Bevor der erste Preis des Abends vergeben wurde, erhob die Jury-Vorsitzende des Bayerischen Buchpreises einen schwerwiegenden Vorwurf: Das von ihr nominierte Sachbuch "Die Gesellschaft des Zorns" könnte den wissenschaftlichen Standards nicht genügen, so Sandra Kegel.
Buch analysiert Rechtspopulismus
"Die Gesellschaft des Zorns ist das Buch der Stunde." Mit dieser Begründung nominierte die Literaturkritikerin Sandra Kegel im September 2019 Koppetschs Sachbuch für den Bayerischen Buchpreis. Cornelia Koppetsch, Professorin für Soziologie an der TU Darmstadt, analysiert darin den Rechtspopulismus im globalen Zeitalter und erklärt den Zuspruch rechter Parteien in Deutschland mit dem "bislang noch unbewältigten epochalen Umbruch" durch die jüngste Phase der Globalisierung seit dem Mauerfall.
Feuilleton jubelte über Koppetschs Buch
Kegel war mit ihrem Lob nicht allein, Koppetschs Buch wurde in den deutschsprachigen Feuilletons fast einstimmig positiv besprochen. Die FAZ befand, der Autorin sei ein "großer Wurf" gelungen, die Süddeutsche Zeitung hielt das Buch für den "bisher ambitioniertesten Versuch, den Rechtspopulismus mit einer Gegenwartsdiagnose zu verbinden" und erst diese Woche setzte der NDR den Titel auf die Shortlist des NDR Kultur Sachbuchpreises. Nun steht eine andere mögliche Bewertung im Raum, über deren Korrektheit am heutigen Abend nicht entschieden werden kann: Plagiat.
Zweifel an Koppetschs Zitierweise
Jurorin Sandra Kegel erklärte nun nach intensiver Beschäftigung mit dem Buch dazu, es gebe Zweifel hinsichtlich der "korrekten Zitierweise". "Ein Urteil über die erbrachte Leistung" sei deshalb an dieser Stelle nicht möglich. Koppetsch sei vor der Veranstaltung über die Zweifel informiert worden, habe das Buch aber nicht selbst zurückgezogen. Im Raum steht einerseits, dass Koppetsch unsauber gearbeitet, Quellen nicht in angemessener Form offengelegt habe, andererseits, dass ihre Thesen eine große Nähe zu einem anderen Sachbuch aufweise.
Koppetsch weist Vorwürfe zurück
In einer Nachricht an die Veranstalter hatte Cornelia Koppetsch noch vor der Verleihung des Preises "Fehler" eingestanden – an einigen Stellen wären, so die Autorin, Quellenangaben "angebracht gewesen". Den umfassenden Vorwurf, ihr Buch habe eine zu beanstandende Nähe zum Werk eines anderen Fachautors, wies sie jedoch zurück: Dieser Vorwurf entbehre "jeder Grundlage."
Buchpreis geht an David Wagner und Jan-Werner Müller
David Wagner erhält den Bayerischen Buchpreis 2019 für den Roman "Der vergessliche Riese". Gewinner bei den Sachbüchern wurde «Furcht und Freiheit. Für einen anderen Liberalismus» von Jan-Werner Müller. Beide Auszeichnungen sind mit einem Preisgeld von je 10.000 Euro verbunden. Der undotierte Ehrenpreis ging an den Schauspieler, Regisseur und Autor Joachim Meyerhoff, der seit dieser Spielzeit zum Ensemble der Schaubühne Berlin gehört.
Die Nominierten des Bayerischen Buchpreises finden Sie hier, ebenso ein Porträt des Ehrenpreisträgers.