Es ist bereits der dritte Sommer während der Corona-Pandemie. Anders als in den beiden Vorjahren tritt der Sommereffekt allerdings weniger ein. Hohe Temperaturen, viel Sonnenlicht, Treffen vor allem draußen in frischer Luft – eigentlich galten diese Faktoren als Garanten dafür, dass das Virus sich weniger stark verbreitet. Diesmal aber machen uns hochansteckende Varianten einen Strich durch die Rechnung.
- Zum Artikel: "Lauterbach zur Sommerwelle: Keine Panik, aber Vorsicht"
Omikron-Variante BA.5 auf dem Vormarsch
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach spricht bereits von einer Sommerwelle. Die Zahlen des Robert-Koch-Instituts zeigen ein eindeutiges Bild: Die Fallzahlen in Deutschland steigen wieder. Ähnlich wie in Portugal, wo die hochansteckende Omikron-Variante BA.5 bereits vor einigen Wochen eine neue Welle verursacht hat.
Im Großraum München untersucht das Labor Becker Proben von PCR-Tests. Innerhalb von drei Wochen hat sich der Anteil von BA.5 von 15,3 auf 50,4 Prozent mehr als verdreifacht. Laborleiter Prof. Jürgen Durner fasst zusammen: "Wir beobachten eine steigende Tendenz." Diese lässt sich auch auf den Rest von Deutschland übertragen. Ende Mai, Anfang Juni hatte BA.5 laut Robert-Koch-Institut bereits einen Anteil von zehn Prozent an den Infektionen insgesamt. In seinem Wochenbericht vom 9. Juni rechnete das Institut bereits mit einem starken Anstieg.
- Zur Übersicht: "So entwickeln sich die Corona-Zahlen in Deutschland"
Bedeuten mehr Infektionen höheres Risiko?
Steigende Inzidenzen – und auch der Vormarsch der neuen Variante – sind für Florian Krammer, Mikrobiologe und Impfstoffexperte an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York, aber noch kein Grund, um Alarm zu schlagen: Es gebe momentan keine Anzeichen dafür, dass diese Varianten schwerere Erkrankungen hervorrufen würden.
Schwer erkrankt ist, medizinisch gesprochen, wer ins Krankenhaus und dort vielleicht beatmet werden muss – also schwere Verläufe bis hin zum Todesfall. Das heißt nicht, dass eine Omikron-Infektion für Betroffene harmlos ist. Auch wer mild erkrankt, ist oft ans Bett gefesselt, und viele kämpfen mit Langzeitfolgen. Zahlreiche Long-Covid-Patienten leiden insbesondere an Atembeschwerden und länger anhaltenden Erschöpfungssymptomen.
Schützt die Impfung noch?
Ein Grund, warum Corona sich jetzt wieder derart ausbreiten kann, liegt darin, dass das Virus so stark weiter mutiert ist. Impfungen, die auf die erste Virusvariante, den sogenannten Wildtyp oder Wuhan-Typ entwickelt wurden, schützen nicht mehr so gut wie früher. Vor allem die erste Immunantwort, die neutralisierenden Antikörper, die eine Infektion insgesamt verhindern können, erkennen die neuen Varianten nicht mehr präzise.
Deswegen komme es jetzt zu vielen Durchbruchsinfektionen, erklärt Mikrobiologe Florian Krammer: "Wenn es aber zu einer Infektion kommt, dann können andere Teile des Immunsystems einen schweren Verlauf abfangen. Und das funktioniert bei den Varianten noch." Das Immunsystem ist komplex und eine Impfung hilft ihm nach wie vor, sich auf Corona einzustellen und die Krankheit zu bekämpfen, selbst wenn man sich mit einer neuen Variante infiziert.
Vierte Impfung: Vor allem für ältere Menschen sinnvoll
Insbesondere ältere Menschen reagieren insgesamt oft weniger stark auf eine Impfung – ihr Immunsystem ist etwas langsamer und braucht häufiger eine Erinnerung an neue Keime. Deswegen sollten sich insbesondere ältere Menschen ab 70 und diejenigen, die Risikofaktoren haben, eine vierte Impfung, also einen zweiten Booster verabreichen lassen. So empfiehlt es auch die Ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut.
Die Virologin Ulrike Protzer von der Technischen Universität und dem Helmholtz-Zentrum in München erklärt: "Auch Menschen, die zum Beispiel Organtransplantationen, Nierentransplantationen durchgemacht haben, die an der Dialyse sind: Da bringt die vierte Impfung wirklich was, da gibt es inzwischen auch gute Daten."
Bei gesunden, jungen Menschen hat das Immunsystem in der Regel aber auf die dritte Impfung so gut reagiert, dass eine vierte Impfung nicht mehr nötig ist. Studienergebnisse zeigen hier, dass auch nach einem vierten Piks kaum mehr Antikörper im Blut nachweisbar sind. Wirklich Schaden anrichten kann so eine zweite Booster-Impfung aber auch nicht. Solange die Pausen groß genug sind – mindestens drei Monate – kann das Immunsystem gut darauf reagieren.
- Zum Artikel "Wer braucht eine vierte Corona-Impfung?"
Wo in Bayern aktuell Impfungen möglich sind
- Erste Anlaufstelle für Schutzimpfungen gegen Covid-19 ist momentan die Hausärztin oder der Hausarzt.
- Auch viele Betriebe bieten Impfungen an. Dafür müssen Arbeitnehmer einen Termin bei der Betriebsärztin oder dem Betriebsarzt ausmachen.
- Es gibt auch Apotheken, die Impfungen anbieten. Diese lassen sich Online über den Apothekenmanager finden.
- Es ist auch immer noch möglich, sich über das Online-Registrierungssystem in einem nahe gelegenen Impfzentrum in Bayern anzumelden. Telefonisch geht das über die einheitliche Nummer 116 117.
- Manche Einkaufszentren bieten einen Impf-Service an. Seit März 2022 gibt es zum Beispiel im Franken-Center Nürnberg die Möglichkeit, sich ohne Termin impfen zu lassen. Seit Mai 2022 bietet auch das Olympia Einkaufszentrum (OEZ) in München diesen Service an.
- Es gibt auch Impfbusse: Die Malteser in Bayern haben beispielsweise an zwölf verschiedenen Standorten Impfbusse im Einsatz.
- Das Bayerische Gesundheitsministerium informiert, wo es aktuelle Impfmöglichkeiten gibt.
Warten auf Omikron-Impfstoff?
Manche Experten raten, auf einen angepassten Impfstoff zu warten, um sich im Herbst erneut impfen zu lassen. Moderna etwa hat vergangene Woche einen neuen Impfstoff, entwickelt auf die ursprüngliche Omikron-Variante BA.1, zur Zulassung vorgelegt. In einer Pressekonferenz teilte der Konzern jedoch mit, man könne noch nicht sagen, ob der angepasste Impfstoff einen dauerhafteren Immunschutz gegen Infektionen biete als der bisherige.
Florian Krammer fasst das Problem zusammen: Die Zulassung für einen Impfstoff dauert sehr lange – und bis dahin ist das Virus weiter mutiert. Der Impfstoffexperte wünscht sich deshalb einen vereinfachten Zulassungsprozess, ähnlich wie bei der Grippeimpfung: "Da braucht man keine klinischen Studien. Da müssen ein paar Dokumente bei den Zulassungsbehörden eingereicht werden und dann wird der angepasste Impfstoff eingesetzt."
Jetzt aber müssen alle neuen Impfstoffe, selbst wenn die Hersteller sie schnell anpassen können, durch den aufwendigen Zulassungsprozess – und wir haben nicht schnell eine passgenaue Impfung zur Verfügung, um auf neueste Varianten wie BA.5 reagieren zu können. Die gute Nachricht: Auch die bisherigen Impfstoffe schützen noch mehr als gut genug davor, schwer krank zu werden.
Aktuelle Impfstoffe machen beim zweiten Booster Sinn
Auch Moritz Pompl von der BR-Wissenschaftsredaktion, fasste den aktuellen Forschungsstand auf BR24 dahingehend zusammen, dass die aktuellen Vakzine einen guten Schutz gegen schwere Krankheitsverläufe bieten.
Dabei seien viele Immunologen der Meinung, dass ein zweiter Booster mit einem bisherigen Impfstoff sogar eine stärkere Immunantwort provozieren könne als eine vierte Impfung mit einem neuen, angepassten Impfstoff - von dem man außerdem nicht weiß, wann es ihn gibt.
Warten solle man mit einer vierten Impfung daher nicht - vorausgesetzt, der zeitliche Abstand zum 1. Booster ist schon groß genug und man gehört zu den Personengruppen, für die ein zweiter Booster empfohlen wird.
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