Nach der Insolvenz im vergangenen Frühling nimmt die Münchner Lach- und Schießgesellschaft am Sonntag wieder ihren Spielbetrieb auf. Der "Laden", seine Spielstätte, ist eine Baustelle, aber das vielleicht Wichtigste ist erhalten: "Die neue Lach- und Schießgesellschaft Veranstaltungs-GmbH hat die Namensrechte", sagt Münchens Ex-Oberbürgermeister Christian Ude. Es hätte ja auch sein können, dass im Insolvenzverfahren irgendein Medienkonzern die Rechte kaufe, was sie Gott sei Dank hätten abwenden können.
Die "Ladenhüter" und "der Laden" der Lach- und Schieß
Als Gründer des neuen Fördervereins "Die Ladenhüter" hatte Christian Ude die Finger mit im Spiel, damit nicht die Falschen den guten Namen "Lach- und Schießgesellschaft" in die ihrigen bekamen. Doch Namen allein sind Schall und Rauch. Die alte Lach- und Schieß stand ja für zweierlei: Für ein traditionsreiches Kabarett-Ensemble; und für einen legendären Ort – die von Mitbegründer Sammy Drechsel einst liebevoll "der Laden" getaufte Spielstätte in München-Schwabing. Aber diesen Laden zu hüten, sprich auch künftig als Kabarettspielstätte zu bewahren, ist eine heikle Angelegenheit.
Beim Ortstermin mit Christian Schultz, einem der neuen Geschäftsführer, ist der "Laden" kaum wiederzuerkennen. Die früher holzvertäfelten Wände sind nackt, überall Schutt und Kabelsalat. Wo einst fensterlose Kleinkunstkelleratmosphäre herrschte, dringt jetzt Tageslicht durch die vormals verrammelten Fenster. Der "Laden" ist jetzt entkernt, hier entstehe ein Restaurant-Tagesbetrieb mit Mittag- und Abendessen, so Schultz.
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Der "Laden", das Konzept der Bühne
Bis zuletzt war die Lach- und Schieß im "Laden" Kulturveranstalter und Gastronom in einem. Das Ensemble spielte oder andere Kabarettisten gastierten auf Einladung der Lach- und Schieß, die das Publikum zugleich während der Abendveranstaltungen selbst bewirtete. Das ging gut, solange einer wie Till Hofmann die Geschäfte führte, weil der Laden unter ihm an andere Bühnen wie etwa das Münchner Lustspielhaus angegliedert war. Bühnen, die Gewinn einfuhren, mit dem die Verluste in der Lach- und Schieß ausgeglichen werden konnten. Denn allein mit dem Abendbetrieb vor maximal kaum mehr als 100 Zuschauern war der "Laden" angesichts beträchtlicher Pachtkosten im Herzen Schwabings nicht rentabel zu führen. Was dann letztlich ja auch – nach dem Ausscheiden von Till Hofmann – wesentlich zur Insolvenz beitrug.
"Das alte Set-Up der Lach- und Schieß, wie es mal war, gibt es nicht mehr. Man hat ja auch gesehen, dass es nicht mehr unbedingt wirtschaftlich so zu betreiben war. Wir sind ja jetzt auch aus diesen ganzen großen Pachtverpflichtungen raus und würden nur noch die Bühnen-Nutzung bezahlen. Und das ist ein deutlich kleinerer Betrag, als das mal war", sagt Geschäftsführer Christian Schultz.
Nicht Herr im eigenen Haus
Das neue Modell sieht also vor, dass die Lach- und Schießgesellschaft die wirtschaftliche Verantwortung für den Laden los ist. Die soll fürderhin ein Gastronom tragen, der ihn nun ganztägig – und eben nicht nur abends – als Lokal betreibt und der Lach- und Schieß, gegen Gebühr natürlich, ein regelmäßiges Spielrecht einräumt. Die Rede ist von viermal die Woche. Klingt gut. Hat aber einen Haken: Das Modell funktioniert nur, solange ein Gastronom da ist, der dabei auch mitspielt. Die Lach- und Schieß ist nicht Herr im eigenen Haus. Aber das, hält Christian Ude dagegen, sei im Grunde nie anders gewesen.
"Das passiert ja in Schwabing alle naselang, dass der Vermieter plötzlich Mieten verlangt, die beim besten Willen nicht bezahlbar sind, oder dass er kündigt und eine andere Nutzung anstrebt", sagt Ude. Dieses Damoklesschwert sei nichts Neues. Das schwebe seit dem Beginn in den 60er-Jahren.
Trotzdem: Die Lage ist noch ein bisschen verzwickter, das Damoklesschwert noch etwas schwerer geworden. Bisher war die Lach- und Schieß vom Wohlwollen der Grundstückseigentümer abhängig sowie von der Löwenbräu-Brauerei, der das Lokal gehört. Nun kommt also noch der Gastronom dazu. Die Lach- und Schieß ist nicht mehr drittes, sonders viertes Glied in der Kette. Womit die Gefahr, sich darin zu verheddern, gestiegen ist. Momentan gibt es zwar die Zusage eines Gastronomen, der Schultz, Ude und Co. die Nutzung der Bühne im Laden in Aussicht gestellt hat, unterschrieben ist aber noch nichts. Und je länger sich der Umbau hinzieht und je teurer er wird, desto höher die Gefahr, dass der Deal doch noch platzt.
Christian Ude gibt sich gleichwohl zuversichtlich: "Viele Leute werden dorthin gehen, weil sie die frühere Lach- und Schießgesellschaft sehen wollen oder nostalgische Gefühle haben. Das würde kein Gastronom aus Jux und Tollerei rausschmeißen."
"Abgespeckt": Programm und Zustand
Bis zur kabarettistischen Re-Vitalisierung der angestammten Spielstätte muss das Ensemble das Fähnlein der Lach- und Schieß hochhalten. "Abgespeckt", das neue Programm, ist eine Gesellschaftssatire, angesiedelt in einer Wellness-Oase für bornierte Besserverdiener, die sich nach dem Aufguss der vermeintlich guten alten Zeiten sehnen, in denen man noch ungestraft sexistisch und rassistisch daherschwafeln durfte. "Abgespeckt" – der Titel, passt aber auch zur Situation der Lach- und Schießgesellschaft, die gerade kleinere Brötchen backen muss. Obwohl sich das für Ensemblemitglied Christl Sittenauer angesichts der Premiere am Sonntag im schmucken Silbersaal des Deutschen Theaters München nicht so anfühlt.
"Das ist natürlich schon ein großer, schöner, mächtiger Saal. Das ist ja eher, dass man aufgestockt hat, sozusagen von der Saalgröße und vom Ambiente. Aber klar: Abgespeckt – es ist nicht mehr im eigenen Laden, sondern man ist eben woanders." Der Silbersaal dient als Übergangsspielstätte, um dort Einnahmen zu generieren für die neue Lach- und Schießgesellschaft, schon vor der Rückkehr in den "Laden" in hoffentlich nicht allzu ferner Zukunft. Und auch danach soll parallel eine weitere, größere Bühne bespielt werden, erklärt Geschäftsführer Christian Schultz. Das sei auch eine ganz einfache Wirtschaftlichkeitsrechnung – mit voraussichtlich 100 bis 120 Plätzen sei es schwieriger als mit 200.
Der "Laden": "ein kleiner Hexenkessel"
Denn Nostalgie allein wird die Traditions-Marke nicht retten. Wehmut ist trotzdem erlaubt. Und durchaus angebracht. Komplett ohne das besondere Flair ihrer angestammten Heimstatt jedenfalls, des Schwabinger "Ladens", ist die Münchner Lach- und Schießgesellschaft auf Dauer schwer denkbar. Ensemblemitglied Christl Sittenauer: "Der 'Laden' an sich, der hat schon eine ganz besondere Atmosphäre. Das ist wie so ein kleiner Hexenkessel eigentlich. Die Leute sitzen unmittelbar an der Bühne, und man kann sozusagen bis in die vierte Reihe hinspucken, weil sie sehr, sehr nahe sind. Sehr, sehr eng."
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