Die Debatte ist gerade in die zweite Stunde gegangen, da greift der Kanzler zum Wasserglas. Und dann gleich nochmal. Mürrisch schaut Olaf Scholz Richtung Plenum, als sein früherer Finanzminister das Wort ergreift. "Deutschland befindet sich in einer sich zuspitzenden Wirtschaftskrise", stellt FDP-Chef Christian Lindner fest. Doch Scholz habe dies lange geleugnet. "Deshalb hat er kein Vertrauen mehr verdient."
Attacken auf die FDP
Da ist es, das große Wort dieses Tages. Ausgesprochen von einem, dessen eigene Vertrauenswürdigkeit mit Blick auf das "D-Day"-Papier aus der FDP-Zentrale von manchen angezweifelt wird. Allen voran von Scholz selbst. Der Kanzler eröffnet die Debatte zur Vertrauensfrage mit den Worten, Politik sei kein Spiel: "Dafür braucht es die nötige sittliche Reife." Ein Seitenhieb auf Lindner, der Scholz Beifall aus den eigenen Reihen einbringt.
Scholz wirft FDP im Rückblick "Sabotage" vor
Dessen ungeachtet findet es Scholz richtig, das Ampelbündnis einst geschmiedet zu haben. Er verteidigt aber auch den Beschluss, die Koalition nun beendet zu haben – nach wochenlanger "Sabotage" durch die FDP. Kritiker werten das besagte Strategiepapier als Beleg dafür, dass die Liberalen den Ausstieg lange vor dem tatsächlichen Bruch beschlossen hätten. Die FDP bestreitet das.
Streit über Schuldenbremse
Der Kanzler nennt noch einen zweiten Grund fürs Ampel-Aus: die Frage nach dem Umfang staatlicher Investitionen. Nach dieser Lesart hat letztlich der Streit über die Schuldenbremse dem Dreierbündnis den Garaus gemacht. SPD und Grüne wollten und wollen mehr Schulden ermöglichen, beispielsweise für Bundeswehr und Infrastruktur. Die FDP war und ist dagegen.
SPD will höheren Mindestlohn
Dann zählt Scholz die Dinge auf, mit denen seine SPD im Wahlkampf punkten will: etwa mit der Forderung nach einem höheren Mindestlohn und stabilen Renten sowie mit einem Nein zur Taurus-Lieferung an die Ukraine. Dass Scholz immer wieder auf die Marschflugkörper zu sprechen kommt, liegt zum einen am Risiko, das er in einer Lieferung sieht. Zum anderen kann er sich in diesem Punkt auf eine verbreitete Skepsis in der Bevölkerung berufen.
Merz nimmt Lindner in Schutz
Das wiederum ist ein Problem für Friedrich Merz, der dem angegriffenen Land den Taurus unter Umständen zur Verfügung stellen würde. An diesem Montag aber setzt der Chef der CDU/CSU-Fraktion andere Akzente. Beherzt springt Merz dem FDP-Chef bei: Die Scholz-Attacken auf Lindner seien "respektlos" und eine "blanke Unverschämtheit".
Merz fordert mehr Einsatz für Wettbewerbsfähigkeit
Dass es auch in der Sache große Schnittmengen gibt, zeigt sich beim dominierenden Thema dieser Debatte: Merz lastet der Ampel die gegenwärtige Wirtschaftskrise an und kritisiert, Scholz habe kein einziges Mal das Wort "Wettbewerbsfähigkeit" in den Mund genommen. Dafür bekommt er lauten Applaus von Union und FDP.
CSU verlangt Fahrplan für Rückkehr von Syrern
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt kritisiert, dass Scholz diesmal das Thema ungeregelte Einwanderung ausgelassen habe. Dabei sei es zwingend, jetzt über einen Fahrplan für eine Rückkehr von Syrern in ihre Heimat zu sprechen – etwa im Fall von Straftätern.
Kritik an Scholz auch von AfD, Linke und BSW
Auch die AfD warnt in der Debatte vor den Folgen ungeregelter Migration – sowohl für die Sicherheit in Deutschland als auch für die Sozialsysteme. Linke und BSW kritisieren unter anderem, dass die Ampel nichts gegen die steigenden Lebenshaltungskosten unternommen habe.
Grüne warnen Europa vor Selbstbeschäftigung
Am späten Nachmittag stimmt der Bundestag über den Antrag von Scholz ab – und entzieht ihm mehrheitlich das Vertrauen. Ein Grund zur Erleichterung? Nein, findet Wirtschaftsminister Robert Habeck. Der Grünenpolitiker erinnert an Regierungskrisen auch in anderen EU-Ländern. Die Welt drumherum stehe aber nicht still. "Und es ist kein guter Zustand, dass sich Europa weitgehend mit sich selbst beschäftigt", so Habeck. Mit der Bundestagsentscheidung ist der Weg für eine Neuwahl noch im Winter frei. Eine neue Regierung dürfte aber erst stehen, wenn die Bäume wieder Blätter tragen.
Im Video: Scholz verliert Vertrauensabstimmung
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