Ein ukrainischer Soldat startet eine Drohne an der Frontlinie in der Nähe von Bachmut in der Ukraine.
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Drohnen im Russland-Ukraine-Krieg

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Drohnen-Einsatz in der Ukraine: So verändern sie den Krieg

Drohnen-Einsatz in der Ukraine: So verändern sie den Krieg

Im Ukraine-Krieg kommen Drohnen in einem bislang nie gesehenen Ausmaß zum Einsatz. Welchen Zwecken dienen sie? Welche Lehren ziehen westliche Armeen daraus? Eine Einordnung.

Über dieses Thema berichtet: Politik und Hintergrund am .

13 russische Drohnen habe man in den Nachtstunden in der Südukraine abgeschossen. So zitiert das "Institute for the Study of War" den ukrainischen Generalstab in seinem Lagebericht vom Montag. Die renommierte Denkfabrik fasst den Kriegsverlauf in der Ukraine täglich zusammen. Die Hinweise auf Drohnenangriffe oder Drohnenabschüsse, sie finden sich in beinahe jedem der Berichte. Im Wochenverlauf war auch von russischen Drohnenangriffen auf ukrainische Häfen zu lesen; genau wie von ukrainischen Drohnenattacken auf russisches Militär auf der besetzten Halbinsel Krim.

Auch soziale Medien sind voll von Videos oder Fotos, die den Einsatz von Drohnen in der Ukraine zeigen sollen. Zu sehen sind etwa Panzergefechte oder Explosionen von Fahrzeugen. Für Beobachter ist es offenkundig, dass Drohnen im Ukraine-Krieg in einem bis dato nie gesehenen Ausmaß zum Einsatz kommen – sowohl an Land wie auch zu Wasser.

Expertin: Neu ist die Zahl an Systemen und Drohnen

Neu sei in diesem Zusammenhang die Anzahl verschiedener Systeme und Drohnen, sagt Ulrike Franke. Die Politikwissenschaftlerin forscht und publiziert seit mehreren Jahren zu militärischer Drohnennutzung. Sie arbeitet für den "European Council on Foreign Relations" (ECFR). Die Denkfabrik befasst sich schwerpunktmäßig mit europäischer Außen- und Sicherheitspolitik.

Einen Anhaltspunkt für das Ausmaß der Drohneneinsatze in der Ukraine liefert in Frankes Augen die Verlustrate auf der ukrainischen Seite. Diese hätte in heftigen Phasen des Krieges bis zu 10.000 Drohnen pro Monat verloren, sagte Franke im Gespräch mit dem BR.

Zu welchem Zweck kommen Drohnen zum Einsatz?

Im Kern dienen Drohnen im Ukraine-Krieg einerseits zur Aufklärung und andererseits zur Zerstörung von militärischen Zielen oder ziviler Infrastruktur. Zum Einsatz kommen dabei sowohl Drohnen, die nur in geringen Höhen und nur in engen Radien operieren können, als auch solche, die über große Reichweiten verfügen. Beim letztgenannten Typus handelt es sich ausschließlich um militärisches Gerät.

Zivile Technik in militärischer Nutzung

Kleinere Drohnen jedoch kämen häufig aus ziviler Produktion, beobachtet Franke. Ihre großen Vorteile seien der meist geringe Anschaffungspreis sowie die Verfügbarkeit in großen Stückzahlen. Dazu käme die leichte Bedienbarkeit. Aufgrund dieser Faktoren könne das Militär Verluste leichter verschmerzen. Zu diesen käme es mitunter auch, weil die Systeme leichter zu stören sind als Typen, die für militärische Zwecke entwickelt wurden. Eingesetzt werden die zivilen Modelle etwa für Aufklärungszwecke. Sie verfügen von Haus aus über Videokameras und übertragen Bilder in Echtzeit an die Piloten.

Darüber hinaus werden zivile Drohnenmodelle mitunter so modifiziert, dass sie Granaten zu einem Ziel transportieren können. Belegt ist dies durch zahlreiche Fotos und Videos, die im Internet Verbreitung finden.

Aufklärung verringert Munitionseinsatz

Das Auskundschaften von Stellungen mittels Drohnen ist nach den Worten Ulrike Frankes auch von Bedeutung, um etwa den Einsatz von Artilleriemunition zu reduzieren. Drohnen würden dabei auch eingesetzt, um sicherzugehen, dass Artilleriegranaten ihre Ziele treffen:

"Da wird auch in Kauf genommen, eine Drohne zu verlieren, die vielleicht ein- bis zweitausend Euro kostet, damit weniger Munition verschossen werden muss, von der weniger zur Verfügung steht und die zugleich mehr kostet." Ulrike Franke, Politologin am European Council on Foreign Relations (ECFR)

Insgesamt beschleunigt die Aufklärung mittels kleinerer Drohnen die Kriegsführung deutlich. Zu diesem Schluss kommen Fachleute des "Center for Security Studies" der ETH Zürich. Die Zeit für die Ortung von Artilleriefeuer sei in der Ukraine durch den Einsatz von Drohnen von 30 auf bis zu drei bis fünf Minuten verringert worden.

"Kamikazedrohnen" & Co.: Das Schlachtfeld wird zum Testfeld

Von erheblicher Bedeutung im Ukrainekrieg sind auch verschiedenste Typen von "Loitering Munition". Dabei handelt es sich um Flugkörper, die vom Boden gesteuert werden und eine bestimmte Zeit lang über möglichen Zielen in der Luft "herumlungern" können, bevor sie ein Ziel angreifen, das ihnen von ihrem Piloten zugewiesen wird. Gemeinhin hat sich für diese Waffen der Begriff der "Kamikazedrohne" durchgesetzt. Auch hier sei der Umfang des Einsatzes sowie die Anzahl der verschiedenen Systeme neu, sagt Ulrike Franke. Sie beobachtet einen Wettlauf um die Entwicklung neuer Typen sowie um deren Abwehr, etwa durch Störmaßnahmen oder direkten Beschuss. Eingesetzt würden die Waffen mitunter auch in sehr großen Stückzahlen, um die Luftabwehr zu überfordern.

Drohnen sind auch eine Propagandawaffe

Die Wissenschaftlerin verweist darüber hinaus auch auf den Einsatz von Drohnen zu Propagandazwecken. Sie helfen, Aufnahmen von Gefechten weltweit zu verbreiten. Insbesondere Nutzern von sozialen Medien würden so Erfolgsgeschichten der jeweiligen Kriegspartei in die Timelines gespült: zerstörte Panzer etwa oder die Gefangennahme von Soldaten. Eine Verifikation der Bilder oder ihre klare Zuordnung ist dabei nur selten möglich.

Was heißt all das für westliche Armeen wie die Bundeswehr?

Geht es nach Fachleuten, so zeigt der Krieg in der Ukraine, dass alte Technik nicht komplett durch neue ersetzt wird. Drohnen ergänzen demnach andere Waffensysteme, ohne diese vom Schlachtfeld zu verdrängen. Dabei ergeben sich klare Lehren oder Ableitungen für westliche Streitkräfte, hält etwa Dominika Kunertova vom Center for Security Studies der ETH Zürich in einer aktuellen Publikation fest.

Kunertova fordert, dass die europäischen Länder ihre Strategien zur Drohnenbeschaffung anpassen. Dabei sollten insbesondere auch kleinere Drohnentypen beschafft werden.

Abwehr "unterentwickelt"

Auch bei der Luftabwehr sieht sie Nachbesserungsbedarf. Diese sei insbesondere im Nahbereich "unterentwickelt": "Die jahrzehntelange Konzentration auf den Kampf gegen Aufständische und weniger starke regionale Mächte haben die europäischen Streitkräfte nicht dazu veranlasst, Luftverteidigung zu priorisieren. Das stellt heute ein großes Problem dar", analysiert die Wissenschaftlerin.

Drohnen-Gegenmaßnahmen müssten der zunehmenden Drohnenvielfalt Rechnung tragen:

"Die Abwehr von großen Drohnen kann mit geringem Mehraufwand mittels der bestehenden Luftverteidigungssysteme erfolgen. Im Gegensatz dazu sind kleine, niedrig und schnell fliegende Drohnen schwer zu erkennen, geschweige denn abzufangen. Selbst Drohnen von minderer Qualität können Dinge zerstören und Menschen töten - und diese billigen Low-Tech-Angriffsdrohnen können von wesentlich teureren Luft- und Raketenabwehrsystemen nicht wirksam gestoppt werden." Dominika Kunertova, Center for Security Studies der ETH Zürich

Der Krieg in der Ukraine zeige, so Dominika Kunertova, dass die Drohnenkriegsführung eher von Quantität als von Qualität bestimmt wird. Die europäischen Länder müssten demnach eine Drohnenabwehr mit einem "ausgewogenen Verhältnis zwischen Effektivität und Betriebskosten" entwickeln.

Projekt Heeresflugabwehr

Innerhalb der Bundeswehr macht man sich unterdessen seit Längerem Gedanken, wie dies gelingen kann – konkret, wie die Heeresflugabwehr neu aufgestellt werden kann. Die Truppengattung wurde im Zuge der Ausrichtung der Bundeswehr auf Auslandseinsätze für obsolet erachtet. Die Luftwaffe übernahm zwar die Zuständigkeit, die Auflösung der alten Heeresflugabwehrverbände vor etwas mehr als zehn Jahren riss aber eine Fähigkeitslücke in die Verbände des Heeres. Ausgerüstet waren diese einst unter anderem mit Flugabwehrkanonenpanzern vom Typ Gepard. In Bayern waren etwa in Regensburg Gepard-Panzer stationiert.

Kernaufgabe dieser Truppengattung war die Abwehr von Kampfhubschraubern oder -Flugzeugen. Mit dem Gepard verfügte die Heeresflugabwehr beispielsweise über ein Waffensystem, das auch in schwerem Gelände selbstständig fahren und so Truppen direkt begleiten konnte. In der Ukraine bewähren sich die Panzer offiziellen Angaben zufolge auch im Einsatz gegen Drohnen. Deutschland hat außer Dienst gestellte Geparden an die Ukraine geliefert.

Hierzulande könnte in der Zukunft das Waffensystem "Skyranger" diese Rolle übernehmen. In Heereskreisen wird es als zeitgemäßer Ersatz angesehen. Derzeit laufen Planungen zum Aufbau neuer Flugabwehrverbände. Die Anschaffung von bis zu 30 Skyrangern ist Medienberichten zufolge im Gespräch. Die Bewaffnung ähnelt der des Gepard, da eine Maschinenkanone "Air Burst-Munition" verschießt. Die Projektile zerlegen sich kurz vor dem Ziel und setzen Splitter frei, die das anvisierte Objekt durchsieben und dadurch zerstören sollen. Hersteller Rheinmetall setzt darüber hinaus auf die Kombination aus Flugabwehrraketen und einem Laser.

Das Waffensystem selbst kann dabei auf verschiedene Plattformen montiert werden. Unter Plattform ist dabei die Wanne eines Rad- oder eines Kettenpanzers zu verstehen. Als Radpanzer kommt der "Boxer" in Frage. Ihn nutzt die Bundeswehr bereits.

Bedauern über Fähigkeitsverlust

Wiederholt war aus Kreisen hochrangiger Heeresoffiziere seit Beginn des Ukraine-Krieges Bedauern über die einstige Auflösung der Truppengattung zu hören. Verbunden mit der Einschätzung, dass die Neuaufstellung dauere, weil Wissen verloren gegangen sei und erst neues Material beschafft werden müsse. Den Einsatz von Drohnen in der Ukraine beobachten viele Soldaten deshalb sehr genau.

Reichen neue Flakpanzer?

Klar ist dabei für Beobachter, dass die alleinige Beschaffung neuer Flakpanzer für eine wirksame Abwehr gegen Drohnen nicht ausreicht. Darüber hinaus braucht es weitere Abwehrmöglichkeiten, die auch kleineren Einheiten jederzeit zur Verfügung stehen. Gemeint sind etwa Waffensysteme zum Stören oder zum Abschuss von Drohnen, die einzelne Schützen bedienen können. Die Bundeswehr hat in den vergangenen Jahren zwar bereits Erfahrungen mit derartigen Systemen gesammelt, in großen Stückzahlen sind sie aber derzeit nicht in der Truppe verfügbar.

Systeme, die die Bundeswehr zum Schutz von Feldlagern im Auslandseinsatz beschafft hat, dürften den Anforderungen im Rahmen von Szenarien der Landes- und Bündnisverteidigung auch kaum genügen. Sie sind vordergründig für stationäre Anwendungen konzipiert.

Heereskreise: Soldaten müssen umdenken

Zusätzliches Gewicht bekommt zudem die Tarnung. Der erfolgreiche Einsatz von Aufklärungsdrohnen in der Ukraine führe deren Bedeutung vor Augen, heißt es aus Bundeswehrkreisen. Aus der Luft seien Soldaten und Gerät durch den Einsatz von Drohnentechnik mitunter leicht zu entdecken, wenn sich diese unachtsam verhalten. Der Einsatz von Wärmebildgeräten erschwere das Tarnen zusätzlich.

Dieser Artikel ist erstmals am 17.09.2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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