Ein zentrales Gutachten zu Geburten in der RoMed Klinik Wasserburg wirft Fragen auf.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Uwe Lein
Audiobeitrag

Nach Durchsuchungen der Staatsanwaltschaft Traunstein bei den RoMed Kliniken sorgt nun ein Gutachten für Wirbel.

Audiobeitrag
>

Rosenheimer RoMed Kliniken: Gutachten wirft Fragen auf

Rosenheimer RoMed Kliniken: Gutachten wirft Fragen auf

Wegen Verdachts auf Behandlungsfehler ermittelt die Staatsanwaltschaft Traunstein zur Wasserburger Geburtshilfe. Nun werden Rufe nach politischer Aufarbeitung laut: Kommunalpolitiker haben Fragen – vor allem zu einem zentralen Gutachten.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Josef Baumann (Freie Wähler) ist schon viele Jahre im Kreistag und im Aufsichtsrat bei den RoMed Kliniken. Er fordert, dass die Verdachtsfälle – Geburten zwischen Oktober 2020 und Januar 2023 - aufgeklärt werden. Denn der Landwirt kennt eine Familie, die sich wegen der Geburt ihres Kindes bis heute mit RoMed auseinandersetzt: "Das haben wir dem Landrat mitgeteilt, dass bei der Geburt vermutlich einiges schiefgelaufen ist. Und er sollte sich bitte darum kümmern, dass hier aufgeklärt wird." Gerüchte über Probleme in der Wasserburger Geburtshilfe habe es schon vorher gegeben, erklärt Josef Baumann und verweist auf Kündigungen und Hebammen, die nicht mehr dort arbeiten wollten.

Fest steht: Am 1. Februar 2023 kam es zu einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung zur Geburtshilfe in Wasserburg. Auf dieser forderten Aufsichtsräte, eine Reihe von Verdachtsfällen, die Mitarbeitende gesammelt hatten, auf Behandlungsfehler zu prüfen. Das berichten mehrere Aufsichtsräte unabhängig voneinander. Sie wollen anonym bleiben. - Der damalige Geschäftsführer Dr. Jens Deerberg-Wittram gab in der Folge ein Gutachten in Auftrag und erklärte in regionalen Medien, das Gutachten habe keinerlei medizinische Fehlentscheidungen festgestellt. Das 15-seitige Papier liegt BR Recherche vor. Mehrere Aufsichtsräte haben dem BR gegenüber angegeben, dass sie das Gutachten nie erhalten haben.

Viele Fragen rund um ein Gutachten

Den Aufsichtsräten zufolge lautete der Auftrag für das Gutachten, zu untersuchen, ob es bei Geburten zu ärztlichen Fehlentscheidungen – wie etwa einem womöglich zu spät durchgeführten Kaiserschnitt – gekommen sei. Außerdem wollte man prüfen lassen, ob Risikopatientinnen in Wasserburg angenommen wurden, die in einer größeren und besser ausgestatteten Klinik hätten entbinden sollen.

Die Fragestellung des Gutachtens lautet: "War aus Sicht des Gutachters die Entbindung in einer Geburtsklinik (Level 4) leitliniengerecht bzw. medizinisch verantwortbar?" Der Gutachter bewertet zwei der untersuchten Geburten kritisch. Demnach hätten beide Mütter in einem besser ausgestatteten Krankenhaus entbinden sollen.

Mitarbeitende hatten nach BR-Informationen insgesamt elf Fälle gesammelt und diese dem damaligen Geschäftsführer zukommen lassen. In dem Gutachten aber finden sich nur sieben Geburten, vier Geburten aus der Mitarbeitersammlung wurden nicht untersucht. Der Gutachter schreibt, das geburtshilfliche Gutachten basiere auf vom früheren Geschäftsführer zur Verfügung gestellten Unterlagen. Der frühere Geschäftsführer hat bis Redaktionsschluss nicht auf Fragen des BR reagiert. Auch der Gutachter äußert sich nicht.

RoMed Kliniken und Träger halten sich bedeckt

Auf BR-Anfrage antworten der Klinikverbund und die beiden Gesellschafter – die Stadt und der Landkreis Rosenheim – gemeinsam: "Die damalige Geschäftsführung hat im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat die externe unabhängige Begutachtung beauftragt und in der Folge den Aufsichtsrat über das Ergebnis informiert." Weitere Fragen werden mit Verweis auf das laufende Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Traunstein erneut nicht beantwortet.

Kommunalpolitiker fordern Aufklärung

Die BR-Recherchen stimmen RoMed-Aufsichtsrat Josef Baumann nachdenklich. Er sagt im Interview: "Da hat man schon das Gefühl, dass versucht worden ist, nicht alles aufzuklären. Sonst wären wir vielleicht im Aufsichtsrat besser informiert worden oder wir hätten dann auch besser nachgefragt im Aufsichtsrat."

Vergangene Woche hat BR Recherche allen zwanzig Mitgliedern des Aufsichtsrates – je zehn Vertretern aus dem Stadtrat und dem Kreistag – Fragen zugesendet. Fünf davon wollten sich mit Verweis auf die Verschwiegenheitspflicht und laufende Ermittlungen nicht äußern. Einige Aufsichtsräte, die anonym bleiben wollen, geben an, sich aufsichtsratsintern für eine umfassende Aufklärung einzusetzen.

Aufklärung sei ein Muss, sagt auch Abuzar Erdogan, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Rosenheimer Stadtrat. Das sei man nicht nur den RoMed Kliniken schuldig, sondern auch den Patienten: "Leidtragende dieser ganzen Geschichte sind die Familien, die zumindest eine Aufklärung verdient hätten." Es könne nicht sein, dass der frühere Geschäftsführer nur sieben Fälle untersuchen ließ. Abuzar Erdogan verweist darauf, dass die Staatsanwaltschaft Traunstein sich derzeit bereits mit zwölf Fällen befasse.

Juristische Aufarbeitung hat begonnen

Die Staatsanwaltschaft Traunstein ermittelt, derzeit werden circa 200 Patientenakten gesichtet. Sie betreffen Kinder, die zwischen Oktober 2020 und Januar 2023 im RoMed Klinikum Wasserburg geboren wurden. Die Ermittler gehen dem Anfangsverdacht einer fahrlässigen Tötung und fahrlässiger Körperverletzung in elf Fällen nach. Bisher wird gegen eine Medizinerin ermittelt, die die RoMed Kliniken inzwischen verlassen hat. Sie äußert sich auf BR-Anfrage nicht. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Wenn Sie Missstände melden wollen, können Sie sich per Mail an das Investigativteam des Bayerischen Rundfunks wenden: brrecherche@br.de

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!