Das Suchen und Finden von Familienangehörigen, die durch Kriege voneinander getrennt wurden, und das Aufklären von deren Schicksal ist schon immer ein Teil der Arbeit des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) gewesen. 1945 hat es zum ersten Mal dazu aufgerufen, Vermisste, Evakuierte und Flüchtlinge zu registrieren. Denn nach dem Zweiten Weltkrieg wurden über 1,7 Millionen deutsche Soldaten als vermisst gemeldet.
Nachkriegskinder haben ihre Väter nie kennengelernt
Rainer Nitsche lebt in der Nähe von Neu-Ulm und hat seinen Vater nie kennengelernt. Als Unteroffizier kämpfte der in Stalingrad, dort verliert sich seine Spur. Keiner weiß, ob er in Kriegsgefangenschaft war. Der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuz wird, nach aufwendiger Recherche, in den Archiven der ehemaligen Sowjetunion fündig. Sie bringen Gewissheit über das Schicksal von Vater Erich - und inneren Frieden für seinen Sohn. "Wenn ein Mensch 80 Jahre lang weg ist, und auf einmal bekommst du die Nachricht, dass sie wissen, wo er ist, dann ist das sehr befriedigend. Einen Ort zu haben, wo man hinfahren kann und ans Grab gehen kann", erzählt Rainer Nitsche.
Sein Vater starb am 5. April 1943 in russischer Kriegsgefangenschaft. Er wird im heutigen Kasachstan begraben.
DRK-Suchdienst erreichen an die 8.000 Anfragen jährlich
In München leitet die Historikerin Johanna Treß den Suchdienst des DRK. Knapp 8.000 Anfragen haben sie und ihr 52-köpfiges Team im vergangenen Jahr bearbeitet. Recherchegebühren falle keine an, denn der Suchdienst wird seit seiner Gründung vom Bundesinnenministerium finanziert. "Niemand hätte gedacht, dass wir 2025 immer noch aktiv sind", sagt die Historikerin. "Denn es wurde davon ausgegangen, dass die Enkel- oder Ur-Enkelgeneration kein großes Interesse hat an den Vermissten des Zweiten Weltkrieges hat. Aber das hat sich bisher so nicht bestätigt."
Wunsch des DRK: Suchdienst soll bis 2045 bestehen bleiben
Die Suche nach vermissten Soldaten und Kriegsflüchtlingen ist für die Mitarbeiter des Suchdienstes aufwendig. Eine ihrer Methoden war zunächst die Befragung von Heimkehrern: Ob sie auf der Vermissten-Bildliste irgendjemanden erkennen. Diese Liste entsteht Ende der 1950er Jahre. Damals hat der DRK-Suchdienst alle Angehörigen gebeten, Fotos der Vermissten einzusenden. Ab Dezember 1957 wurde sie gedruckt, mittlerweile ist sie digitalisiert.
Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs konnte der DRK-Suchdienst auch auf Daten der Archive der ehemaligen Sowjetunion zurückgreifen. Das eröffnete neue Recherchemöglichkeiten. Die Herausforderung hierbei ist, die Namen der Vermissten zu finden. Die sowjetische Lagerverwaltung hat sie oft nur phonetisch registriert, so wurden in der kyrillischen Schreibweise die deutschen Namen auch abgewandelt. Bei den mehreren Millionen Einträgen ist das eine aufwendige Recherchearbeit.
2028 soll der Suchdienst nun eingestellt werden. Doch damit sind Johanna Treß und ihr Team nicht einverstanden. "Mein Wunsch wäre, dass wir bis mindestens bis 2045 bestehen bleiben. Bis 100 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Ich denke, das wäre angebracht."
Mehr zum Thema "Der Wert des Menschen" in der Sendung STATIONEN in der ARD Mediathek.
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