Auf warmes, wärmendes Sonnenlicht müssen wir noch eine ganze Weile verzichten: Wir nähern uns dem kürzesten Tag des Jahres. Aber wir nähern uns auch der Vorweihnachtzeit: funkelnde Sterne, glitzernde Deko, goldene Verpackungen - je dunkler die Jahreszeit, desto mehr Gold scheinen wir zu brauchen.
Gold ist weltweit begehrt
"Wir" heißt in diesem Fall: alle Menschen weltweit. Es gibt keine Kultur auf dieser Erde, in der das Gold nicht hochgeschätzt würde. Aber warum eigentlich?
Der Münchner Philosoph Pravu Mazumdar beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema Gold. In seinem Buch "Gold und Geist" spürt er der Kulturgeschichte dieses besonderen Metalls nach und entwirft eine Theorie des Schmucks. Wer als Philosoph beschreiben will, kommt zwangsläufig irgendwann auf Schmuck und Gold, sagt er: "Warum sich schmücken? Was bezweckt man damit? Warum begnügt man sich nicht damit, dass man das ist, was man ist, dass man das auch zeigt? Man hat den nackten Körper."
Glanz steht für glatt, makellos, jugendlich, neu
Nach Anfängen mit Muscheln, Schneckenhäusern und Federn landeten die ersten schmuckmachenden Menschen ziemlich schnell bei Metall und bei Gold. Bis heute sind die wertvollsten Dinge aus Gold oder zumindest goldfarben: Kronen, Kirchen und Moscheen, Eheringe. Entscheidend für die Liebe der Menschen zum Gold sei seine gelbliche Farbe und sein Glanz, sagt Pravu Mazumdar.
Glanz steht für glatt, makellos, jugendlich, neu. Glanz ist Licht und Licht ist etwas Gutes. "Je genauer eine Materialoberfläche das Licht zurückspiegelt, desto lichtartiger wirkt die Oberfläche", sagt der Philosoph. Und die vornehmste Quelle des Lichts sei die Sonne, denn sie habe enorme Bedeutung für das biologische Leben. "Das bedeutet: Eine Spiegeloberfläche – philosophisch gesprochen – verfolgt das Ideal, ein Doppelgänger der Sonne zu sein."
Sonnenmetall nennt man das Gold. Und gerade wegen seiner Nähe zur Sonne ist es im Schmuck so beliebt: Sich zu schmücken, sei eine Form der Selbstoptimierung, sagt Mazumdar. "Mehr aus sich zu machen bedeutet, man will den Eindruck erwecken, man wäre die Quelle eines seltsamen und unverwechselbaren Lichts."
Ökonomisch gesehen ist der hohe Goldpreis irrational
Aber was hat der aktuelle Höhenflug des Goldpreises damit zu tun? Der praktische Nutzen von Gold und sein Wert am Kapitalmarkt driften deutlich auseinander. Die Goldbarren in den Nationalbanken sind keinesfalls das Materiallager der Halbleiterindustrie und falsche Zähne macht man mittlerweile aus Keramik.
Ökonomisch gesehen ist der hohe Goldpreis irrational, man könnte genauso gut Diamanten kaufen. Aber der Preis wird wohl noch weiter steigen, "weil es genug Leute gibt, die sich davon angesprochen fühlen. Wenn niemand Gold wollte, dann wäre es wertlos, aber man handelt damit, man will Gold, es ist ein kollektives Begehren da", sagt der Philosoph Mazumdar.
Für Schmuckmacher, die mit Gold arbeiten, ist der hohe Preis eine Zumutung. Zusätzlich zur zeitinvestiven Handarbeit treiben nun auch noch die Kosten fürs Material die Preise für Schmuck in die Höhe. Ansonsten aber ist es eigentlich ein schöner Gedanke, dass sich vom Kleinkind bis zur Staatsbank, von der Schmuckträgerin bis zum Chiphersteller die ganze Welt zumindest auf eine Sache einigen kann: Alle wollen Gold.
In München eröffnen dieser Tage gleich zwei Ausstellungen zum Thema Gold: in der Kunstgalerie Boutwell Schabrowsky und in der Schmuckgalerie Biró.
Dieser Artikel ist erstmals am 21.11.2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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