In Deutschland kann jede und jeder frei wählen. Das geht in Deutschland per Briefwahl oder mit dem Gang ins Wahllokal. Aber wie genau es funktioniert, dass man zum Beispiel wirklich nur einmal abstimmen kann oder dass Wahlhelfer die Auszählung absichern - das dürfte für viele recht abstrakt bleiben.
Der #Faktenfuchs hat sich deshalb einige zentrale Sicherheitsvorkehrungen einer Wahl in Deutschland genau angeschaut.
Quick Facts zur Wahl
Stimmzettel: Ecken sind abgerundet oder gelocht – als Hilfe für Sehbehinderte
Bei den Bundestags- und Europawahlen sind alle Stimmzettel in der rechten oberen Ecke entweder abgeschnitten oder gelocht. "So können blinde und sehbehinderte Menschen eine Stimmzettelschablone richtig anlegen. Mithilfe der Schablone können sie den Inhalt des Stimmzettels mit den Fingern lesen und damit eigenständig und geheim wählen", schreibt eine Sprecherin der Bundeswahlleiterin dem #Faktenfuchs. "Dies lässt keinerlei Rückschlüsse auf das einzelne Wahlverhalten der Wählenden zu", heißt es auf der Webseite der Behörde.
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Wahlkabine: Bleistifte sind erlaubt
Als Schreibstifte in der Wahlkabine sind erlaubt:
Bleistifte (die nicht dokumentenecht sein müssen), Farbstifte, Kopierstifte, Tintenstifte, Kugelschreiber, Faserstifte, Filzstifte und ähnliche. Wer Bedenken hat, kann einen eigenen Stift mitbringen, etwa einen nicht radierbaren Kugelschreiber.
Zuständig dafür, dass die Menschen in Bayern sicher an der Bundestagswahl teilnehmen können und das Ergebnis richtig ermittelt wird, ist der bayerische Landeswahlleiter.
Hier erfahren Sie, welche Sicherungsmaßnahmen es für einen korrekten Ablauf der Bundestagswahl gibt und wie genau sie funktionieren.
Urnen müssen verschließbar sein, aber nicht versiegelt
Wahlurnen müssen laut bayerischer Landeswahlordnung verschließbar sein. Es gibt allerdings – anders als immer wieder behauptet wird – keine Vorgabe, dass zusätzlich ein Siegel oder eine Verplombung an der Wahlurne anzubringen ist. Hier gilt: Die Öffentlichkeit der Wahl und die gegenseitige Kontrolle während des gesamten Wahlvorgangs bietet Schutz vor Manipulation (dazu gleich mehr). Die Wahl ist gültig, auch wenn eine Urne nicht versiegelt ist.
Vorherige Briefwahl schließt Urnenwahl am Wahltag aus
Der Wahlschein (das ist nicht der Stimmzettel) und das Wählerverzeichnis sichern die Wahl gegen Manipulation. Einen Wahlschein für die Briefwahl kann jede wahlberechtigte Person bekommen, die in das Wählerverzeichnis eingetragen ist. Mit einem Wahlschein hat man das Recht, in jedem beliebigen Wahlraum des eigenen Wahlkreises die Stimme abzugeben.
Wenn Sie wahlberechtigt sind und einen Wahlschein beantragen, um zum Beispiel per Briefwahl zu wählen, wird das in Ihrer Gemeinde im Wählerverzeichnis eingetragen. Im Wählerverzeichnis gibt es eine Spalte für den Vermerk über die Stimmabgabe und dort wird dann "Wahlschein" oder "W" eingetragen. Umgangssprachlich ist das der Sperrvermerk. Sie können dann mit dem Wahlschein nur noch an der Brief- oder Urnenwahl teilnehmen, den die Gemeinde zu diesem Zweck ausstellt. Der Sperrvermerk verhindert, dass Wahlberechtigte zweimal (ohne und mit Wahlschein) wählen.
Das heißt: Briefwählerinnen und -wähler müssen den Wahlschein zusammen mit den ausgefüllten Briefwahlunterlagen an die Gemeinde zurückschicken. Wenn sie doch nicht per Brief wählen wollen, können sie aber auch bei der zuständigen Stelle der Gemeindebehörde oder am Wahltag in einem Wahlraum wählen - müssen dann aber den Wahlschein vorlegen.
"Es wird ja im Wahllokal tatsächlich abgehakt, wenn Sie Ihre Stimme abgeben, und die Briefwähler werden ebenfalls im Wählerverzeichnis gekennzeichnet", sagte der bayerische Landeswahlleiter Thomas Gößl dem #Faktenfuchs vor der Landtagswahl 2023. "So wissen wir genau: Wie viele Personen haben gewählt und wie viele Stimmen sind da?" Sollte es Auffälligkeiten geben, werde nachgezählt.
Jeder kann die Wahl beobachten
Jede Person hat das Recht, ab dem Zeitpunkt am Wahltag, in dem der Wahlvorstand zusammentritt, bis zur Feststellung des Ergebnisses im Wahlraum anwesend zu sein. (§ 31 BWG i. V. m. §§ 54, 55 BWO). Auch Minderjährige oder Ausländer dürfen das.
Der Wahlvorstand muss aber auch für Ordnung im Wahlraum sorgen und kann bei Andrang auch den Zutritt regeln. Ist der Raum überfüllt, kann er deshalb die Zahl der anwesenden Personen beschränken. Eine Wahlbeobachtung muss aber möglich bleiben. Ein Anspruch auf Sichtbarkeit jeder Einzelheit besteht dabei aber nicht. "Fühlen sich Mitglieder des Wahlvorstandes durch eine zu starke Annäherung der Wahlbeobachtenden behindert oder gestört, dürfen sie einen Abstand zu den Mitgliedern des Wahlvorstandes von in der Regel ein bis zwei Metern anordnen", schreibt die Pressestelle der Bundeswahlleiterin. Doch auch nach so einer Anordnung muss die Auszählung grundsätzlich weiter beobachtet werden können.
Es gibt auch einige Dinge, die dabei nicht erlaubt sind: politische Diskussionen von Wahlbeobachterinnen und -beobachtern zum Beispiel. Ebenso wenig dürfen sie zum Beispiel in Entscheidungen des Wahlvorstandes eingreifen oder eine Nachzählung einfordern.
Wahlhelfer kontrollieren sich gegenseitig
Das Wahlrecht spricht vom Wahlvorstand, aber umgangssprachlich geläufiger ist die Bezeichnung Wahlhelferinnen und Wahlhelfer, schreibt die Pressestelle der Bundeswahlleiterin.
Ein Wahlvorstand besteht aus dem Wahlvorsteher als Vorsitzendem, seinem Stellvertreter und weiteren drei bis sieben Wahlberechtigten als Beisitzern. Wenn die Gemeinde Beisitzer beruft, sollen nach Möglichkeit die Parteien, die in dem jeweiligen Wahlbezirk vertreten sind, berücksichtigt werden. Das beuge einer einseitigen Besetzung von Wahlvorständen vor und stärke die gegenseitige Kontrolle, schreiben die Sprecher der Bundeswahlleiterin. Bei den Wahlhelfern gelte "das klassische Prinzip, dass die Gemeinden einen ganzen Stamm von erfahrenen Ehrenamtlern haben, sodass sie auf wirklich bewährte Kräfte zurückgreifen können", sagte Landeswahlleiter Thomas Gößl dem #Faktenfuchs vor der Landtagswahl 2023.
Während der Wahlhandlung (also des gesamten Stimmabgabeverfahrens unter Leitung und Aufsicht des Wahlvorstands, etwa auch die Prüfung der Urnen oder die Schließung des Wahllokals) müssen immer der Wahlvorsteher und der Schriftführer oder ihre Stellvertreter sowie mindestens ein Beisitzer anwesend sein. Wenn der Wahlvorstand das Ergebnis ermittelt und feststellt, sollen alle Mitglieder da sein. Es gilt daher nicht nur ein Vier-Augen-Prinzip. Alle schauen aufeinander. Und die Öffentlichkeit kann, wie gesagt, auch zuschauen.
Zudem protokolliert der Wahlvorstand das Ergebnis der Auszählung. Auch das wird kontrolliert und auch auf dieser Basis kann es Nachzählungen geben. "Etwa falls es Hinweise gibt, dass im Protokoll Eintragungen falsch vorgenommen oder Stimmen nicht erfasst wurden", schreibt die Pressestelle der Bundeswahlleiterin. Es gibt also Sicherheitsvorkehrungen auf mehreren Ebenen.
Außerdem gilt: Wahlhelfer sind verpflichtet, ihr Amt unparteiisch wahrzunehmen, sagte Landeswahlleiter Gößl. Auch hier schaffe die gegenseitige Kontrolle und die Öffentlichkeit der Wahl einen sicheren Rahmen.
Manipulationen sind Straftatbestände
Manipulationen am Wahlvorgang – Wahlfälschung, Fälschung von Wahlunterlagen - sind Straftatbestände. Sie werden von der Staatsanwaltschaft verfolgt, sagte Gößl. Gebe es einen Verdacht, rufe das die Staatsanwaltschaft auf den Plan, bestätigte auch Wahlsystem-Experte Daniel Hellmann vom Berliner Institut für Parlamentarismusforschung, einer Einrichtung der Stiftung Wissenschaft und Demokratie, dem #Faktenfuchs 2023. Hinweise können laut Sprecherin der Bundeswahlleiter aus der Bevölkerung, von amtlichen Stellen oder von Wahlorganen - etwa einem Wahlvorsteher oder der Bundeswahlleiterin - kommen. Als Wahlvorstand, der aktiv betrügen wolle, müsse man sich das Risiko, entdeckt zu werden, vor Augen führen, betont Hellmann: In so einem Fall können Nachzählungen angeordnet werden. Diese würden dann nicht von einem selbst durchgeführt. Auf Wahlkreis- und Landesebene gibt es weitere Wahlausschüsse, diese prüfen am Ende das Ergebnis. Sie achten auf statistische oder historische Abweichungen.
Nachzählungen können auf verschiedenen Wegen erfolgen. (§§ 40 BWG und 76 Absatz 1 Bundeswahlordnung), etwa wenn sich aus der Wahlniederschrift oder aus sonstigen Gründen Bedenken ergeben, ob die Wahl ordnungsgemäß verlief.
"Nachprüfungsverlangen nach dem Motto, 'es wird (muss) doch etwas Beanstandungsfähiges zu finden sein', sind zurückzuweisen. Ein bloßer Hinweis auf ein knappes Wahlresultat ist nicht ausreichend, um etwa eine Nachzählung anzuordnen und durchzuführen", heißt es in der juristischen Fachliteratur dazu (Schreiber, BWahlG, 11. Auflage 2021, § 40 BWG, Rn. 4,5). Wenn aber zugleich Unregelmäßigkeiten gerügt werden, müsse in der Regel eine Nachprüfung erfolgen - es sei denn, es werde zweifelsfrei festgestellt, dass eine Auswirkung des geltend gemachten Fehlers auf das Wahlergebnis ausgeschlossen ist.
Eine Neuauszählung oder Nachzählung von Stimmzetteln kann es zudem in einem Wahlprüfungsverfahren geben. Jeder Wahlberechtigte, jede Gruppe von Wahlberechtigten und in amtlicher Eigenschaft jeder Landeswahlleiter, der Bundeswahlleiter und der Präsident des Bundestages kann dafür den Einspruch einlegen (§ 2 Abs. 2 WahlPrG).
Fehler bedeuten nicht Manipulation
Bei jeder Wahl ist davon auszugehen, dass - für das Ergebnis nicht relevante - Fehler passieren. "Wahlen sind ein gigantisches Organisationsunterfangen", sagte Wahlsystem-Experte Daniel Hellmann vom Institut für Parlamentarismusforschung dem #Faktenfuchs 2023. "Es ist statistisch unwahrscheinlich, dass da keine Fehler auftreten. Es wird mal eine Stimme falsch ausgezählt oder es gibt eine kleine Differenz in der Auszählungssumme." Hellmann sagt aber: Bei der Größe einer Landtags- oder Bundestagswahl falle das aber nicht ins Gewicht.
Nicht bei jedem Fehler sei es angebracht, nach einer Wahlwiederholung zu rufen. "Es wäre Quatsch, davon auszugehen, dass eine Wahl solange wiederholt werden muss, bis keine Fehler mehr passiert sind. Sie müssen einen Punkt festlegen, an dem es sinnvoll ist, zu wiederholen", sagt Hellmann. Und dieser Punkt sei in Deutschland: Sobald wegen eines Fehlers oder Betrugs die Mandatsverteilung anders hätte sein können, muss wiederholt werden.
Verfassungsschutz warnt vor Desinformation
Das Bundesamt für Verfassungsschutz sieht vor allem durch Russland eine "Gefährdung der Bundestagswahl durch unzulässige ausländische Einflussnahme", wie die Behörde in einer Analyse von Ende November 2024 schreibt. Über Desinformation in Bezug auf die bevorstehende Bundestagswahl heißt es darin: "Vorstellbar mit Blick auf die Bundestagswahl sind außerdem die gezielte Diskreditierung ungewünschter Kandidatinnen und Kandidaten, ein Infragestellen des Wahlprozesses an sich, das Schüren von Zweifeln an der Rechtmäßigkeit und korrekten Durchführung der Wahl sowie, nach der Wahl, die Herabwürdigung des Koalitionsbildungs- und Regierungsbildungsprozesses."
Der Verfassungsschutz beschreibt ein recht breites Handlungsfeld ausländischer Akteure: Die Behörde sieht zumindest die Gefahr, dass diese zum Beispiel direkt Einfluss nehmen könnten, indem sie einzelne Kandidaten oder Parteien aktiv unterstützen. Denkbar sei auch, dass sie andere Personen oder Parteien diskreditieren - oder den für Demokratien essenziellen politischen Meinungs- und Willensbildungsprozess. Jene, die Einfluss nehmen oder nehmen wollen, gehen dabei opportunistisch vor, wie das Bundesamt schreibt: “Sie werden versuchen, Ereignisse zu ihrem Vorteil auszunutzen oder in ihre Narrative verstärkend einzubetten."
Die AfD oder das BSW werden häufig mit der Verbreitung prorussischer Propaganda in Verbindung gebracht.
Die AfD fällt mit der Strategie auf, die Legitimität von Wahlen infrage zu stellen. Der bayerische Landesverband und Aktivisten, die Verbindungen zur AfD haben, säten in der Vergangenheit Zweifel am rechtmäßigen Ablauf von Wahlen - so etwa 2019 zur Europawahl und auch 2023 vor der bayerischen Landtagswahl.
Fazit
Wahlen in Deutschland sind auf vielen Ebenen durch Vorschriften und Gesetze abgesichert. Wahlhelfer und Wahlhelferinnen kontrollieren sich gegenseitig, das Wählerverzeichnis sichert, dass nicht mehr Stimmen als Wahlberechtigte gezählt werden und dass niemand doppelt abstimmen kann - und bei Auffälligkeiten wird nachgezählt. Mit Fehlern ist zu rechnen. Aber erst, wenn deren Zahl für das Ergebnis relevant sein könnte, ist eine Wahlwiederholung angemessen.
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