Sie schauen auf ihren Handys IS-Propaganda-Videos und bezeichnen den Anschlag auf den Breitscheidplatz in Berlin als "völlig legitim", der Attentäter solle seine Belohnung im Paradies bekommen: Sogenannte Salafisten-Kinder fallen zunehmend in deutschen Klassenzimmern auf. Laut der Radikalisierungshotline des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge haben sich zuletzt vermehrt Lehrer und Schulpsychologen gemeldet.
IS-Unterstützer verhaftet
Wächst hier eine Generation von Hasskindern heran? Auch der bayerische Verfassungsschutz-Präsident Burkhard Körner macht sich Gedanken:
"In diesem Bereich haben wir bisher noch relativ wenig Erfahrungen. Es gibt einzelne Fälle an Schulen, wo sich Kinder beispielsweise salafistisch gegenüber Schulkammeraden äußern. Allerdings wissen wir da noch nicht: Ist das nur ein Nachplappern oder führt das möglicherweise auch bei den Kindern in eine Radikalisierung?" Burkhard Körner, Präsident Bayerisches Landesamt für Verfassungsschutz
Ein Fall aus Bayern wurde bekannt, als ein mutmaßlicher IS-Unterstützer verhaftet wurde. Laut Generalstaatsanwaltschaft München wollte er aus dem siebenjährigen Sohn einer Lebensgefährtin einen Kindersoldaten machen. Er habe ihn körperlich gezüchtigt und ihm Propagandavideos gezeigt.
Was tun mit Kindern von Heimkehrern vom Dschihad?
Im Sommer 2014 hat Nadja Ramadan, damals Ende 20 und gebürtige Landshuterin, Deutschland verlassen und ist nach Syrien in die IS-Hauptstadt Rakka gereist. Im IS-Gebiet hat sie drei Kinder geboren. Eines starb kurz nach der Geburt. Als die Terrormiliz zurückgedrängt wurde, musste Nadja Ramadan flüchten. In einem Video bat sie Kanzlerin Angela Merkel um Hilfe. Sie wolle zurück. Ihre Kinder sollten ganz normal aufwachsen.
Körner: "Radikalisierte Kinder uneingeschränkt beobachten"
Laut Auswärtigem Amt soll Nadja Ramadan tatsächlich nach Deutschland zurückkehren - bisher ein Einzelfall. Aber laut Bundesamt für Verfassungsschutz ist es vorstellbar, dass noch mehr deutsche Frauen aus dem IS-Gebiet heimkehren, gemeinsam mit ihren Kindern, die ihre ersten Lebensjahre bei einer Terrorgruppe verbracht haben.
"Wir sehen die Gefahr, dass Kinder von Dschihadisten islamistisch sozialisiert und entsprechend indoktriniert aus den Kampfgebieten nach Deutschland zurückkehren." Hans-Georg Maaßen, Verfassungsschutz-Präsident
Eine Herausforderung für Beratungsstellen und Sicherheitsbehörden. Burkhard Körner will sich noch nicht festlegen, ob bei Kindern durch Erlebnisse im Kriegsgebiet Radikalisierungsprozesse eingeleitet wurden. Er denkt aber auch an Fälle, in denen sich Minderjährige tatsächlich im Umfeld militanter Salafisten bewegen. Diese radikalisierten Kinder sollten aus seiner Sicht uneingeschränkt vom Verfassungsschutz beobachtet werden dürfen. In manchen Bundesländern liegt die Altersgrenze bei 14 Jahren. Laut Körner wäre es besser, diese Grenze fallen zu lassen, so wie in Bayern.
Psychologin: "Diese Kinder brauchen eine Perspektive"
Die Ausreise zu einer ausländischen Terrorgruppe ist eine Straftat. Die IS-Sympathisantin Nadja Ramadan könnte also in Deutschland ein Prozess erwarten. Aber was passiert mit denjenigen, die traumatisiert und unschuldig sind? Marianne Rauwald vom Frankfurter Traumaiinstitut betreut Kinder, die bei Terrorgruppen wie dem IS waren. Diese Kinder, sagt Rauwald, brauchen eine Perspektive. Sie müssten das Gefühl haben, dass die Gesellschaft sie aufnimmt.
"Wenn man so Furchtbares erlebt hat, wie diese Kinder und Jugendlichen, braucht es sehr viel Zeit, um hier anzukommen. Die Frage, ob das auf der Flucht passiert ist, oder weil die Eltern in den Dschihad gezogen sind, spielt da weniger eine Rolle." Marianne Rauwald, Psychologin