Sauberes Wasser aus der Leitung: Ein lebenswichtiges Gut, an das wir uns gewöhnt haben. Doch Wasserknappheit und marode Leitungen bereiten Politikern Sorge. Helfen soll ein Wassercent. 13 der 16 Bundesländer haben ein solches Wasserentnahmeentgelt bereits, in Bayern haben sich CSU und Freie Wähler im Koalitionsvertrag darauf verständigt. Eigentlich sollte die Abgabe noch vor der Sommerpause im Kabinett beschlossen werden. Ob das in den noch zwei verbleibenden Wochen zu schaffen ist, ist unklar.
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Kommt Wasser aus der Leitung - wird bezahlt
Zumindest die Freie-Wähler-Fraktion hat sich nach langer Diskussion auf ein Konzept verständigt: Putzen, Wäsche waschen, ein Bad nehmen – immer, wenn Wasser aus dem Wasserhahn verwendet wird, soll der Wassercent fällig werden.
FW-Fraktionschef Florian Streibl spricht im BR-Interview von einem "leitungsgebundenen Wassercent". "Wenn ich also in meinem Garten Blumen gieße und da das Wasser aus der Leitung nehme, zahle ich mit", erläutert er. Das eingenommene Geld solle für den Ausbau und die Sanierung der kommunalen Wasserleitungen verwendet werden.
Wie teuer wird der Wassercent?
Über die Höhe der Abgabe müsse man noch sprechen, sagt der FW-Fraktionsvorsitzende, sie werde aber im Cent-Bereich liegen: "So um die zehn Cent pro Kubikmeter." Sollte das so kommen, müsste ein normaler Haushalt laut Streibl mit Mehrausgaben von vier Euro pro Person im Jahr rechnen. "Das soll uns ein gutes, sauberes, gesundes Wasser in Bayern auch wert sein."
Was ist mit Landwirtschaft und Unternehmen?
Firmen, landwirtschaftliche Betriebe und Behörden sollen laut Streibl dann zahlen müssen, wenn sie Wasser aus Leitungen verwenden. Wer auf anderen Wegen an Wasser kommt, braucht keine Abgabe zu entrichten. Ausnahme: Mineralwasser-Firmen und Getränkehersteller, die kommerziell Tiefenwasser entnehmen. Dabei handle es sich schließlich um "das reinste, sauberste und älteste Wasser", erläutert Streibl.
Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) hatte im März noch im BR betont, beim Wassercent müssten alle mitmachen. Inwieweit die von seiner Fraktion beschlossene Kompromisslösung seinen Vorstellungen entspricht, sagt er auf Anfrage nicht.
Uneinigkeit in der CSU-Fraktion
Der Koalitionspartner, die CSU-Fraktion, ringt noch um eine Linie. Der FW-Vorschlag könne eine Basis für Diskussionen sein, sagt CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek. Er sieht aber noch viele offene Fragen: "Wer wird herangezogen? Die Wirtschaft hat Fragen, die Landwirtschaft hat Fragen. Deswegen muss man das schon gut abwägen, damit man dann auch ein vernünftiges Konzept hat, das trägt und das die Menschen auch verstehen."
Die Umwelt- und die Wirtschaftspolitiker in der CSU-Fraktion sind laut Holetschek noch unterschiedlicher Meinung darüber, wie der Wassercent aussehen soll. Muss auch der Landwirt zahlen? Und wie ist es mit Firmen? Manche von diesen brauchen für die Produktion schließlich sehr viel Wasser.
Klar ist: Der Bayerische Bauernverband und die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft sind gegen einen Wassercent, Naturschutzverbände halten die Einführung für überfällig. Konflikte scheinen also programmiert.
AfD kritisiert Wassercent als zusätzliche Steuer
Holetschek versichert, seine Fraktion sei sich dessen bewusst, wie wichtig das Thema Wasser sei. Zugleich verweist er aber auf ein Dilemma: "Grundsätzlich haben wir mal gesagt, wir wollen keine weiteren Belastungen machen." Die AfD-Fraktion nutzt schon seit Wochen jede sich bietende Gelegenheit im Landtag, um den geplanten Wassercent als "zusätzliche Steuer" zu geißeln und Stimmung gegen die Abgabe zu machen.
Zwar zeigt sich der CSU-Fraktionschef optimistisch, dass sich die Abgeordneten bald auf Eckpunkte verständigen werden. Hetzen lassen will er sich aber nicht: "Ich glaube, so ein Gesetz muss ja gut gemacht werden", betont er. "Deswegen rate ich uns, das wirklich gut anzuschauen und auch in die Details reinzugehen." Die CSU lasse sich daher "so viel Zeit, wie wir brauchen, um das gut zu diskutieren." Das sieht auch Umweltminister Glauber so: Es sei nicht unbedingt Eile, "sondern auch Klugheit gefragt".
Grüne: "Reiner PR-Zirkus"
Den Grünen im Landtag dauert das dagegen alles zu lange. "Immer wieder hat die Staatsregierung vollmundig den Wassercent angekündigt, aber bis heute hat sie nichts davon umgesetzt", kritisiert Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze und beklagt einen "reinen PR-Zirkus". Die CSU nehme den Verlust "unseres Trinkwassers billigend in Kauf", obwohl sich die Wasserknappheit in Bayern immer mehr zuspitze.
Schulze beklagt, die Regierung wisse gar nicht, wie viel Grundwasser in Bayern überhaupt verbraucht werde. Das hat eine gemeinsame Recherche des BR und der "Main-Post" ergeben, die Missstände bei der Kontrolle und Verwaltung von mehr als 2.000 Wasserentnahme-Rechten in Unterfranken zeigt. Die Fraktionen von SPD und Grünen hatten daraufhin mehrere Anträge in den Landtag eingebracht. Alle wurden von der CSU und den Freien Wählern abgelehnt.
Nach Schulzes Überzeugung herrscht dringender Handlungsbedarf. "Wir wollen doch, dass sparsamer mit Wasser umgegangen wird, denn unser blaues Gold ist kostbar", betont die Grünen-Politikerin. "Und dafür braucht es jetzt schnellstmöglich den Wassercent für alle."
(Redaktioneller Hinweis: Ursprünglich stand in diesem Artikel, dass die FW-Fraktion zusätzliche Belastungen für Firmen und landwirtschaftliche Betriebe vermeiden will. Auf Nachfrage hat die Fraktion präzisiert, dass der Wassercent auch von Unternehmen und Betrieben bezahlt werden muss, die Wasser aus der Leitung entnehmen.)
Im Video: Wasser aus der Leitung soll künftig extra kosten
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