Deutsche Hersteller von Elektrobussen sehen sich Kritik ausgesetzt. Laut Verkehrsexperte Daniel Rieger vom Naturschutzbund (NABU) wurde in Deutschland die Verkehrswende im ÖPNV-Bereich lange Zeit verschlafen. In den vergangenen Jahren habe stattdessen China Maßstäbe beim Elektrobus gesetzt. Aufgrund industriepolitischer Interessen werde beim Elektrobus aber vor allem auf deutsche Anbieter gesetzt, dort hätten die beiden Marktführer, die Daimler-Tochter Evobus und der Münchner Konzern MAN aber lange Zeit kaum etwas anzubieten gehabt. Auch beim Verband Deutscher Verkehrsunternehmen sieht man die Leistung der Hersteller kritisch.
"Dass Elektrobusse noch nicht in den erforderlichen Stückzahlen produziert werden, liegt auch an den deutschen Herstellern." Lars Wagner, Sprecher Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV)
Evobus habe gerade erst mit der Produktion der Fahrzeuge begonnen, die ersten MAN-Modelle kämen erst 2020 auf den Markt. "Wenn Sie jetzt 200 Busse bestellen wollen, dann ist die Lieferfrist fünf, sechs Jahre", sagt Wagner. Das passe mit den EU-Vorgaben schlichtweg nicht zusammen. Elektrobusse vom Marktführer China erfüllten die hiesigen Qualitätsansprüche allerdings nicht. Von Betreibern ist zu hören, dass die Busse weder zu den Komfort-Ansprüchen, noch zu klimatischen Bedingungen Bayerns (von sehr kalt bis sehr heiß) passten.
Daimler fährt Produktion hoch – MAN löst Handbremse
Daimler hingegen verweist auf die bislang geringe Nachfrage bei Elektrobussen. Erste Bestellungen und Großaufträge gebe es aber bereits, von der Hamburger Hochbahn AG, der Berliner Verkehrsbetriebe BVG und von Rhein-Neckar-Verkehr – sowie aus dem Ausland (Schweden, Norwegen und Luxemburg). Über andere Aufträge könnten derzeit keine Aussagen gemacht werden, das habe man mit den Kunden so vereinbart, heißt es aus der Unternehmenskommunikation. Derzeit befände man sich "im Hochlauf der Produktion", das Bus-Werk in Mannheim sei lieferfähig.
Während die ersten Daimler-E-Busse schon im Linienbetrieb sind, beginnt MAN erst Ende 2019 mit der Auslieferung. Dann sollen laut Konzernkommunikation erste Demo-Fahrzeuge an ausgewählte Kunden geliefert werden. Die Serienfertigung beginne erst im nächsten Jahr, ein erster Großauftrag für 17 Busse sei von den Verkehrsbetrieben Hamburg-Holstein (VHH) eingegangen.
"Um einen reibungslosen Anlauf zu gewährleisten, ist der Anlauf sanft gestaltet, so dass 50 Fahrzeuge bereits Anfang 2021 zu Verfügung stehen werden." Stefan Klatt, Head of Corporate Communications MAN Truck & Bus SE
Die Preise der beiden Marktführer sind ähnlich. Die Devise: Doppelt so teuer wie ein Diesel muss ein Elektrobus schon sein. Dafür gebe es laut Daimler klare technische und kaufmännische Ursachen: die Batterien und deren Kühlung sowie das Thermomanagement. Die Schwaben geben fünf Jahre Garantie auf die Batterien. Bei MAN geht man von sechs Jahren Nutzungsdauer aus. Bei beiden liegt die Laufleistung je nach Modell bei mindestens 200 Kilometern pro Tag.
Erfahrungswerte gibt es kaum. "Wie die Akkus im Dauerbetrieb performen werden, das weiß niemand. Bis eine zufriedenstellende Zuverlässigkeit erreicht werden kann, das kann noch Jahre dauern", sagte VDV-Sprecher Wagner. Auch beim NABU wird die Haltbarkeit der Batteriepacks kritisch gesehen. Aber wenn die Technik bei den Elektrobussen nicht ausgereift ist – gibt es nicht doch bessere Ideen zur Emissionssenkung im Nahverkehr?
Bio-Erdgas ist auf Dauer keine Lösung
Die Stadtwerke Augsburg setzen auf Bio-Erdgas und auch die Nürnberger VAG streben für ihre 80 gasbetriebenen Busse jedes Jahr reine Bio-Erdgas-Nutzung an. Für den Verkehrsexperten Daniel Rieger vom Naturschutzbund (NABU) sind Erdgas-betriebene Busse aber keine Lösung. Auch wenn die Stickoxide damit gesenkt würden, für das Klima ergäben sich keine Vorteile. Die einzige Ausnahme beim Gas sei synthetisches Biogas, das mit Hilfe von Strom hergestellt würde. Recherchen zu Befürwortern von Bio-Gas gibt es hier.
Verkehrsexperten einig: Oberleitungsbusse am energieeffizientesten
Laut NABU-Experte Rieger ist von den aktuellen Betriebsarten der Oberleitungsbus am energie- und kosteneffizientesten. In Deutschland gibt es nur drei Städte mit O-Bus-Linien: Eberswalde, Esslingen und Solingen.
Der Blick zu unseren Nachbarn nach Salzburg zeigt: In der 152.000-Einwohner-Stadt verkehren ausschließlich O-Busse. Die 112 von der Salzburg-AG betriebenen Fahrzeuge laufen ausschließlich mit Strom aus erneuerbaren Quellen. Die Ticketpreise seien dabei übrigens in keiner Weise an die Energiekosten gekoppelt, sondern ausschließlich an die tarifliche Inflation, teilte das Unternehmen Salzburg AG mit.
Auch für Lars Mönch, Fachgebietsleiter für technische Fragen des Umweltschutzes und Verkehr beim Umweltbundesamt (UBA), sind Oberleitungsbusse der effizienteste Weg im Nahverkehr. Städte scheuten aber den Aufbau der Oberleitungsinfrastruktur. Was die Nachhaltigkeit anginge, wären O-Busse jedoch unschlagbar. Letztlich sei es eine Frage der Kommunalpolitik.
Die Frage nach Oberleitungsbussen hätte bis vor drei, vier Jahren keiner gestellt, meinte VDV-Sprecher Wagner. Die Leitungen seien in der Instandhaltung und in der Anschaffung teuer. Es sei aber auch ein emotionales Thema: "Wenn Sie in einer Stadt leben, in der so etwas angeschafft werden soll, da haben sie Bürgerinitiativen an jeder Straße", sagte Wagner.
Einen Kompromiss demonstriert derzeit ein Pilotprojekt im nordrhein-westfälischen Solingen: Ein Elektrohybridbus, der an den bestehenden Oberleitungen auflädt und beim Verlassen des Oberleitungsnetzes mit Batteriestrom fährt und zusätzlich durch Rückgewinnung beim Bremsen Energie sammelt. Ein Hybrid aus Oberleitung und Batterie also.
Darüber hinaus ist auch der Wasserstoffantrieb emissionsfrei und als Alternative zu Diesel und Co. denkbar. Der Brennstoffzelle widmete sich der #Faktenfuchs bereits.
Emissionssenkung durch Elektrobusse maximal im kleinen Stil
Busse spielen bei der Emission von Stickoxiden übrigens nur eine kleine Rolle. Im Jahr 2017 lagen die durch Busse ausgestoßenen Stickoxide laut UBA bei nur 4 Prozent des gesamten Straßenverkehrs – zum Vergleich: Diesel-Pkw waren 2017 für 55,9 Prozent verantwortlich, Lkw über 3,5 Tonnen für 21,6 Prozent der Emissionen. Das liegt auch daran, dass mit Diesel betriebene Lkw und Busse durch die Euro-6-Norm viel weniger Emissionen ausstoßen als früher.
Dennoch sind die Busse aus dem Nahverkehr für viele Städte und Kommunen eine Möglichkeit, selbstständig bei der Reduzierung der Emissionen tätig zu werden. Deshalb die Vorgaben der EU, deshalb die Förderungen durch Bund und Freistaat. Dieselfahrverbote sind komplizierter durchzusetzen.
Fazit:
Wie sich die Elektrobusse für den jahrelangen Linienbetrieb eignen, dazu gibt es derzeit noch keine verlässlichen Erfahrungen. Die deutschen Hersteller fahren die Serienproduktion gerade erst hoch. Für Alternativen zu Elektrobussen fehlt weitestgehend noch der politische Wille. Überschaubar ist, wie viele Stickoxid-Emissionen im Nahverkehr tatsächlich eingespart werden können.
Die EU will es, die Bundesregierung fördert: Ein Faktenfuchs über die Energiewende im Öffentlichen Nahverkehr und den Stand des Umstiegs in bayerischen Städten.
Am Ende könnte der Fahrgast den Umstieg auf die E-Mobilität bezahlen. Und die könnte sogar noch teuer werden, als gedacht. Darum geht’s in diesem Faktenfuchs.
Hier gibt es einen vollständigen Überblick über alle Antriebsarten.
💡 Was sind Stickoxide?
Sammelbezeichnung für verschiedene gasförmige Verbindungen, die aus den Atomen Stickstoff (N) und Sauerstoff (O) aufgebaut sind. Vereinfacht werden nur die beiden wichtigsten Verbindungen Stickstoffmonoxid (NO) und Stickstoffdioxid (NO2) dazu gezählt.
Stickoxide gehören zu den so genannten reaktiven Stickstoffverbindungen, die zu einer Vielzahl von negativen Folgen für die Gesundheit und Umwelt führen können. Stickoxide tragen zudem zur Feinstaubbelastung bei.