Einmal in der Woche findet bei gutem Wetter auf dem Mittagberg im Allgäu ein Berggottesdienst statt.
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Einmal in der Woche findet bei gutem Wetter auf dem Mittagberg im Allgäu ein Berggottesdienst statt.

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Berggottesdienste: Über den Wanderweg auf den Lebensweg

Auf dem Mittagberg im Allgäu finden regelmäßig Berggottesdienste statt. Manche Besucher kommen gezielt, andere wandern zufällig vorbei. Während die Kirchen immer leerer werden, erfreuen sich Seelsorge-Angebote in der Natur großer Beliebtheit.

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 am Samstagvormittag am .

Genau in dem Moment, als die Trompeten und Posaunen ansetzen, um den Gottesdienst auf dem Plateau des 1.451 Meter hohen Mittagberg in den Allgäuer Alpen einzuleiten, spannt sich hinter ihnen ein großer weiß-roter Schirm auf. Während der Gleitschirmflieger abhebt, bleiben auch Wanderer plötzlich stehen und lauschen.

Vorbeikommende Wanderer nehmen spontan teil

Manche setzen sich spontan dazu, auf die Bänke, zu den anderen Gottesdienstbesuchern. "Ganz zufällig sind wir hier. Wir sind von Immenstadt losgegangen zum Wandern und dann haben wir die Blechbläser gehört und sind dazugestoßen", sagt eine Frau mit ihrem Kind. Rund zwei Dutzend Menschen sind gekommen, ein paar Einheimische, die meisten Urlauber. Unter ihren Kappen blinzeln sie nach vorne zu einer Frau, die sich mit einem weißen Hut vor der Sonne schützt. Edith Hutter ist Prädikantin, eine ehrenamtliche evangelische Predigerin: "Unser Thema für den Gottesdienst lautet Berg und Tal, und ich finde, das passt ja zu diesem Ausblick ganz hervorragend."

Meditationen, Sonnenaufgangs-Wanderungen, Gottesdienste im Freien: In den letzten Jahren hat die Kirche ihre Seelsorge-Angebote in der Natur ausgebaut. Während die Kirchen sonntags immer leerer werden, erfreut sich die Tourismus-Seelsorge großer Beliebtheit. Was suchen Menschen, wenn sie im Urlaub zu einem Berggottesdienst gehen? "Mir geht’s persönlich zurzeit nicht so gut, die persönliche Lage, und ich erhoffe mir einfach, durch das Wort Gottes zur Besinnung, zur Ruhe zu kommen, neue Kraft zu schöpfen für die nächsten Wochen und Monate", sagt ein Gottesdienstbesucher. Andere kommen, weil der Gottesdienst im Freien stattfindet: "Die Atmosphäre ist es. In der Kirche bin ich in einem geschlossenen Raum, was auch gut ist, aber hier, das Freie, die Sicht, es ist immer wieder ein Erlebnis."

"Man genießt die Freiheit jetzt wieder"

Edith Hutter zeigt hinter sich, wo sich das Alpenpanorama wie auf einer Postkarte entfaltet. So ein Wetter hatten sie hier lange nicht. Im August hat es viel geregnet und gestürmt. Bei gutem Wetter findet einmal in der Woche ein Berggottesdienst statt. Heute cremt sich der eine oder andere noch mit Sonnenmilch ein, bevor der Gottesdienst beginnt. Für Hutter ist es in diesem Sommer der erste Gottesdienst auf dem Mittagberg. Der Sessellift bringt sie vom Tal in Immenstadt nach oben auf den Berg: "Wir hatten drei Corona-Jahre, und das spürt man schon, dass die Menschen das jetzt genießen. Das ist, was jetzt das Wetter in diesem Sommer im Kleinen war, das ist die lange Zeit der Corona-Pandemie im Größeren. Der Effekt ist der gleiche, man genießt diese Freiheit jetzt wieder."

Das Erlebnis Kirche im Grünen, etwa bei Pilgerreisen und Meditationsevents, scheint gerade sehr beliebt zu sein. "Das liegt daran, dass man das Innere mit dem Äußeren verbinden kann. Man kann das, was man sieht und erlebt, verbinden mit dem, was sich im eigenen Inneren abspielt. Denn Berg und Tal und Wetter, das kann auch ein Symbol sein für die eigenen Lebensabläufe. Dieses Auf und Ab im Leben und diese guten und schlechten Tage", glaubt Edith Hutter.

Nicht nur über Natur predigen, sondern sie auch sehen

Die Fahrt mit der Seilbahn führt über bewaldete Hänge. Neben den Bäumen grasen die Kühe. "Ist das nicht herrlich?", fragt Hutter. Wenn sie bei einem Gottesdienst in der Natur einen Text über die Schöpfung spricht, über die Schönheit der Natur und wie man sie bestaunen und bewundern kann, dann können das die Gottesdienstbesucher direkt erleben. "Ich muss es nicht schildern, weil man sieht es. Und das ist auch ein Grund, warum die Kirche an solchen Orten präsent sein soll", sagt die evangelische Predigerin. Menschen seien schließlich immer auf der Suche nach ihrem Weg - ob das jetzt der tatsächliche Wanderweg sei oder der Lebensweg. "Und wenn man etwas Abstand vom Alltag hat, ist man aufnahmebereiter für etwas ganz Neues", glaubt Hutter.

Früher hat sie Daten für einen großen Chemiekonzern verarbeitet. Dann hat sie noch Religionspädagogik studiert. Moses hat die zehn Gebote auf einem Berg empfangen, im Matthäus-Evangelium findet sich Jesus' Bergpredigt. Als sie den Gottesdienst leitet, spricht sie über die verschiedenen Bedeutungen von Berg und Tal, über seelische Berg- und Talfahrten, Hochgefühle, über das Tal der Tränen.

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