge, "schnelle tiefgreifende Veränderungen anzustoßen, wird sich das Leben auf der Erde dramatisch wandeln, auch unser Leben", warnte sie.
Furcht vor staatlicher Überwachung der Teilnehmer
Geleitet wird die UN-Klimakonferenz von Sultan Ahmed al-Dschaber, zugleich Chef des staatlichen Ölkonzerns Adnoc. Viele Umweltschützer prangerten dies zuletzt als unüberbrückbaren Interessenkonflikt an, einige forderten seine Ablösung als COP28-Präsident. Klimaaktivisten und Nichtregierungsorganisationen befürchten, dass sie in den autoritär regierten Vereinigten Arabischen Emiraten stark überwacht werden. Demonstrationen sind nur auf dem Konferenzgelände am Stadtrand erlaubt.
Kanzler Scholz kommt zum Startschuss für Klimaclub
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nimmt zusammen mit weiteren 170 Staats- und Regierungschefs ab Freitag an der Weltklimakonferenz teil. Dabei wird er zusammen mit Chile den formalen Startschuss für den sogenannten Klimaclub geben, den die G7 auf Initiative von Scholz gegründet hatten. Dieser hat mittlerweile 33 Mitglieder.
Die Gruppe befasst sich vor allem mit Industriepolitik und will sich darüber austauschen, wie in dem Sektor klimaschädliche Treibhausgase eingespart werden können. Dabei geht es um die Entwicklung von Standards und Definitionen "grüner" Industrieprodukte und Grundstoffe - etwa Stahl und Zement. Dies soll auch dazu beitragen, die Klimaschutzanstrengungen verschiedener Staaten miteinander vergleichbar zu machen. Dies gilt als wichtig, um Handelskonflikte zwischen Staaten mit mehr und weniger strikten Klimaschutzauflagen für ihre Wirtschaft zu vermeiden.
Mit Informationen von AFP und dpa
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