Nein, ein Feminist war Pablo Picasso wohl wirklich nicht, aber was dann? Ein Pferd, ein Stier, eine Taube, wie die bekanntesten Motive seines Schaffens? Schon eher, meint der spanische Choreograph Daniel Morales Pérez im Gespräch mit dem BR. Für ihn ist der berühmte Maler ein Wesen voller Kraft, voller Gewalt, gefährlich, unnahbar, aber auch liebesbedürftig, hungrig nach Nähe, ausgelassen und hoch emotional. Damit eignet sich Picasso natürlich hervorragend für das Tanztheater, zumal seine siebenjährige Beziehung zur Fotografin Dora Maar ein Kapitel Kunstgeschichte schrieb.
"Würde sagen, er war ein Frauenheld"
Seine Muse begleitete die Arbeit von Picasso am erschütternden Antikriegsbild "Guernica" mit ihrer Kamera, machte ihn mit wegweisenden prominenten Linken bekannt und ertrug mal mehr, mal weniger seine vielen Seitensprünge. All das ist Thema bei diesem Tanzabend im Theater an der Rott in Eggenfelden, einschließlich der berühmten Caféhaus-Szene, in der sich Picasso und Dora Maar kennenlernen: Sie rammt ein Messer zwischen ihre Finger auf dem Bistrotisch, aus einer Laune heraus. Nicht immer trifft sie daneben, am Ende bluten ihre Hände.
Nun ist das Handlungsballett mit Stationen einer Liebe eigentlich längst nicht mehr in Mode, aber wenn es so bebildert wird wie hier, geht der Premierenjubel des Publikums völlig in Ordnung. Picasso als frauenverschlingende Sagen-Gestalt, als Flamenco tanzender Minotaurus, das hat was. Co-Choreograph Sebastian Kammer: "Das ist ja auch das Spannende an diesem Leben, dass er auch seine dunklen Seiten hatte und seine Schattenseiten, seine negativen, nicht rühmlichen Seiten. Das macht ihn ja als Künstler nicht klein, sondern umgekehrt. Uns hat eigentlich die Frage beschäftigt, ist es notwendig so zu sein, um Künstler zu sein oder ist man so, weil man Künstler ist. Ich würde sagen, er war ein Frauenheld. Er war ein Mann, der die Frauen geliebt hat und die Frauen wahrscheinlich auch ihn. Er war sicherlich kein Feminist, nein."
Mediterrane Stilikone im Ringelshirt
Ausstatterin Mariangela Mazzeo hatte eine Art Altar für die Liebe aufgebaut, vor dem Dora Maar sich wehmütig an ihr Leben an der Seite von Picasso erinnert: An die Auseinandersetzungen um die Kunstform Fotografie, die Arbeit an "Guernica", die Bedrohung durch die Nazis und die deutsche Besatzung Frankreichs im Zweiten Weltkrieg, die schrägen Partys der Surrealisten-Szene in Paris. Picasso, der von drei Tänzern dargestellt wird, immer deutlich zu erkennen an seinem blau-weißen Ringelshirt, das ihn zur Stilikone machte. Das steht für seine späten Jahre in Südfrankreich, aber auch für seine mediterrane Lebenseinstellung. Nicht von ungefähr verliebt er sich unter einem weißen Sonnenschirm in Dora Maars deutlich jüngere Nachfolgerin, Françoise Gilot.
In neunzig Minuten zeigen Daniel Morales Pérez und Sebastian Kamm ihre Sicht auf den wohl bekanntesten Künstler des 20. Jahrhunderts, ohne aufdringlich dessen Werke in den Mittelpunkt zu stellen. Es bleibt bei sehr sparsamen Bildzitaten, um nicht von den Tänzern abzulenken. Die Musik dazu, neben Flamenco-Rhythmen auch spanische und deutsche Balladen bis hin zum Rap, wird hier und da mit zeitgeschichtlichen Audiobruchstücken gemixt: Das Gebrüll faschistischer Diktatoren, Klangfetzen von einem Marsch. Insgesamt für das Theater an der Rott in Eggenfelden ein mutiges und gelungenes Experiment, gibt es hier doch nicht das Publikum, das solche Stoffe auf Off-Bühnen in Berlin oder München gewohnt ist.
"Beziehungen sind für ihn einfach verblasst"
Tura Gómez Coll, Katharina Mikstetter und Alessia Aurora Rizzi sind ebenso kraftvoll-gefühlsgeladen bei der Sache wie die drei Tänzer, die Picasso in seinen verschiedenen Lebensphasen darstellen, mal als aggressiven Stier, mal als nervöses Pferd, mal als sensible Friedenstaube: Damián Cortés Alberti, Jiaji Cheng und der Bruder des Choreographen, Elias Morales Pérez.
Und wie ist der Inhalt auf den Punkt zu bringen? Im Programmheft steht: "Picasso hat nie mit einer Frau Schluss gemacht. Die Beziehungen sind für ihn einfach verblasst, wenn er eine neue getroffen hat." Klingt irgendwie sehr modern!
Wieder am 19, 20. und 21. Januar im Theater an der Rott in Eggenfelden, weitere Termine.
Verpassen war gestern, der BR Kultur-Newsletter ist heute: Einmal die Woche mit Kultur-Sendungen und -Podcasts, aktuellen Debatten und großen Kulturdokumentationen. Hier geht's zur Anmeldung!