Rapper Drake und Kendrick Lamar
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Streiten seit Wochen mit allen lyrischen Mitteln: Rapper Drake und Kendrick Lamar

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Drake und Kendrick Lamar: Wortreicher Kampf der Rap-Giganten

Seit Wochen werfen sich die beiden Rap-Superstars Kendrick Lamar und Drake in Diss-Tracks über den jeweils anderen Vorwürfe an den Hals, die von mangelnder Medienkompetenz bis hin zu Pädophilie reichen. Versuch einer Chronologie.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Wenn zwei Rap-Riesen übereinander herfallen, ist die Blaupause natürlich immer der Streit zwischen Tupac Shakur und Biggie Smalls alias Notorious B.I.G. in den Neunzigerjahren. Damals ging es um Frauen, Gangs und die Frage, ob die US-Westküste denn nun die besseren Rapper als die Ostküste hervorgebracht hätte. Das Ende ist bekannt: Beide Protagonisten wurden erschossen, die Hintergründe blieben unklar. Auch wenn es danach immer wieder – mitunter bewusst verkaufsfördernde – Rivalitäten zwischen Rappern gab, schien man nach diesem Tiefpunkt darauf bedacht, bei ähnlichen Streitigkeiten die Lage nicht allzu sehr eskalieren zu lassen.

Was sich nun allerdings die beiden heutigen Rap-Übergötter Drake und Kendrick Lamar liefern, hat durchaus ähnliche Dimensionen, beschleunigt durch das Internet-Zeitalter: Seit einigen Wochen befeuern sich die beiden mit Disstracks, teilweise folgt auf das Werk des einen noch am selben Tag eine musikalische Reaktion der Gegenseite. Die Chancen, dass das Ganze auch zu physischer Gewalt wie in den Neunzigern führt, sind Gott sei Dank gering, sind die beiden Rapper doch milliardenschwere Unternehmer mit begrenzter krimineller Energie, die bis 2012 noch gemeinsame Songs aufgenommen hatten.

Hart, aber nicht ohne lyrischen Anspruch

Rhetorisch allerdings schenkt man sich wenig, weswegen selbst Professoren seit Wochen kaum hinterherkommen, die dutzende Querverweise und biografischen Referenzen in den Songs zu sezieren: Besonders Feuilletonisten-Darling und Pulitzer-Preisträger Kendrick Lamar zeigt sich erstaunlich streitlustig, was manche zur These brachte, dass der "Hass" ihn "dumm" gemacht habe. Wer genauer hinhört, wird allerdings Zeuge einer sehr zeitgeistigen, lyrisch trotz der beanstandeten Härte durchaus niveauvollen Streits der zwei größten und zugleich gegensätzlichsten Pop-Künstler unserer Zeit. Versuchen wir uns also mal an einer Chronologie.

Begonnen hatte das Ganze im März: Auch wenn die beiden Rapper vorher gelegentlich gestichelt hatten, begann der aktuelle Streit mit dem Release des Tracks "Like That" von Kendrick Lamar gemeinsam mit den Rap-Kollegen Future und Boomin. Lamar verglich darauf sich selbst und Drake mit den Legenden Prince und Michael Jackson, wobei er sich offenbar als den heutigen Prince wahrnahm: "Prince outlived Mike Jack" rappt er da, Prince habe Jackson "überlebt". Verglichen mit dem, was folgen sollte, eine noch eher brave Zeile. Es gäbe außerdem keine "Big Three", keine großen Drei, unter den Rappern, sondern mit Lamar nur einen "Big Me".

Eine Frage der Glaubwürdigkeit

Die Antwort von Drake folgte ein paar Wochen später mit Drakes "Push Ups", in dem er unter anderem behauptete, Lamar wäre außerhalb der USA ein Unbekannter, während Drake ausverkaufte Shows in Japan spiele. Außerdem warf er Lamar einen Verlust seiner Glaubwürdigkeit vor, da er in der Vergangenheit mit Mainstream-Pop-Acts wie Maroon 5 oder Taylor Swift zusammengearbeitet hatte: "Maroon 5 need a verse, you better make it witty / Then we need a verse for the Swifties".

Damit wendet er einen Vorwurf gegen Lamar, den er eigentlich selbst oft zu hören bekommt: Drake gilt vielen als harmloser Sell-Out-Rapper, dessen Tracks eher in Klamottenketten-Filialen laufen als in "echten" Rap-Kreisen. Kendrick Lamar hingegen kommt aus dem berüchtigten Stadtteil Compton in Los Angeles und hat damit gegenüber dem Kanadier Drake – sozusagen qua Geburt – mehr Glaubwürdigkeit.

Nachdem eine Antwort von Lamar auf sich warten ließ, legte Drake mit "Taylor Made Freestyle" einfach selbst nach. Lamars Reaktion, so zumindest Drakes Erklärung, wäre auf Geheiß von Taylor Swift ausgeblieben: "Now we gotta wait a fucking week cause Taylor Swift is your new top, and if you boutta drop, she gotta approve", rappte Drake. Zu deutsch: Lamar müsse sich erst eine Genehmigung von Taylor Swift abholen, die sich den Release ihres eigenen Albums nicht von einem Rap-Streit verhageln lassen wolle. Taylor Swift hat das Ganze übrigens nicht kommentiert, mit Erwähnungen ihrer Person in Rap-Songs hat sie bisher eher schlechte Erfahrungen gemacht.

Neben Drake ist auf dem Track auch ein mit künstlicher Intelligenz erzeugter Stimmklon des verstorbenen Tupac Shakur zu hören, der ebenfalls gegen Lamar austeilt. Es folgte ein Rechtsstreit mit Shakurs Angehörigen, Drake löschte den Song.

Doppelte Antwort

Kendrick Lamar schlug nun mit gleich zwei Tracks zurück, "Euphoria" und "6:16 in LA". Auf ersterem zeigt sich, dass die Themen in Rap-Battles sich im Jahr 2024 durchaus gewandelt haben: Lamar wirft Drake etwa vor, nicht genug Zeit mit seinem Sohn zu verbringen ("I got a son to raise, but I can see you know nothin’ ’bout that") oder dass sich Drake mit seinem helleren Hautton zu Unrecht mit dem N-Wort schmücke ("I even hate when you say the word 'n****'," but that's just me, I guess"). Ein bisschen platter geht es allerdings auch: Drakes ganzer vermeintlicher Freundeskreis hasse ihn eigentlich, habe Lamar gehört. Und seine Klamotten seien doof, findet Lamar ("I hate the way that you dress"), was laut den Rapzeilen-Erklärern auf der Website Genius allerdings eine Referenz an Michael Jacksons Song "The Way You Make Me Feel" ist. Homophob und damit eigentlich unter Kendrick Lamars Niveau wird es, wenn er in "Euphoria" Drakes Label-Kollegen als "dick riders" bezeichnet.

Vorerst letzte Eskalation?

Die Sache mit dem Sohn wiederum ließ Drake nicht auf sich sitzen: Lamars Kind sei eigentlich von seinem Manager gezeugt worden, rappt er in "Family Matters", das am 3. Mai erschien. Direkt am nächsten Tag reagierte Lamar mit "Meet the Grahams" auf dem er Drakes Sohn Adonis ansprach und sein Mitleid dafür bekundete, dass er so einen Vater haben müsse. Das Thema Kinder scheint Lamar nicht loszulassen, in seinem nächsten Track "Not Like Us" warf er Drake Pädophilie vor, wenn auch rhetorisch geschickt verpackt ("Try'na strike a chord and it’s probably A-minor").

Auf dem Cover des Ganzen ist eine Satellitenaufnahme von Drakes Anwesen zu sehen – markiert mit einem Symbol, das in den USA Wohnorte von Sexualstraftätern kennzeichnen soll. Hier zeigte sich am Dienstag, dass der Beef zwischen den beiden Rappern von manchen vielleicht doch zu ernst genommen wird: Einer von Drakes Wachmännern wurde vor dessen Anwesen angeschossen, ein Zusammenhang zum Streit ist noch nicht geklärt.

Das lyrisch vorerst letzte Kapitel des Streits ist Drakes "The Heart Part 6", veröffentlicht am 5. Mai 2024. Die Vorwürfe weist er darin von sich und rät Lamar, fast schon pädagogisch, er möge an seiner Medienkompetenz und Geduld zu arbeiten ("You gotta learn to fact-check things and be less impatient"). Dann allerdings wirft er Lamar vor ein Frauenschläger zu sein, wofür es bisher keine Anschuldigungen gab. Seine bisherige Bilanz aus dem wochenlangen Streit: Mit dem Pulitzer-Preisträger Kendrick Lamar geht es bergab ("The Pulitzer Prize winner is definitely spiralin'). Eins ist sicher: Eine Antwort von selbigem wird nicht lange auf sich warten lassen.

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