Die 90er Jahre. Das Jahrzehnt der Supermodels. Frauen, die dafür berühmt wurden, Kleider vorzuführen. Linda Evangelista, Naomi Campbell, die beide in der Dokumentation "In Vogue: The 90s" zu sehen sind, wurden zu Stars. Campbell macht das daran fest, dass auf einmal Menschen unbedingt erfahren wollten, was sie zum Frühstück gegessen hatte.
Wodka und Zigaretten
Und manchen Snack können wir uns heute, da Gesundheit zum Fetisch geworden ist, kaum noch vorstellen: Wodka mit Zigaretten und Kuchen zum Interview mit Evangelista – wohl bekomm’s. Manche Stimulanzien waren noch ungesünder. Einer, der fast daran zerbrach, ist der Designer John Galliano. Nach hartem Entzug und Entschuldigung für einen öffentlichen antisemitischen Ausfall sehen wir in der Dokumentation einen freundlichen Briten, der über seine Anfangsjahre plaudert. Von Kokain und Alkohol erzählt er nichts, wohl aber davon, wie die "Vogue" maßgeblich seine Karriere befördert hat. Ein zwölfseitiges Porträt des damals nahezu unbekannten Newcomers ebnete ihm den Weg nach ganz oben, erst zu Givenchy, dann zu Dior.
Kritik? Fehlanzeige
Chefredakteurin Anna Wintour und die "Vogue" waren sehr mächtig. Einmal heißt es in der Dokumentation, sie konnten Karrieren aufbauen und zerstören. Nur so dahingesagt? Oder doch Wirklichkeit? Kritische Stimmen gibt es keine, schließlich ist die "Vogue" als Co-Produzentin dabei. Somit fehlt eine Außensicht, die meisten Interviewten kommen aus der "Vogue" oder wurden von ihr gefördert. Der Film "Der Teufel trägt Prada" war eine fiktionalisierte, aber deutliche Kritik an Anna Wintours Führungsstil. In der Disney-Dokumentation gibt es dazu nur Andeutungen.
Oben ohne umringt von Männern
So wie auch zu anderen Problemzonen im Modebusiness. Etwa wenn Kate Moss erzählt, wie sie als 18-Jährige für eine Calvin-Klein-Kampagne oben ohne gefilmt wurde – und sich inmitten eines männlichen Teams schlicht ausgeliefert fühlte. Keine Nachfrage dazu, keine Aussage, ob es #metoo-Fälle im Modebusiness gab.
Aber das eigentliche Problem dieser Dokumentation ist ein anderes: Es bleibt unklar, was erzählt werden soll. Um das Zeitschriftengeschäft geht es schon mal nicht. Anna Wintour versteckt sich buchstäblich hinter der Sonnenbrille und gibt wenig preis. Was wir zu sehen bekommen, sind tolle Modenschau-Ausschnitte und sehr viele berühmte Interviewpartner. Was fehlt, ist eine Geschichte, die über die bunten Schnipsel hinausreicht. Und das ist dann doch sehr wenig für sechs Stunden.
Die Dokumentation "In Vogue – the 90s" ist bei Disney + ab dem 13.9. zu sehen.
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