Welche Skulptur stammt hier aus der Antike? Der steinerne Jüngling? Oder dieses merkwürdige Wesen, das ihm gegenübersteht, halb Mensch, halb Pferd, mit rostroter Patina? Archaischer schaut der Rossmensch aus. Doch tatsächlich stammt der Stein-Jüngling aus der frühgriechischen Antike. Der stark abstrahierte Rossmann stand hingegen lange bei Fritz Koenigs Atelier auf dem Ganslberg bei Landshut, wo der Künstler übrigens auch eine weltweit bekannte Pferdezucht betrieb.
Kein Zweifel: Die Skulpturenwelt der Griechen, Römer und Etrusker hat Fritz Koenig beeinflusst. Fast genauso wie die Welt der afrikanischen Holzfiguren. Es sei aber natürlich "eine Verkürzung des Werks Fritz Koenigs nur auf die Themen und Motive, die mit der Antike zu tun haben", sagt Holger Klein. Er lehrt Kunstgeschichte an der Columbia University in New York und hat in München bei der Gestaltung der Ausstellung "Fritz Koenig und die Antike" in der Glyptohek mitgeholfen.
Verschmelzung als stilistisches Mittel
Die Ausstellung macht aber aus dieser Beschränkung auf einige Hauptwerke der 50er bis 90er Jahre eine Schule des Sehens: Da steht das sogenannte Rossweib Koenigs genau im selben Kontrapost wie der alte Grieche Diomedes gleich daneben: Stand- und Spielbein beider lebensgroßer Figuren verteilen ihr Gewicht auf dieselbe Weise. Oder es strahlt die große Sonne so stark, dass der Ikarus – bei Koenig nur eine Kugel und diverse Stäbe – aus dem Himmel fällt. Und nebenan aalt sich der berühmte Barberinische Faun der Glyptothek in ihrem Licht.
"Wenn man durch die Säle hindurchgeht, dann hat man sowohl diese abstrakten Figuren, aber auch diese Verschmelzung, die für die Kunst der späten 50er und frühen 60er Jahre so entscheidend ist für Fritz Koenig in den Quadrigen, mit Zeichnungen und den Werken selbst", sagt Holger Klein und verweist dabei auf ein Viergespann, eine Quadriga, bei der der Wagenlenker und die Pferde fast zu einer Ebene verschmelzen, zu einer Platte voller Dynamik, zu fünf Figuren in einer Skulptur.
Koenig wirkt weit über Deutschland hinaus
Karyatiden nannte man in der Antike weibliche Figuren, die wie Säulen die Giebel von Tempeln und Häusern auf ihren marmornen Köpfen trugen. Die berühmte Kugelkaryatide für New York, von der hier eine kleine Variante zu sehen ist, hat mit den griechisch-römischen Vorbildern aber nur noch wenig zu tun. Eine kugelförmige Bronze mit einem Helm, der sie 30 Jahre später vor der Zerstörung bei 9/11 durch herabfallende Trümmerteile der Hochhäuser bewahrte.
"Die Kugelkaryatide fällt da so ein bisschen raus. Die ist im Grunde hier, um die Dimension des Werkes über Deutschland hinaus zu demonstrieren, und die Zusammenhänge der frühen Skulptur mit abstrakteren Formulierungen zu zeigen", sagt Kunsthistoriker Klein. Und inzwischen steht diese Skulptur Fritz Koenigs allerdings weltweit für etwas allzu Konkretes: für die Bedrohung menschlichen Lebens in einer noch immer brutalen Welt.
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