Das Trauma einer bosnischen Familie, die schwere Last der Eltern: Darum ging es im Gewinner-Text "Der Tag, an dem meine Mutter verrückt wurde". Geschrieben und vorgetragen hatte diese Geschichte der Schriftsteller Tijan Sila aus Kaiserslautern, der in den 1990ern selbst mit seiner Familie nach Deutschland geflüchtet war.
Für die sieben Preisrichterinnen und Preisrichter mit Abstand der überzeugendste Text – sie sprachen dem in Sarajevo geborenen Sila in geheimer Abstimmung den mit 25.000 Euro dotierten Bachmann-Preis zu. Preisrichter Philipp Tingler lobte Silas "Mischung aus Pointiertheit, Tragikomik und Melancholie". Der Hauptpreis ist benannt nach der österreichischen Literatin Ingeborg Bachmann (1926-1973).
Sila? Kennt man vielleicht von "Radio Sarajevo"
Tijan Sila ist nicht nur Schriftsteller, sondern arbeitet auch als Deutschlehrer an einer Berufsschule. Leserinnen und Leser kennen ihn vor allem für sein autobiografisches Buch "Radio Sarajevo" von 2023. Darin versucht Sila, seiner Generation der Kriegskinder ein literarisches Denkmal zu setzen.
Jury-Chef Klaus Kastberger lobte die enorme Bandbreite der beim traditionsreichen Wettlesen vorgetragenen Texte. Die 14 eingeladenen Autorinnen und Autoren hätten sich für ganz unterschiedliche Angänge entschieden. Beobachter des im Netz gezeigten Wettbewerbs [externer Link] konnten in den vergangenen Tagen berührenden Texten genau so lauschen wie lustigen.
Fast 15.000 Euro Preisgeld für Gewürzgurken-Satire
Der mit 7.500 Euro dotierte 3sat-Preis ging an die in Hamburg lebende Österreicherin Johanna Sebauer (36), die mit ihrem Text über ein "Gurkerlglas" viele Zuschauer zum Lachen gebracht hatte – vor allem mit ihren vielen, österreichisch-derben Flüchen ("scheißdrecksgschissenes Hundsgurkerlwasser"). "Humorvolle Texte haben es beim Bachmann-Text nicht immer leicht", sagte Jury-Chef Kastberger. Johanna Sebauer aber habe mit "Das Gurkerl" bewiesen, dass Literatur "unterhaltsam, lustig und dennoch bedeutsam" sein könne. Sebauer erhielt außerdem den von der BKS-Bank gestifteten Publikumspreis – und damit noch einmal 7.000 Euro obendrein.
Zu den vielen Besonderheiten der Kärntner "Tage der deutschsprachigen Literatur" gehört eben auch, dass es irritierend viele Preise zu gewinnen gibt. Insgesamt fünf, nicht schlecht bei lediglich 14 Vortragenden. Den 10.000 Euro schweren Kelag-Preis des örtlichen Energieversorgers erhielt die in Wien lebende, aus Slowenien stammende Tamara Štajner (36) für einen berührenden Text ("Luft nach unten") über ein Mutter-Tochter-Verhältnis – beeindruckend nicht nur für Preisrichterin Brigitte Schwens-Harrant: "Man spürt die Liebe in der Wut und die Wut in der Liebe." Štajner war beim Vorlesen in Tränen ausgebrochen und hatte ihren Vortrag fast abbrechen müssen, so nahe ging der eigene Text ihr selbst.
12.500 Euro für den Bonner Baumarkt-Mann
Den Deutschlandfunk-Preis (und damit 12.500 Euro) erhielt Denis Pfabe aus Bonn, der nebenbei in einem Baumarkt arbeitet – sowas ist unter Künstlern und Literaten ja gar nicht so selten. Dinçer Güçyeter fuhr lange Gabelstapler, Gerhard Gundermann war Baggerfahrer. Auch in Pfabes Text "Die Möglichkeit einer Ordnung" spielt der Baumarkt eine Rolle. Pfabe erzählt darin von einem Mann, der versucht, mit Heimwerker-Projekten über den Verlust seines Kindes hinwegzukommen.
Keinen Preis erhielt etwas überraschend der ungarisch-finnische Schriftsteller Henrik Szanto. Er hatte in "Eine Treppe aus Papier" die Geschichte eines Hauses und seiner Bewohner von der NS-Zeit bis heute erzählt – und damit die Jury sehr für sich eingenommen. Auch Olivia Wenzel ging leer aus, über ihren Text über einen an einer Mutterbrust saugenden Fußballer hatte die Jury noch erregt diskutiert. Aus Bayern war heuer niemand nach Klagenfurt eingeladen.
Im Audio: Schriftsteller Tijan Sila bei Bayern 2 "Eins zu Eins. Der Talk"
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