Die Zahlen und Zeichen verdichten sich: Die Gewinnerin des Bundestagwahlabends heißt wohl SPD. Zwar ist aufgrund zahlreicher Überhangmandate für die Union noch nicht völlig klar, ob die Nummer Zwei der vergangenen 16 Merkel-Jahre diesmal die Nase vorn hat – doch überzeugen die Sozialdemokraten um Olaf Scholz diesmal auch ehemalige Wählerinnen und Wähler fast aller im Bundestag vertretenen Parteien. Einzige Ausnahme: der erklärte Wunsch-Regierungspartner, die Grünen.
SPD: Erfolg mit der "Scholz-Raute"
Besonders viele Unionswähler der Wahl 2017 haben diesmal ihr Kreuz bei der SPD gemacht, nämlich 1.390.000. Und: auch wenn die SPD bei allen Altersgruppen Stimmen hinzugewonnen hat, so ist der Zuwachs bei den Über-65-Jährigen mit elf Prozent besonders deutlich. Besser als andere hat Spitzenkandidat Olaf Scholz mit seiner betont unaufgeregten Selbstdarstellung offenbar dem Wunsch vieler nach einer Erneuerung ohne harte Brüche entsprochen.
Grafik: Die Gewinne und Verluste der SPD
Die Grünen: Zugewinne aus allen Lagern
Als zweiter Sieger des Abends dürfen sich die Grünen fühlen. Auch wenn das Gesamtergebnis hinter manchen Erwartungen der letzten Monate zurückbleibt: Die Grünen haben per Saldo sämtlichen Konkurrenten Wählerstimmen abgejagt und auch eine Viertelmillion ehemalige Nichtwähler von ihrer Politik überzeugen können. Der größte Stimmenzuwachs kommt mit 830.000 von der Union.
Grafik: Die Zugewinne der Grünen aus allen Lagern
Auffällig auch: Besonders stark sind die Grünen bei den jüngeren Wählerinnen und Wählern, denen die Klimapolitik überdurchschnittlich am Herzen liegt.
Grafik: Wahlverhalten nach Altersgruppen
CDU verliert rund 2,7 Millionen Wählerinnen und Wähler
Eher bitter fällt die Analyse der Wählerwanderung für die Unionsparteien aus. CDU und CSU verlieren mit ihrem Spitzenkandidaten Armin Laschet rund 2,8 Millionen Wähler an die Bundestagskonkurrenz und können im Gegenzug nur 90.000 Wähler von den Rändern des politischen Spektrums hinzugewinnen. Weitere Wähler dürften von der Union zu den Freien Wähler weitergezogen sein, die bundesweit auf rund 1,8 Prozent kommen.
In Summe verliert die CDU stärker als die CSU, was nicht zuletzt an einer ungewohnten Schwäche in den östlichen Ländern liegt. Klar in Führung liegt die Union nur noch bei den Wählern über 70.
Grafik: Gewinn und Verlust der Union
Gemischte Bilanz bei FDP
Die Liberalen geben an SPD, Grüne und das Lager der Nichtwähler beinahe ebenso viele Wähler ab, wie sie von Union, der Linken und der AFD gewinnen können – am Ende immerhin mit einem kleinen Plus. Den relativ stärksten Zuspruch erhält die FDP in den jüngeren Altersgruppen.
Grafik: Gewinne und Verluste der FDP
Politische Ränder schrumpfen
Im Umkehrschluss heißt das: Die Linke, die noch nicht ganz sicher sein kann, ob sie im nächsten Bundestag vertreten sein wird, verliert an alle Konkurrenten, besonders die Grünen und die SPD – und besonders in den neuen Ländern. Linken-Spitzenkandidat Dietmar Bartsch kommentierte in der ARD: "Fakt ist, dass wir im Osten nicht mehr die Interessenvertretung sind und diese Frage müssen wir uns dann stellen."
Auch die AfD zählt trotz leichter Wählerwanderung von der Linkspartei zu den Verlierern der Wählerwanderung 2021. Dennoch zeigte sich Spitzenkandidatin Alice Weidel in der Berliner Runde "sehr zufrieden" mit dem Ergebnis. Zumindest in Sachsen und Thüringen, wo die AfD etliche Direktmandate gewinnt, hat sie Grund dazu.
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