Nicht Bambi, sondern Hanni und Schlick. So hießen die beiden Rehe, die Franz Marc und seine Frau Maria bei sich zu Hause in Sindelsdorf im Garten als Haustiere hielten. Drei Fotos in der Ausstellung des Franz-Marc-Museums Kochel zeigen den Maler und die beiden jungen Rehe. Im Schnee. Wie ihre eigenen Kinder soll das Ehepaar Marc die Tiere geliebt haben, berichtete ihr Freund und Künstlerkollege Wassily Kandinsky.
Ausstellung: "Das Reh fühlt" im Franz-Marc-Museum Kochel
Hanni und Schlick. So harmonisch wie auf den Fotos sind die Rehe dann auch in zwei bekannten Gemälden von Franz Marc zu sehen: Im ersten von 1909, im Schilf in sanften gelb-braunen Pastelltönen suchen zwei Rehe nach Fressen. Im zweiten von 1913, vor den bayerischen Bergen, die Farben nun kräftiger, die Formen geschwungener, deutlich näher am Expressionismus, schmiegen sich die beiden roten Rehe aneinander und scheinen fast mit der Landschaft zu verschmelzen. Zwei Bilder, zwei Naturidyllen "mit typischer Franz-Marc-Botschaft", erklärt die neue Museumsdirektorin Jessica Keilholz-Busch.
Das Reh als die Unschuld, der Mensch als "vom Urzustand entfremdet"
Es gehe ihm in seinem gesamten Werk darum, festzuhalten, dass das Tier "das bessere Wesen ist als der Mensch. Der Mensch ist das Unreine, das Verdorbene, durch die Gesellschaft und Entwicklung im Grunde von seinem Urzustand entfremdet. Und das Tier ist das Gegenbild, das er dazu entwickelt." Was für Marcs Tiere gilt, gilt für seine Rehe umso mehr. Sie sind die absolute Unschuld, das Reine, Gute, eine Utopie. Fast schon im religiösen Sinn. Christusgleich wird das Reh zum Opfer, so etwa in der Skizze "Sterbendes Reh" von 1908 oder dem zusammengerollten "Getöteten Reh" von 1913.
Bilder, die Mitleid erregen. Und so oder so ähnlich in der jüngeren Kunstgeschichte immer wieder bedeutungsschwer aufgegriffen wurden, was die begleitenden Arbeiten von Sigmar Polke und Joseph Beuys aus den 50/60er Jahren zeigen. Sowie die Skulpturen von Renée Sintenis. Die Bildhauerin erlangte mit ihren kleinen, lieblichen Reh-Figuren in den 1920er Jahren Kultstatus. Für Museumsdirektorin Jessica Keilholz-Busch stehen die Tier-Bilder von Marc und anderen Künstlern heute in einem weiteren Bedeutungs-Kontext, den sie in zukünftigen Ausstellungen weiter ausleuchten möchte.
Thema Tierethik, kolonial geraubte Tiere
Wie die Frage nach kolonial-geraubten Tieren, die dann hier in Europa ausgestellt werden und in ihren Herkunftsländern gejagt und ausgerottet werden. Sie denke, sagt Jessica Keilholz-Busch, an die Frage nach Tierrechten und Tierethik, gerade wenn es darum geht, Tiere nicht wie Marc in ihrer natürlichen Umgebung zu zeigen. "Die Rehe konnte er hier in Kochel ja tatsächlich beobachten. Aber wie verhält sich das bei Tieren, die man nur in einem Gefängniskontext betrachten kann?"
Neue Ausstellungskonzeption
Die aktuelle Ausstellungskonzeption ging noch auf ihre Vorgängerin Cathrin Klingsöhr-Leroy zurück. Die neue Direktorin Keilholz-Busch hat abseits der Sonderausstellung im Haus schon ein bisschen was verändert. Die Dauerausstellung zu Marc und dem Blauen Reiter ist etwas niederschwelliger und didaktischer geworden. Eine ausführliche Biografie Marcs und nach Künstlern sortierte Gemäldegruppen sind die ersten Veränderungen. Weitere, insbesondere im Bereich Nachhaltigkeit, sollen folgen.
Solaranlage und Ladestation für E-Bikes
Man werde jetzt zusätzlich eine Solaranlage errichten, um "unsere CO2-Emissionen zu verringern". Es gibt eine E-Ladestation für Elektro-Fahrräder. Auch größer ausgezeichnete Wildblumen-Bereiche im Park. Und auch mehr Bildungsarbeit, um damit auch partizipativer zu werden und Teilhabe zu ermöglichen. Das Franz-Marc-Museum will die Verbindung Kunst und Natur - ganz im Sinne seines Namensgebers - weiter vertiefen. Denn wie schreibt der an einer Stelle: "Natur ist überall, in uns und außer uns. Es gibt nur etwas, das nicht ganz Natur ist, sondern vielmehr ihre Überwindung und Deutung: die Kunst."
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