Einkaufs-Aktion bei Penny: Und was jetzt?
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Preisschilder im Kühlregal bei Penny weisen auf Einkaufs-Aktion hin.

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Viel diskutiertes Penny-Projekt: Wie geht es jetzt weiter?

Viel diskutiertes Penny-Projekt: Wie geht es jetzt weiter?

Die "wahren Preise" bei Penny: Sie sorgten für hitzige Diskussionen. Mittlerweile ist die Kampagne beendet. Aber was passiert jetzt mit den gesammelten Daten? Bis eine wissenschaftliche Auswertung vorliegt, dürfte es noch Monate dauern.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Beim Discounter Penny wurden in der ersten Augustwoche neun ausgewählte Lebensmittel speziell ausgezeichnet - im Rahmen eines wissenschaftlichen Projektes. Die sogenannten "wahren" Kosten sollten auch Folgekosten der Produktion berücksichtigen, die von den Kunden an der Kasse normalerweise nicht bezahlt werden. Und zwar für die Bereiche Umwelt, Wasser, Boden und Gesundheit.

Die Folge: Teils drastische Preissteigerungen bei je vier Bioprodukten, vier konventionell hergestellten Lebensmitteln, wie Mozzarella oder Joghurt, sowie einem veganen Schnitzel. Käsescheiben verteuerten sich dadurch um bis zu 88 Prozent, die Wiener Würstel kosteten fast doppelt so viel.

Überrascht von der medialen Resonanz

Fünf Einkaufstage und Dutzende Interviews später ist Tobias Gaugler von der Technischen Hochschule Nürnberg immer noch sichtlich geplättet. Mit dieser großen Resonanz hatte der Professor bei der Vorbereitung des Einkaufsprojektes nicht gerechnet. Für ihn aber ein Zeichen, dass Wissenschaft den gesellschaftlichen Nerv treffen kann.

"Das ist vielleicht jetzt nicht unbedingt wissenschaftlich, im engeren Sinne, aber die vielen Gespräche, die sicherlich in ganz Deutschland geführt wurden, zeigen einfach, dass das Thema von Relevanz ist", so Gaugler, "und wir haben gemerkt, dass wir mit unseren Forschungsinhalten auch in der Gesellschaft anschlussfähig sind. Das war, glaube ich, eine der wichtigsten Erkenntnisse."

Erste Ergebnisse Anfang 2024

Konkrete Zahlen gibt es vom Discounter Penny, der zur Rewe-Handelsgruppe gehört, noch nicht. Der Discounter plant, zu Beginn des nächsten Jahres über die Ergebnisse seiner viel beachteten "Wahre-Kosten-Aktion" zu informieren. Das Unternehmen beschloss, gemeinsam mit den Wissenschaftlern der Technischen Hochschule Nürnberg und der Universität Greifswald, vorläufig keine Zwischenbilanz der Produktdaten und Umsatzauswirkungen zu veröffentlichen.

Penny rechnete aber schon im Vorfeld mit einem einstelligen Millionenverlust im Zuge der Einkaufsaktion. Nur wegen neun extra ausgezeichneter Lebensmittel - von insgesamt über 3.000 Artikeln im Sortiment.

Der Schwarze Peter wird weitergereicht

Dass es gerade im Lebensmittelsektor nicht gerade fair zugeht, ist allen Beteiligten bewusst. Wissenschaftler Gaugler beobachtete in den teils aufgeladenen, hitzigen Diskussionen das typische Schwarze-Peter-Spiel: "Das heißt, der Landwirt - und das verstehe ich - sagt mit Recht, dass der Discounter seinem Image nahekommt, und dass die Preise zu niedrig sind. Ich verstehe auch den Penny oder auch andere Discounter, die sagen, wenn wir höhere Preise verlangen, ist der Kunde nicht gewillt, sie zu bezahlen. Naja, der Kunde sagt, blöde Kampagne oder komische Wissenschaftler. Da geht der Schwarze Peter um."

Ziel der Forschung ist es, mit einer fundierten Datengrundlage diese Strukturen aufzubrechen. Die gesammelten Verkaufsdaten, Reaktionen und Erfahrungen aus qualitativen Umfragen sollen nun anonymisiert in eine Studie der beiden Hochschulen einfließen. Diese Studie wird voraussichtlich Anfang 2024 veröffentlicht werden. Die Ergebnisse sollen dazu dienen, Handlungsoptionen für nachhaltigere Lebensmittel zu entwickeln und die Kosten für Umweltauswirkungen zu reduzieren. "Um zu sehen, ob vielleicht der Preis einfach nicht der einzige Hebel ist, den man sinnvollerweise betätigen sollte, um solche politischen Diskurse auch anzufassen", sagt Wirtschaftsingenieurin Amelie Michalke von der Universität Greifswald.

Kritik an Auswahl der "Wahrer-Preis"-Produkte

Nicht nur der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) kritisierte vor allem die Auswahl der Produkte. Bis auf die veganen Schnitzel handelt es sich durchweg um tierische Lebensmittel. Durch die vorgelagerte Futtermittelproduktion wirken sich hier Umweltfolgekosten immer stärker aus. Der Teuerungseffekt fällt bei einem Mozzarella - ob Bio oder konventionell - natürlich drastischer aus als bei einer Tomate oder Gurke.

Auch die Wissenschaftler hätten gern für eine breite Palette von Produkten die wahren Preise berechnet, einschließlich verschiedener pflanzlicher Optionen. "Ich kann verstehen, dass man kritisiert, dass diese Auswahl getroffen wurde, die vor allem von Penny intern auch getroffen wurde", sagt Michalke, "aber die Message wäre keine andere gewesen."

Kurswechsel unausweichlich?

Eines ist bei der Diskussion um die "wahren Preise" auch deutlich geworden: Fast alle Player sind mit dem vorherrschenden System im Lebensmittelbereich unzufrieden. Vor allem aber die Landwirte und die Verbraucher, als letztes Glied in der Kette.

Wirtschaftsingenieurin Michalke würde sich daher eine kluge politische Steuerung und mittelfristig auch Veränderungen auf Grundlage ihrer Forschungsdaten, sehr wünschen: "Um es fairer zu machen für alle. So wie es gerade läuft, ist es grundsätzlich nicht nachhaltig. Also weder für die Umwelt noch für die Menschen, die diese Produkte konsumieren, noch die Landwirte, die dieses Essen mit Schwerstarbeit produzieren und um jeden Cent kämpfen müssen."

Mehreinnahmen werden gespendet

Die Mehreinnahmen der neun Produkte - also die Differenz zwischen normalem Verkaufs- und dem "Wahre Kosten"-Preis aller verkauften Produkte - spendet Penny übrigens, wie versprochen, an das Projekt "Zukunftsbauer" für mehr Klimaschutz und den Erhalt familiengeführter Bauernhöfe im Alpenraum. Zuzüglich einer Spende des Discounters sind das immerhin 375.000 Euro.

  • Zum Artikel: Teure Lebensmittel: Hat Bio noch eine Zukunft?

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