Der weltgrößte Musik-Konzern Universal Music hat damit begonnen, im Streit um Lizenzgebühren Songs seiner Künstler aus der Video-App Tiktok abzuziehen. So können Nutzer der App auf der Suche nach einem passenden Song für ihr Video ab Donnerstag vorerst nicht mehr bekannte Universal-Künstler wie Taylor Swift oder Drake finden.
Gescheiterte Verhandlungen
Tiktok erlaubt es Nutzern, ihre Videos mit Songs zu unterlegen und geht dafür Lizenzvereinbarungen mit der Musikbranche ein. Die Plattform hat sich so in den vergangenen Jahren zu einem entscheidenden Promotion-Werkzeug für die Musikindustrie entwickelt: Songs werden teilweise geradezu auf Tiktok-Tauglichkeit hin produziert. Geht dort ein Song viral, schlägt sich das meist direkt in den Charts nieder.
Wenn man so will, ist Tiktok somit das MTV unserer Zeit. Gleichzeitig profitierte Tiktok massiv von den Plattenkatalogen der Labels: Auch wenn die Plattform sich immer mehr zu einem Ort für alle denkbaren Video-Inhalte von Kochrezepten bis zu Politikanalysen entwickelt, spielt Musik dort weiterhin eine entscheidende Rolle.
Universal Music hatte diese Woche jedoch Verhandlungen über eine Verlängerung der bisherigen Vereinbarung für gescheitert erklärt. Sie lief damit am Mittwoch aus – seit Donnerstag sind die Songs verschwunden. Wer nun etwa einen Song von Olivia Rodrigo oder Helene Fischer zur Untermalung seines Videos auswählen will, erhält die Meldung: "Der*Die Inhaber*in der Urheberrechte hat diesen Sound in deinem Land nicht zur Verfügung gestellt."
Stumme Videos
Viele Videos sind dadurch mittlerweile stumm, etwa die des deutschen Rappers Ski Aggu, der seinen Erfolg zu großen Teilen der Plattform zu verdanken hat. Wo früher etwa in tausenden Videos sein Nummer-Eins-Hit "Friesenjung" erklang, steht nun der Satz. "Sound wurde wegen Urheberrechtsbeschränkungen entfernt."
Der Verlust dieser – gerade für die junge Generation entscheidenden – Plattform ist laut Universal Music trotz allem gerechtfertigt: Tiktok habe den Musikern und Songautoren nur "einen Bruchteil" der auf ähnlichen anderen Online-Plattformen üblichen Vergütung geboten, argumentierte die Plattenfirma in einem offenen Brief. Außerdem lasse Tiktok in großem Stil mit Hilfe Künstlicher Intelligenz erstellte Musik auf die Plattform - und wolle vertraglichen Freiraum dafür. Damit treibe der Dienst faktisch "das Ersetzen von Künstlern durch KI" voran.
Tauziehen zwischen Plattform und Plattenindustrie
Tiktok konterte, es sei "traurig und enttäuschend, dass die Universal Music Group ihre eigene Gier über die Interessen ihrer Künstler gestellt". Der Musik-Konzern bleibe damit einer Plattform mit "deutlich mehr als einer Milliarde Nutzer" fern, auf der Musik beworben und entdeckt werde. Universal Music handele damit nicht im Interesse der Musiker und Fans. Universal Music räumte ein, dass der Schritt Konsequenzen für die eigenen Musiker haben werde. Man habe jedoch die Verantwortung, für faire Konditionen für sie zu kämpfen.
Tiktok habe im Verlauf der Verhandlungen versucht, Universal "einzuschüchtern" und in einen Deal zu drängen, der weniger wert sei als der bisherige Vertrag, so der Musikkonzern. Tiktok habe beispielsweise Stücke von noch wenig bekannten Universal-Musikern entfernt. Tiktok hat die Vorwürfe als "falsch" zurückgewiesen.
Kann Tiktok auch ohne Universal? Und umgekehrt?
Was sich nun abspielt, ist ein Tauziehen zweier Riesen, aber aus unterschiedlichen Jahrhunderten - die 'alte' Musikindustrie gegen die neuen Medien, die sich mit deren Inhalten schmücken. Universal wolle die Muskeln spielen lassen, indem man zeige, dass Tiktok nicht existieren kann, wenn man den Musikkatalog von Universal nicht habe, meint Tatiana Cirisano, Musikindustrie Analystin im Gespräch mit dem Radio-Netzwerk NPR.
Fraglich ist, ob diese Wette aufgeht: Wer als Künstler heutzutage bei jungen Menschen ankommen will, kommt an Tiktok auf Dauer nicht vorbei. Der Rückzug des Katalogs durch Universal könnte daher nur eine vorübergehende Maßnahme sein, um den Druck in künftigen Verhandlungen zu erhöhen.
Mit Material von dpa
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