Nach den heftigen Raketenangriffen am Montag herrscht aktuell erneut Luftalarm in vielen ukrainischen Regionen: Russland hat bei seinem Angriffskrieg mehrere Teile des Landes wieder mit Raketen und Kampfdrohnen beschossen. Unter anderem die Behörden in Saporischschja im Süden der Ukraine meldeten Beschuss.
Auch in der Umgebung der Hauptstadt Kiew, in Lwiw und im Gebiet Chmelnyzkyj habe es Explosionen gegeben, teilten offizielle Stellen mit. Die Luftabwehr sei zum Einsatz gekommen. Ukrainische Medien berichteten, es seien 20 Raketen am Dienstagmorgen eingeschlagen. "Bitte bleiben Sie zu Ihrer eigenen Sicherheit in Schutzräumen - ignorieren Sie den Alarm nicht", teilte der Notfalldienst der Ukraine auf Telegram mit.
Zuletzt mindestens 19 Tote durch russische Angriffe
Damit setzt das russische Militär seine Angriffe auf ukrainische Städte fort. Am Montag hatten die ukrainischen Behörden mehr als 80 russische Angriffe gezählt. Etwa die Hälfte der Raketen sei durch die Luftabwehr abgewehrt worden.
Bei dem Beschuss starben landesweit nach vorläufigen Angaben 19 Menschen, mehr als 100 wurden verletzt. In Kiew und zwölf weiteren Regionen wurden Einrichtungen der kritischen Infrastruktur getroffen. 301 Städte und Gemeinden waren ohne Strom. Viele der Ziele lagen weit entfernt von den Fronten des Krieges.
Vereinte Nationen: Russische Angriffe "besonders schockierend"
Die jüngsten russischen Angriffe in der Ukraine könnten nach einer ersten Einschätzung des UN-Menschenrechtsbüros Kriegsverbrechen darstellen. Gezielt Zivilisten oder Infrastruktur wie Kraftwerke, die die Menschen zum Überleben brauchen, ins Visier zu nehmen, sei nach internationalem humanitären Recht verboten, sagte Sprecherin Ravina Shamdasani in Genf. "Die Orte und die Uhrzeit der Angriffe, als die Menschen zur Arbeit gingen oder Kinder zur Schule brachten, das ist besonders schockierend."
Karte: Die militärische Lage in der Ukraine
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Britischer Geheimdienst: Russen geht Munition aus
Derweil geht dem russischen Militär nach Einschätzung britischer Geheimdienste im Ukraine-Krieg zunehmend die Munition aus. "Wir wissen, und das wissen auch russische Kommandeure im Krieg, dass ihnen die Ausrüstung und Munition ausgeht", sagte der Direktor des britischen Geheimdienstes GCHQ, Jeremy Fleming, laut einem vorab veröffentlichten Redemanuskript, aus dem die BBC zitierte. Der russische Präsident Wladimir Putin mache Fehleinschätzungen und strategische Fehler.
"Da er intern kaum herausgefordert wird, haben sich seine Entscheidungen als fehlerhaft herausgestellt", so der Geheimdienstdirektor. Mittlerweile würde auch dem russischen Volk klar, welche Konsequenzen "Putins selbstgewählter Krieg" für sie persönlich im eigenen Land habe - etwa weniger Möglichkeiten zu reisen und kaum noch Zugang zu modernen Technologien und externen Einflüssen aufgrund der westlichen Sanktionen.
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USA: Keine Hinweise auf russische Atomwaffen-Planungen
Während die russische Seite die jüngsten Raketenangriffe als Reaktion auf den Anschlag auf die Krim-Brücke vergangenen Samstag bezeichnet, kommt die US-Regierung zu einer anderen Einschätzung. Demnach sind die schweren russischen Raketenangriffe vermutlich schon vor längerer Zeit vorbereitet worden. "Wahrscheinlich hatten sie das vor geraumer Zeit geplant", sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, dem Sender CNN. Allerdings sei es möglich, dass die Explosion auf der Krim-Brücke einige Planungen beschleunigt haben könnten, ergänzte er.
Kirby bekräftigte, dass Washington aktuell keine Hinweise darauf habe, dass Russland Atomwaffen aktiviere oder die USA ihre nukleare Haltung ändern müssten. Wahrscheinlich würden die USA schon in "sehr naher Zukunft" neue Unterstützung für die Ukraine ankündigen, sagte er weiter. US-Präsident Joe Biden hatte dem Land nach den jüngsten Angriffen weitere moderne Luftabwehrsysteme zugesagt.
Warschau: Polen sollen Belarus verlassen
Unterdessen rät Polen wegen der wachsenden Spannungen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg seinen Bürgern von Reisen ins Nachbarland Belarus ab. Zuletzt habe es dort mehrfach Festnahmen polnischer Bürger gegeben, teilte das Außenministerium in Warschau per Twitter mit. "Wenn sich die Situation verschlimmert, die Grenzen geschlossen werden und unerwartete Situationen auftreten, könnte die Evakuierung schwierig werden." Polnischen Bürgern, die sich aktuell in Belarus aufhalten, rät das Ministerium zur Ausreise.
Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko hatte am Montag die Bildung einer gemeinsamen regionalen Militäreinheit der Streitkräfte seines Landes mit der russischen Armee angekündigt. Als Grund nannte er wachsende Spannungen an der Grenze zur Ukraine. Im Zuge dessen warnte die französische Außenministerin Catherine Colonna Belarus vor einem Kriegseintritt: "Jede zusätzliche Unterstützung des Krieges, den Russland gegen die Ukraine führt, wird weitere Sanktionen nach sich ziehen", sagte Colonna dem Sender France Inter.
- Zum Artikel: FDP- und Grünen-Politiker fordern nach Angriffen Panzer für Kiew
(mit Informationen von dpa, AFP, AP und Reuters)